Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitsunfall. haftungsausfüllende Kausalität. psychische Störung. Nachweis
Orientierungssatz
Bei der Beurteilung der Zusammenhangsfrage zwischen Arbeitsunfällen und psychoreaktiven Störungen ist - nicht zuletzt zur Abgrenzung von Simulation oder Aggravation - ein strenger Maßstab anzulegen und eine eindeutige Beweisantwort vom Sachverständigen zu verlangen (vgl. BSG vom 7.4.1964 - 4 RJ 283/60 = BSG SozR Nr 38 zu § 1246 RVO). Dabei ist zu berücksichtigen, daß psychische Reaktionen des Verletzten auf einen Unfall meist nicht ausschließlich durch Kräfte aus dem Unterbewußtsein bestimmt werden, vielmehr eine bewußte Überbetonung und ein zweckgerichtetes unechtes Verhalten häufig mitwirken. Der erforderliche Ursachenzusammenhang zwischen Arbeitsunfall und Gesundheitsschaden ist danach in der Regel dann zu verneinen, wenn die psychische Reaktion wesentlich die Folge wunschbedingter Vorstellungen ist, die zB mit der Tatsache des Versichertseins oder auch mit persönlichen Lebenskonflikten in Zusammenhang stehen (vgl. BSG vom 18.12.1962 - 2 RU 189/59 = BSGE 18, 173; vgl BSG vom 5.8.1987 - 9b RU 36/86 = SozR 2200 § 581 Nr 26).
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob dem Kläger wegen der Folgen eines Arbeitsunfalls vom 28.10.1985 Verletztenrente zusteht.
Der im Jahre 1948 geborene türkische Kläger war im Unfallzeitpunkt bei der Firma K S AG in S als Kranführer beschäftigt. Er erlitt am 28.10.1985 einen Arbeitsunfall, als er in seinem Kran mit dem Kopf gegen den Fensterrahmen der Krankabine stieß, nachdem ein anderer Kran gegen den des Klägers geprallt war.
Nach dem Durchgangsarztbericht von Prof. Dr. S, Chefarzt der Abteilung für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie des Kreiskrankenhauses S, Haus H, war der Kläger kurzfristig bewußtlos, und es traten Übelkeit, Schwindel sowie Kopfschmerzen, aber kein Erbrechen ein. Die orientierende grob-neurologische Untersuchung durch Prof. Dr. S ergab unauffällige Befunde. Es bestand eine retrograde Amnesie, ein Druckschmerz hinter dem rechten Ohr ohne äußere Verletzungszeichen. Die Halswirbelsäule (HWS) war frei beweglich. Die Röntgenuntersuchung des Schädels und der HWS ergab keinen Anhalt für frische Knochenverletzungen bzw. für eine Fraktur. Der Durchgangsarzt diagnostizierte eine Commotio cerebri (Gehirnerschütterung) und veranlaßte die stationäre Aufnahme des Klägers zur Beobachtung. Während der bis zum 12.11.1985 dauernden stationären Behandlung wurde der Kläger mehrfach konsiliarisch durch Dr. B, Oberarzt der Neurologischen Abteilung des Kreiskrankenhauses S, untersucht, wobei das Elektroencephalogramm (EEG) sowie das Computertomogramm (CT) des Schädels keinen pathologischen Befund ergaben.
Unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit wurde bis zum 11.12.1985 angenommen.
Bei neurologischen Kontrolluntersuchungen am 22.11.1985 und am 21.01.1986 durch Dr. B stellte sich der neurologische Befund in allen Teilen regelrecht dar. Auch der psychische Status entsprach der Norm. In seinem Bericht vom 22.01.1986 diagnostizierte Dr. B ein abgeklungenes postcommotionelles Syndrom sowie einen Zustand nach HWS-Distorsion ohne neurologische Folgen.
Der Kläger, der seine Tätigkeit bei der Firma K wieder aufgenommen hatte, war vom 21.01.1986 bis 01.02.1986 erneut wegen eines psychischen Erschöpfungszustandes arbeitsunfähig geschrieben. Diese Arbeitsunfähigkeit war nach Mitteilung des behandelnden Internisten Dr. B vom 17.02.1986 nicht unfallbedingt. Bis Ende 1986 war der Kläger - unterbrochen durch kürzere Zeiten der Arbeitsunfähigkeit wegen Bagatellerkrankungen - nicht mehr als Kranführer, aber mit anderen Tätigkeiten bei der Firma K beschäftigt, bevor er nach einer Zeit der Arbeitslosigkeit im Jahre 1987 eine Tätigkeit als Schweißer bei einem anderen Arbeitgeber aufnahm. Seit Januar 1989 war der Kläger arbeitslos und hat seither keine Erwerbstätigkeit mehr ausgeübt.
Die Beklagte, die dem Kläger für die Dauer der unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit bis zum 11.12.1985 Verletztengeld gewährte, schloß den Vorgang seinerzeit ohne Erteilung eines förmlichen Bescheides ab.
Am 03.05.1993 machte der Kläger gegenüber der Beklagten unter Hinweis auf ein gegen die Bundesknappschaft B geführtes Verfahren wegen Bewilligung von Erwerbsunfähigkeitsrente geltend, daß er seit dem Unfall im Oktober 1985 unter erheblichen psychischen Beschwerden leide, die zu einer dauerhaften Arbeitsunfähigkeit ab dem 30.12.1988 bis heute geführt hätten. Bei ihm habe sich eine Persönlichkeitsstörung entwickelt, für die möglicherweise der Arbeitsunfall vom 25.10.1985 ursächlich sei.
Die Beklagte leitete daraufhin ein Feststellungsverfahren ein. Nach Beiziehung eines Vorerkrankungsverzeichnisses von der Bundesknappschaft, aus dem sich u.a. ergibt, daß der Kläger vom 16.07. bis 25.07.1980 wegen einer Angstreaktion arbeitsunfähig erkrankt war, sowie ärztlicher Berichte und Gutachten von der Bundesknappschaft betreffend das Rentenver...