Entscheidungsstichwort (Thema)
Streitverfahren über Bestimmung eines Krankenhauses. Vertragsarztrecht iSv § 10 Abs 2 SGG. Vertragsarzt. Anfechtungsbefugnis. defensive Konkurrentenklage. Gebot zur Berücksichtigung der vertragsärztlichen Versorgungssituation. Prognoseentscheidung
Orientierungssatz
1. Bei der Bestimmung von Krankenhäusern für die ambulante Leistungserbringung nach § 116b Abs 2 SGB 5 in der bis zum 31.12.2011 geltenden Fassung handelt es sich um Streitverfahren des Vertragsarztrechts iSv § 10 Abs 2 SGG. Zum Vertragsarztrecht gehören auch Streitigkeiten im Zusammenhang mit der Beteiligung stationärer Leistungserbringer, die zur vertragsärztlichen Versorgung ermächtigt sind.
2. Die Bestimmung eines Krankenhauses zur ambulanten Versorgung kann durch einen Vertragsarzt angefochten werden, wenn eine Rechtsverletzung nicht von vorneherein ausgeschlossen ist. Hierbei handelt es sich um eine sog defensive Konkurrentenklage, mit der sich ein bereits etablierter Leistungserbringer gegen die Zulassung eines weiteren Leistungserbringers wehrt (vgl BSG vom 17.8.2011 - B 6 KA 27/10 R = SozR 4-1500 § 54 Nr 26 sowie vom 7.2.2007 - B 6 KA 8/06 R = BSGE 98, 98 = SozR 4-1500 § 54 Nr 10).
3. Aus dem Gebot zur Berücksichtigung der vertragsärztlichen Versorgungssituation ist zu folgern, dass die bestehenden Versorgungsstrukturen durch niedergelassene Vertragsärzte erhalten bleiben und nicht durch eine ausschließliche Leistungserbringung der ambulanten Leistungen durch das bestimmte Krankenhaus ersetzt werden soll.
4. Bei der anzustellenden Prognoseentscheidung ist zum einen zu berücksichtigen, ob die wirtschaftliche Existenz des Vertragsarztes durch die Bestimmung des Krankenhauses bedroht ist und zum anderen, ob durch die spezialfachärztliche ambulante Behandlung im Krankenhaus die Versorgungssituation und -qualität verbessert wird.
Tenor
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Magdeburg vom 23. September 2011 wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge. Außergerichtliche Kosten des Beigeladenen sind nicht zu erstatten.
Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 15.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Die Beteiligen streiten über die Rechtsmäßigkeit der Anordnung der sofortigen Vollziehungen eines Bescheides des Antragsgegners.
Die Beigeladene ist Trägerin des C. -v. -B. -Klinikums in M ... In der Antragstellerin haben sich mehrere Ärzte zur gemeinsamen Berufsausbildung mit hämatologischem, gastroenterologischem und radiologischem Schwerpunkt zusammen geschlossen. Die Antragstellerin betreibt zwei Praxisstandorte in H. und zwar in der N. straße 23 (Hauptsitz) und der N. straße 22 (Nebensitz). Nach ihren Angaben (eidesstattliche Versicherung der Ärzte PD Dr. R. und Dr. S. vom 15. Juli 2011 als Anlage zur Antragsschrift vom 22. Juli 2011) werden am Standort N. straße 22, wo nur Behandlungen auf dem Gebiet der Onkologie und Gastroenterologie stattfinden, pro Quartal rund 2.800 Patientinnen und Patienten behandelt. Im 4. Quartal 2010 wurden insgesamt 2.869 Patientinnen und Patienten behandelt und davon ca. 12,8 mit gastorintestinalen Tumoren und Tumoren der Bauchhöhle und ca. 48,6 % mit Tumoren des lymphatischen, blutbildenden Gewebes und schweren Erkrankungen der Blutbildung. Die zur Antragstellerin gehörende Ärztin Dr. S. und die Ärzte Dres. PD R. und H. sind Fachärzte für Innere Medizin, Hämatologie und Internistische Onkologie. Sie nehmen bereits langjährig an der (nunmehr) zwischen der Kassenärztlichen Vereinigung und den Spitzenverbänden der gesetzlichen Krankenkassen abgeschlossenen Vereinbarung über die qualifizierte ambulante Versorgung krebskranker Patienten (Onkologie-Vereinbarung) teil und sind "onkologisch verantwortliche Ärzte" nach dieser Vereinbarung. Im Jahre 2011 ist die Ärztin Dr. Sch. in die Praxisgemeinschaft eingetreten, die ebenfalls auf dem Gebiet der Hämatologie und Onkologie spezialisiert und auch "onkologisch verantwortliche Ärztin" nach der Onkologie-Vereinbarung ist. Daneben gehören zur Antragstellerin noch Fachärzte für Gastroenterologie, Radiologie, Radiologische Diagnostik und Diagnostische Radiologie. Nach dem Vortrag der Antragstellerin besteht eine enge Verzahnung der von ihnen durchgeführten ambulanten Behandlung mit dem stationären Sektor auch durch eine Einbindung in das Darmzentrum des D. Krankenhauses in H ...
Am 29. Mai 2009 stellte die Beigeladene beim Antragsgegner einen Antrag auf Bestimmung zur Erbringung hochspezialisierter ambulanter Leistungen nach § 116b des Sozialgesetzbuches Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V). Beantragt wurde die Diagnostik und Versorgung von Patientinnen und Patienten mit onkologischen Erkrankungen der Tumorgruppen (1.) Gastrointestinale Tumore und Tumore der Bauchhöhle und (2.) Tumore des lymphatischen blutbildenden Gewebes und schwere Erkrankungen der Blutbildung.
Von dem Antrag setzte die Beigeladene die Kassenärztliche Vereinigung S. -A. (im Folgenden: KV) in Kenntnis. Die ...