Entscheidungsstichwort (Thema)
Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Beurteilung betriebsunüblicher Pausen. Kurzpausen bzw Erholungszeiten im Bereich des öffentlichen Dienstes und der Privatwirtschaft
Leitsatz (amtlich)
1. Ob betriebsunübliche Pausen erforderlich sind, ist nach den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes zu beurteilen.
2. Im Bereich des öffentlichen Dienstes gelten Kurzpausen von weniger als 15 Minuten alle 2 Stunden nicht als die Arbeitszeit verkürzende Pausen.
3. Im Bereich der Privatwirtschaft sind tarifvertraglich neben dem gesetzlichen Pausenanspruch persönliche Verteilzeiten (nach REFA) und darüber hinaus auch Erholungszeiten vorgesehen (hier: Lohnrahmentarifvertrag Metall, Bezirk Baden-Württemberg vom 16.5.2014).
Orientierungssatz
Zum Leitsatz 2 vgl BAG vom 30.3.1989 - 6 AZR 326/86 und vom 27.4.2000 - 6 AZR 861/98.
Normenkette
SGB VI § 43 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 S. 2; ArbZG § 4 S. 1
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Bewilligung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI) über den 30. Juni 2010 hinaus.
Der am ... 1958 geborene Kläger hatte während der versicherungspflichtigen Beschäftigung als Fenster-/Fassadenmonteur am 12. März 1998 eine Zerrung der linken Wade und eine Distorsion des linken Sprunggelenks erlitten. In der Folge war es zu einer Dreietagenthrombose des linken Beins gekommen. Am 9. Juni 1999 hatte er einen Muskelfaserriss im Bereich der rechten Wade erlitten, ebenfalls mit der Folge einer Dreietagenthrombose des rechten Beins sowie einer Lungenembolie. Seit dieser Zeit findet eine kontinuierliche Langzeitantikoagulation mit Falithrom statt. Wegen beider Unfälle erhält der Kläger von der Verwaltung-Berufsgenossenschaft (VBG) eine Rente nach dem Siebten Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung (SGB VII), seit dem 1. Februar 2004 nach einer MdE von 20 % (postthrombotisches Syndrom III. Grades) für die Folgen des Versicherungsfalls im Bereich des linken Beins und nach einer MdE von 10 % im Bereich des rechten Beins (leichtes postthrombotisches Syndrom).
Auf den ersten Rentenantrag vom 17. August 2004 hatte die Beklagte ein orthopädisches Gutachten von Dr. B. vom 18. November 2004 eingeholt. Dieser hatte ein postthrombotisches Syndrom beider Unterschenkel sowie eine Arthrose des Großzehengrundgelenks links mit Einschränkung der Dorsalflexion diagnostiziert. Es bestehe eine erhebliche Diskrepanz zwischen den beklagten Beschwerden und dem relativ dürftigen objektiven Befund. Die Angabe des Klägers, er könne wegen zunehmender Schmerzen nur 100 m gehen, könne ihm nicht abgenommen werden. Die Abrollbehinderung am linken Fuß wäre durch Einlagen korrigierbar. Körperlich leichtere Tätigkeiten in Wechselhaltung sowie die mithelfende Tätigkeit in der Imbissgaststätte der Ehefrau seien ganztägig möglich. Lediglich ständiges Gehen sowie schweres Heben, Tragen und Arbeiten im Hocken seien unzumutbar. Der Rentenantrag war abgelehnt worden. Im Rahmen des folgenden Klageverfahrens (S 13 R 237/05) hatte das Sozialgericht ein am 7. Mai 2007 eingegangenes internistisch-angiologisches Gutachten des Prof. Dr. P. eingeholt. Der Gutachter hatte diskrete Unterschenkelödeme nach Ablegen der Kompressionsstrümpfe beschrieben. Er hatte die Umfangsmaße der unteren Extremitäten (Oberschenkel 53/53 cm, Wadenmitte 41/40 cm, supramaleolär 26/25 cm) ermittelt und eine Duplex-Sonographie durchgeführt. Er hatte eine postthrombotische chronische Veneninsuffizienz beidseits mit Stauungsdermatose und Zustand nach Ulcus cruris postthromboticum, rechts Stadium III nach Widmer, links Stadium II, diagnostiziert. Ferner lägen eine Arthrose des Großzehengrundgelenks links und eine Bewegungseinschränkung beider oberen Sprunggelenke vor. Die Beweglichkeitseinschränkung der Sprung- und Zehengelenke vermindere die Wirksamkeit der Wadenmuskelpumpe erheblich. Der Kläger könne noch leichte Arbeiten wechselweise im Gehen, Stehen und/oder Sitzen mit weiteren Einschränkungen vier bis unter sechs Stunden täglich verrichten. Länger andauernde Arbeitsbelastungen seien aufgrund der schweren chronischen Veneninsuffizienz nicht mehr möglich. Daraufhin hatte die Beklagte im Rahmen eines gerichtlichen Vergleichs vom 31. Juli 2007 dem Kläger Rente wegen voller Erwerbsminderung vom 1. Juli 2007 bis zum 30. Juni 2010 bewilligt.
Der Kläger beantragte am 26. Januar 2010 die Weiterbewilligung der Rente. Die Beklagte holte von der Fachärztin für Innere Medizin Dipl.-Med. L. von ihrem Sozialmedizinischen Dienst (SMD) das Gutachten vom 13. Juli 2010 ein. Dort gab der Kläger an, schmerzbedingt komme es zu einer zunehmenden Versteifung in den Füßen ab ca. 100 m Gehstrecke. Nach einem Spaziergang um den Block (eine halbe Stunde) seien die Beine geschwollen und er müsse sich zwei Stunden ausruhen. Er könne nur noch kurze Strecken mit dem Auto fahren...