Rz. 6
§ 308 Nr. 4 BGB findet auf Verträge aller Art Anwendung. Er gilt im Gegensatz zu § 308 Nr. 3 BGB auch für Dauerschuldverhältnisse, da die Interessenlage insoweit derjenigen im Falle sonstiger Schuldverhältnisse entspricht. Überdies kann gerade im Fall von langfristigen Vertragsverhältnissen wegen bei Vertragsschluss nur schwer abzusehenden Risikoveränderungen ein gesteigerter Anpassungsbedarf bestehen. Unter Berücksichtigung der im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten ist § 308 Nr. 4 BGB auch auf Formulararbeitsverträge anwendbar (vgl. § 310 Abs. 4 S. 2 BGB).
Rz. 7
Die Vorschrift unterwirft Leistungsänderungsvorbehalte einer AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle. Sie beschränkt nicht das Recht des Verwenders, sich vollumfänglich von seiner Leistungspflicht zu befreien, sondern begrenzt seine Möglichkeiten, die Leistungspflicht zu ändern oder von dieser abzuweichen und ein aliud zu leisten. § 308 Nr. 4 BGB erfasst nach seinem Wortlaut ("Änderung der versprochenen Leistung") nicht nur Änderungen der Hauptleistung, sondern gleichfalls die Änderung von Nebenleistungen sowie Leistungs- oder Erfüllungsmodalitäten. Daher ist § 308 Nr. 4 BGB zum Beispiel bei der Verlegung der Räume eines Sportcenters, bei der Änderung von Öffnungszeiten eines Fitnessstudios, bei der nachträglichen Einräumung einer Teilleistungsmöglichkeit oder bei der Änderung des Agios für ein Bauspardarlehen einschlägig. Dabei spielt es für die Inhaltskontrolle nach § 308 Nr. 4 BGB keine Rolle, ob die zu ändernde Leistungspflicht ausdrücklich vereinbart ist, ob sie sich erst durch Vertragsauslegung (§§ 133, 157, 242 BGB) ergibt oder ob sie aus dispositivem Recht folgt.
Rz. 8
AGB-Änderungsklauseln, mit denen sich der Verwender die Änderung seiner AGB vorbehält, sind dagegen nur an § 308 Nr. 4 BGB zu messen, soweit sich der Verwender (auch) die Änderung solcher AGB-Klauseln vorbehält, die seine Leistungspflichten regeln.
Rz. 9
Weiter muss sich der Änderungsvorbehalt auf eine Leistung des Verwenders beziehen. Änderungsvorbehalte, die die Gegenleistung des Vertragspartners betreffen, unterfallen nicht § 308 Nr. 4 BGB, sondern sind an § 309 Nr. 1 BGB und § 307 BGB zu messen. Danach werden Zinsänderungsklauseln in Banken-AGB von § 308 Nr. 4 BGB erfasst, wenn es sich um einen Sparvertrag handelt, die Zinsen also von der Bank dem Sparer versprochen sind, nicht dagegen bei Kreditverträgen, bei denen die Zinsen vom Kreditnehmer an die Bank zu zahlen sind. Schließlich muss es sich auch um eine dem Vertragspartner versprochene und damit regelmäßig (mit Ausnahme von Verträgen nach § 328 BGB) an den Vertragspartner zu erbringende Leistung handeln. So betreffen von einem Hersteller gegenüber seinen Endkunden versprochene Garantieleistungen nicht die vertragliche Beziehung zwischen Hersteller und Vertragshändler, wenn der Vertragshändler die auf Wunsch des Endkunden in Erfüllung der Garantie erbrachten Arbeiten vom Hersteller vergütet erhält.
Rz. 10
Der Verwender muss sich eine Änderung oder Abweichung vom ursprünglichen Leistungsversprechen vorbehalten. Während eine Änderung der Leistung bei anderer Quantität oder Qualität der ursprünglich vereinbarten Leistung gegeben ist, liegt eine Abweichung vor, wenn die ursprüngliche vereinbarte Leistung nach Art und Charakter modifiziert wird. Letzteres meint also eine andere Leistung an sich. Beide Merkmale sind nicht trennscharf abzugrenzen, was jedoch für die Praxis irrelevant ist, da § 308 Nr. 4 BGB beides gleich behandelt. Unerheblich ist auch, ob die Leistung unmittelbar geändert werden soll oder sich die Leistungsänderung mittelbar daraus ergibt, dass Sekundärrechte des Vertragspartners bei Änderungen der versprochenen Leistung ausgeschlossen sein sollen. Denn es macht im Ergebnis für den Vertragspartner keinen Unterschied, ob der Verwender zur einseitigen Änderung ermächtigt wird oder Sekundäransprüche des Vertragspartners für den Fall einer Änderung ausschließt. Dabei kann auch der Ausschluss von Sekundärrechten direkter Art sein, wie etwa Gewährleistungsausschlüsse ("keine Gewährleistung bei unbedeutenden Abweichungen in Farbe, Form oder Material") oder Ausschlüsse von Kündigungsrechten ("berechtigt nicht zur vorzeitigen Kündigung"), oder sich indirekt ergeben, so bei Irrtumsklauseln ("Bei Irrtümern ist der Verwender berechtigt, diese zu berichtigen") oder Fiktionsklauseln (z.B. "fabrikationsbedingte Abweichungen gelten nicht als Mängel"). Schließlich kommt es für den Änderungsbegriff auch nicht darauf an, ob eine vorbehaltene Änderung nur geringfügig ist, oder ob es sich um eine (vermeintliche) Verbesserung des Leistungsversprechens handelt. Beides wirkt sich auf das Äquivalenzverhältnis aus und kann dem Vertragspartner nicht zumutbar sein.
Rz. 11
Konkretisiert eine Klausel im Rahmen einer Leistungsbeschreibung eine Hauptleistungspflicht und nutzt sie dabei nur den durch dispositives Recht (§ 243 Abs. 1 BGB, § 360 HGB) gegebenen Spielraum aus, fi...