Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen eines Anspruchs des Grundsicherungsberechtigten auf Mehrbedarf
Orientierungssatz
1. Bei den Fahrtkosten eines Grundsicherungsberechtigten zur ärztlichen Behandlung handelt es sich nicht um einen besonderen Bedarf i. S. des § 21 Abs. 6 SGB 2. Es steht in der Eigenverantwortung des Leistungsbeziehers, wofür er die Mittel verwendet, die im Regelbedarf für Verkehr enthalten sind.
2. Im Übrigen besteht bei ausreichender ärztlicher Versorgung am Wohnort des Grundsicherungsberechtigten keine Notwendigkeit, diese in weiterer Entfernung in Anspruch zu nehmen.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der 1975 geborene Kläger begehrt die Übernahme von Fahrtkosten zur Teilnahme an einer Therapie in L..
Er steht seit geraumer Zeit im Leistungsbezug nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II). Am 26. April, 2. Mai und 10. Mai 2017 nahm er an drei Probesitzungen einer psychotherapeutischen Behandlung in L. teil. Dies ergibt sich aus Behandlungsbescheinigungen ohne Datum der Fachärztin f. Psychotherapeutische Medizin Dr. H.. Der Beklagte lehnte den Antrag des Klägers vom 6. März 2017 auf Übernahme von Fahrtkosten zur Teilnahme an dieser Therapie mit Bescheid vom 11. Mai 2017 ab. In dem hiergegen erhobenen Widerspruch führte der Kläger aus, er habe eine bereits in M., seinem früheren Wohnort, begonnene Therapie fortsetzen wollen. Trotz intensiver Bemühungen habe er im Raum H. keinen Therapieplatz erhalten. Damit die bereits begonnene Maßnahme nicht gegenstandslos werde, habe er nach L. ausweichen müssen, um die laufende Therapie fortsetzen zu können. Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 13. Juli 2017 zurück. Bei den Fahrtkosten zur ambulanten Behandlung handele es sich nicht um einen besonderen Bedarf im Sinne des § 21 Abs. 6 SGB II. Der Kläger habe sich vorrangig an seine Krankenkasse zu wenden. Es sei auch zweifelhaft, ob die Fahrten nach L. zwingend erforderlich gewesen sein. Es habe vorrangig einen ortsansässigen Therapeuten aufsuchen können.
Hiergegen hat der Kläger am 14. August 2017 Klage beim Sozialgericht (SG) Halle erhoben. Er habe gegen die Ablehnung der Kostenübernahme durch die Krankenkasse Widerspruch eingelegt und das Klageverfahren vor der 22. Kammer des SG Halle bis zum Erlass eines klageabweisenden Urteils weiterbetrieben. In L. habe er zeitnah einen Termin bekommen, was in H. nicht möglich gewesen wäre. Die Höhe der Fahrtkosten liege bei insgesamt ca. 45 €. Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 7. Mai 2020 abgewiesen. Der Kläger habe zwar vorgetragen, dass ihm zeitnah kein Termin in H. angeboten worden sei. Er habe aber nicht belegt, dass ein Ausweichen nach L. eilbedürftig gewesen sei. Es stehe grundsätzlich in der Eigenverantwortung des Leistungsbeziehers, wofür er die Mittel verwende, die im Regelbedarf für Verkehr enthalten sein. Die sechs Fahrten würden sich auf die Monate April und Mai 2017 verteilen, sodass der für Verkehr im Regelbedarf enthaltene Betrag von 32,90 € im Jahr 2017 hierfür habe verwendet werden können. Im Regelbedarf sei zudem ein monatlicher Beitrag von 15 € für die Gesundheitspflege enthalten. Der Kläger habe die angefallenen Kosten bisher nicht belegt. Es fehle im Ergebnis an einer erheblichen Abweichung vom durchschnittlichen Bedarf. Der Kläger sei letztlich darauf zu verweisen, die geltend gemachten Kosten aus dem Regelbedarf zu decken. Das SG hat die Berufung zugelassen.
Der Kläger hat gegen den ihm am 15. Mai 2020 zugegangenen Gerichtsbescheid am 11. Juni 2020 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Sachsen-Anhalt erhoben. Der Fall, dass es dem Versicherten zwar grundsätzlich körperlich möglich sei, die Fahrt ohne Hilfsmittel zurückzulegen, ihm dies aber gleichwohl aus finanziellen Gründen verwehrt bleibe, werde vom Leistungsspektrum der gesetzlichen Krankenkasse schon vom Grundsatz her nicht erfasst. Daher müsse ein Mehrbedarf nach § 21 Abs. 6 SGB II gewährt werden, wenn seine Mittel anderenfalls unter die Schwelle des grundrechtlich garantierten Existenzminimums herabsinken würden. Die aufgewendeten 45 € überstiegen die im Regelsatz für Verkehr angesetzte Verbrauchsausgabe von 32,90 €. Sein Bedarf übersteige nach einer Hochrechnung allein durch die Fahrten zur Therapie den regulären Bedarf um 1/3. Unzweifelhaft habe er über die Fahrten zu seiner Therapeutin hinaus auch weiteren Mobilitätsbedarf gehabt. Seine Therapeutin sei aus H. nach L. umgezogen. Er habe alles ihm Mögliche getan, einen wohnortnahen Therapieplatz zu erhalten, diese Bemühungen seien jedoch erfolglos gewesen. Der Bedarf sei offensichtlich von Dauer gewesen, da die Therapie gewiss über einige Monate, wenn nicht gar Jahre erfolgt wäre. Dass es nur drei Termine gegeben habe, sei darauf zurückzuführen, dass er die Therapie wegen der nicht erstatteten Fah...