Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Krankenhausvergütung. MDK-Prüfverfahren. Auslegung der materiellen Präklusionsregelung des § 7 Abs 5 PrüfvV 2016. Nichtgeltung bei Änderung der Reihenfolge der unstreitig zutreffend kodierten Diagnosen. hier: Ersetzung der Hauptdiagnose durch eine zunächst im Ursprungsdatensatz als Nebendiagnose übermittelte Diagnose
Orientierungssatz
1. § 7 Abs 5 der Vereinbarung über das Nähere zum Prüfverfahren nach§ 275 Abs 1c SGB 5 vom 3.2.2016 (Prüfverfahrensvereinbarung - PrüfvV 2016) (juris: PrüfvVbg) beinhaltet eine materielle Präklusionsregelung mit der Rechtsfolge, dass Änderungen zugunsten des vom Krankenhaus zu Abrechnungszwecken an die Krankenkasse übermittelten Datensatzes nach Ablauf der in der PrüfvV 2016 geregelten Änderungsfristen unzulässig sind, soweit der Datensatz Gegenstand des Prüfverfahrens geworden ist (vglBSG vom 18.5.2021 - B 1 KR 37/20 R = SozR 4-2500 § 301 Nr 11 RdNr 16ff). Änderungen des vom Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) geprüften Teils des Datensatzes nach § 301 SGB 5 außerhalb der in § 7 Abs 5 PrüfvV 2016 geregelten Änderungsmöglichkeiten sind - auch mit Wirkung für ein ggf nachfolgendes Gerichtsverfahren - unzulässig.
2. Die materielle Präklusion gilt nicht, wenn nach Abschluss einer auf die Hauptdiagnose (nicht hingegen auf die Nebendiagnosen) gerichteten MDK-Prüfung vor Ort eine Ersetzung der zunächst übermittelten Hauptdiagnose durch die vom gerichtlichen Sachverständigen genannte, zunächst im Ursprungsdatensatz als Nebendiagnose übermittelt Diagnose erfolgt. Eine solche Datensatzänderung ist vom Wortlaut des § 7 Abs 5 PrüfvV 2016 zwar grundsätzlich erfasst, jedoch besagt die Vorschrift nichts darüber, welche Konsequenzen eine fehlerhafte Zuordnung der an sich richtigen Diagnosen hinsichtlich der Bereiche Haupt- und Nebendiagnose haben soll.
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 22.03.2022 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 901,31 € festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Vergütung stationärer Krankenhausbehandlung.
Seit seiner Verlegung aus dem E. C. am 12.04.2018 bis zu seiner Verlegung in das Herzzentrum des X. Ü. am 26.04.2018 wurde der im Jahr 00.00.0000 geborene und bei der Beklagten krankenversicherte F. (Versicherter) im von der Klägerin betriebenen Vertragskrankenhaus behandelt. Die Aufnahme auf der Intermediate-Care-Station des klägerischen Krankenhauses erfolgte wegen einer kardialen Dekompensation mit respiratorischer Insuffizienz sowie formal troponinpositivem akuten Koronarsyndrom / NSTEMI.
Mit Rechnung vom 04.05.2018 forderte die Klägerin für die Behandlung des Versicherten unter Zugrundelegung der DRG F69A (Herzklappenerkrankung mit äußerst schweren oder schweren CC) eine Vergütung in Höhe von 4.705,13 €. Als Hauptdiagnose teilte sie dabei I35.0 (Aortenklappenstenose), als Nebendiagnosen unter anderem die Diagnosen I50.01 (sekundäre Rechtsherzinsuffizienz) sowie I21.4 (akuter subendokardialer Myokardininfarkt) mit.
Die Beklagte beglich die Rechnung zunächst vollständig und bat aufgrund von Zweifeln an der Richtigkeit der Abrechnung den Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) um Prüfung, ob die Hauptdiagnose I35.0 korrekt ist (Prüfanzeigen vom 16.05.2018). Dieser kam in seinem nach Prüfung vor Ort erstellten Gutachten (vom 24.07.2018) zu dem Ergebnis, dass die Hauptdiagnose in I50.01 zu ändern sei, woraus die geringer vergütete DRG F49E (invasive radiologische Diagnostik außer bei akutem Myokardinfarkt, ohne IntK )196/184/368 Aufwandspunkte, Alter ) 14 Jahre, ohne kardiales Mapping, ohne schwere CC oder ein Belegungstag, mit komplexer Diagnose) folge. Der Versicherte sei mit globaler kardialer Dekompensation übernommen worden; diese habe die stationäre Behandlung veranlasst und sei Hauptdiagnose. Bei dem Kode I35.0 handele es sich um einen Echobefund ohne weiteren Aufwand des Krankenhauses. Im Rahmen des Begehungsverfahrens sei von Seiten der Krankenhausverantwortlichen die Änderung der Hauptdiagnose nur unter der Bedingung der Anerkennung der I35.0 als Nebendiagnose akzeptiert worden.
Die Beklagte teilte der Klägerin das Ergebnis der MDK-Prüfung mit und machte einen Erstattungsanspruch in Höhe von 1.051,75 € geltend, den sie gemäß § 10 der Vereinbarung über das Nähere zum Prüfverfahren nach § 275 Absatz 1c SGB V vom 03.02.2016 (Prüfverfahrensvereinbarung - PrüfvV 2016) aufgerechnet habe. Das Zahlungsavis vom 31.07.2018 wies bezogen auf den Behandlungsfall des Versicherten eine Gutschrift in Höhe von 3.653,38 € und einen Minusbetrag in Höhe von 4.705,13 € aus.
Die Klägerin widersprach dem MDK-Gutachten. Es sei sehr wohl seitens des Krankenhauses ein erheblicher Aufwand bezüglich der Aortenklappenstenose mit erhöhtem Ressourcenverbrauch betrieben worden.
Am 30.12.2019 hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Duisburg erhoben. Nach den ...