Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitsförderung. Ablehnung eines Gründungszuschusses. Ermessensfehlgebrauch. Eigenleistungsfähigkeit während der Anlaufphase. Einkommens- und Vermögensprüfung. Abfindungszahlung. Abfindungshöhe
Leitsatz (amtlich)
1. Im Rahmen der Ermessensentscheidung über einen Gründungszuschuss wird in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise jedenfalls dann Gebrauch gemacht, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die geplante selbstständige Tätigkeit bereits in der Anlaufphase der ersten sechs Monate so erfolgreich sein wird, dass der Existenzgründer hiermit seinen Lebensunterhalt selbst erwirtschaften und damit auch seine soziale Absicherung vornehmen kann.
2. Im Übrigen lässt sich eine allgemeine Einkommens- und Vermögensprüfung im Rahmen eines Anspruchs auf Gründungszuschuss normativ nicht begründen. Eine Ablehnung, die ausschließlich auf die Begründung gestützt wird, der Antragsteller sei aufgrund seiner sonstigen wirtschaftlichen Lage, insbesondere aufgrund einer bei Verlust des letzten Arbeitsplatzes gezahlten hohen Abfindung nicht auf den Gründungszuschuss angewiesen, ist stets ermessensfehlerhaft.
Orientierungssatz
Die Höhe der vom früheren Arbeitgeber gezahlten Abfindung, auch wenn sie - wie hier - die nach § 1a Abs 2 KSchG maßgebliche Höhe von 0,5 Monatsverdiensten für jedes Jahr des Bestehens des Arbeitsverhältnisses weit übersteigt, kann für das Bestehen von Eigenleistungsfähigkeit und damit als Ablehnungsgrund für den beantragten Gründungszuschuss nach § 93 SGB 3 nicht maßgeblich sein.
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 30.08.2016 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt auch die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers im Berufungsverfahren.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Gewährung eines Gründungszuschusses für die Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit zum 01.04.2015.
Der am 00.00.1964 geborene Kläger war in der Zeit vom 01.10.1997 bis zum 30.09.2014 als Sales Support Specialist bei der W GmbH beschäftigt. Die Kündigungsfrist betrug 6 Monate zum Monatsende. Dem Kläger stand ein monatliches Bruttogrundgehalt von 6.831,00 EUR, d.h. 81.972,00 EUR im Jahr, zu. Hinzu kamen Urlaubs- und Weihnachtsgeld sowie Ansprüche aus dem Leistungstarifvertrag und Erfolgsboni für Tarifangestellte. Das Arbeitsverhältnis endete durch Aufhebungsvertrag vom 25.03.2014 zum 30.09.2014. Der Kläger erhielt hierbei eine Abfindung i.H.v. 367.573,03 EUR, die mit dem Gehalt des Beendigungsmonats ausgezahlt werden sollte.
Der Kläger meldete sich am 08.09.2014 bei der Beklagten mit Wirkung zum 01.10.2014 arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld. Die Beklagte bewilligte ihm mit bestandskräftigem Bescheid vom 01.10.2014 Arbeitslosengeld für die Zeit ab dem 24.12.2014 für eine Anspruchsdauer von 450 Kalendertagen mit einem täglichen Leistungssatz von 80,50 EUR, d.h. 2.415,00 EUR monatlich. Hinsichtlich des Zeitraums vom 01.10.2014 bis zum 23.12.2014 stellte die Beklagte mit ebenfalls bestandskräftigem Bescheid vom 30.09.2014 i.d.F. des Änderungsbescheides vom 10.10.2014 eine Sperrzeit von 12 Wochen bei Arbeitsaufgabe fest und lehnte die Zahlung von Arbeitslosengeld für diesen Zeitraum ab. Die ursprüngliche Anspruchsdauer wurde aufgrund der Sperrzeit um ein Viertel auf 338 Tage gemindert. Der Kläger bezog für 98 Tage Leistungen (s. Bescheid der Beklagten vom 25.03.2015 über die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld ab dem 01.04.2015), so dass bei Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit am 01.04.2015 noch eine Anspruchsdauer von 240 Tagen verblieb.
Am 18.03.2015 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung eines Gründungszuschusses zur Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit. Hierbei gab er an, er werde am 01.04.2015 eine selbständige, hauptberufliche Tätigkeit als ICT- Berater/Publizist/Coach in L aufnehmen. Er legte hierzu u.a. eine Stellungnahme der Stadt L als fachkundiger Stelle zur Tragfähigkeit seiner Existenzgründung, ferner einen Businessplan sowie eine Rentabilitätsvorschau vor.
Mit Bescheid vom 23.06.2015 lehnte die Beklagte den beantragten Gründungszuschuss ab. Zur Begründung verwies sie darauf, im Rahmen der Ausübung des der Beklagten nach § 93 des Sozialgesetzbuches Drittes Buch - Arbeitsförderung - (SGB III) eingeräumten Ermessens sei zu berücksichtigen, dass eine Förderung u.a. nur dann erfolgen könne, wenn der Gründungszuschuss zur Sicherung des Lebensunterhaltes und zur sozialen Sicherung in der Zeit nach der Gründung notwendig sei. Der Kläger habe einen Aufhebungsvertrag unterschrieben und eine Abfindung in Höhe von rd. 357.000 EUR erhalten. Aufgrund dieser Abfindung und des zuletzt erzielten Jahresgehaltes von rd. 75.000 EUR brutto p.a. sei davon auszugehen, dass die Sicherung des Lebensunterhaltes und die soziale Sicherung gewährleistet seien.
Mit Schreiben vom 20.07.2015 legte der Kläger hiergegen Widerspruch und verwies zur Begründung darauf, dass die Ablehnung...