Entscheidungsstichwort (Thema)
Signatur eines elektronischen Empfangsbekenntnisses eines Rechtsanwalts durch eine Kanzleimitarbeiterin
Leitsatz (amtlich)
1. Überlässt ein Rechtsanwalt (rechtswidrig) seine persönliche Signaturkarte unter Offenlegung der persönlichen PIN seiner Mitarbeiterin, so ist zur Feststellung des Empfangswillens des Rechtsanwalts gem. § 166 BGB analog auf die Mitarbeiterin als Wissensvertreterin des Rechtsanwalts abzustellen.
2. Im Interesse des Rechtsverkehrs an der strikten Verlässlichkeit der mit einem elektronischen Empfangsbekenntnis abgegebenen Erklärung muss sich ein Postfachinhaber eine von Dritten abgegebene Erklärung so zurechnen zu lassen, als habe er sie selbst abgegeben, wenn er Dritten die Abgabe der Erklärung unter Verstoß gegen die Sicherheitsanforderungen des elektronischen Rechtsverkehrs selbst ermöglicht hat.
3. Unerheblich ist es dabei, ob der Postfachinhaber dem Dritten die Verwendung seiner Signaturkarte und seiner PIN im Innenverhältnis nur unter bestimmten Bedingungen gestattet, da es sich hierbei lediglich um Einschränkungen im Innenverhältnis handelt, die nach außen nicht bekannt geworden sind und bereits deswegen keine Wirkung im Rechtsverkehr entfalten können.
Normenkette
ZPO §§ 130a, 173, 175
Verfahrensgang
LG Bremen (Aktenzeichen 3 O 529/21) |
Tenor
1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Bremen - 3. Zivilkammer - vom 11. Mai 2022 durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen.
Die Beklagte erhält Gelegenheit, hierzu bis zum 12. Oktober 2022 schriftsätzlich Stellung zu nehmen (§ 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO).
2. Der Antrag der Beklagten auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung wird zurückgewiesen.
Gründe
I. Die Klägerin begehrt von der Beklagten Zahlung nach der Überlassung von so genannten Bündelzangen.
Im Termin vor dem Landgericht Bremen vom 08.02.2022 hat die Klägerin gegen die Beklagte ein Versäumnisurteil (BI. 61 f. d.A.) erlangt, welches dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten ausweislich des elektronischen Empfangsbekenntnisses am 02.03.2022 zugestellt worden ist. Dagegen hat die Beklagte am 17.03.2022 beim Landgericht Bremen Einspruch eingelegt (BI. 63 ff. d.A.) und auf den Hinweis des Landgerichts, der Einspruch sei verfristet und somit unzulässig, unter dem 28.03.2022 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bezüglich der versäumten Einspruchsfrist beantragt.
Die Beklagte meint, der Einspruch gegen das Versäumnisurteil vom 08.02.2022, dem Beklagtenvertreter elektronisch zugestellt am 02.03.2022, sei fristgerecht erfolgt, da der Beklagten eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren sei. Das Versäumnisurteil sei dem Büro des Beklagtenvertreters am 02.03.2022 zugestellt und durch die ansonsten stets äußerst zuverlässige Mitarbeiterin Frau X ausgedruckt und der Empfang über das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) bestätigt worden. Das Empfangsbekenntnis habe Frau X versehentlich nicht mit ausgedruckt und das Protokoll sowie das Versäumnisurteil in die Eingangspost für den nächsten Tag (03.03.2022) gelegt, ohne es - entgegen der grundsätzlichen und wiederholten Anweisung - mit dem Eingangsstempel des tatsächlichen Zustellungstages und dem Empfangsbekenntnis zu versehen und die entsprechenden Fristen zu notieren. Daraufhin sei der Posteingang am nächsten Tag von einer anderen Mitarbeiterin, Frau Y, mit dem Eingangsstempel vom 03.03.2022 versehen und ausgehend davon die Einspruchsfrist mit Ablauf 17.03.2022 notiert worden. Da ihm, dem Beklagtenvertreter, der beA-Sendebericht, das Empfangsbekenntnis oder ein sonstiger Hinweis, dass die Übersendung per beA erfolgt sei, nicht vorgelegt worden seien, habe er den Fehler nicht erkennen können und sei daher bei der Fristberechnung vom Tag des gestempelten Eingangs, dem 03.03.2022, ausgegangen. Ihn treffe daher kein Verschulden an dem Fristversäumnis.
Das Landgericht hat den Einspruch der Beklagten gegen das Versäumnisurteil als unzulässig verworfen mit der Begründung, die Einspruchsfrist sei nicht gewahrt worden. Der Einspruch gegen das am 02.03.2022 zugestellte Versäumnisurteil vom 08.02.2022 sei erst am 17.03.2022 und damit nicht innerhalb der Einspruchsfrist von zwei Wochen nach § 339 ZPO, die am 16.03.2022 endete, bei Gericht eingegangen. Auch sei der Beklagten auf ihren Antrag hin keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 233 ZPO zu gewähren, da das Fristversäumnis des Klägervertreters nicht unverschuldet sei. Auf die Entscheidungsgründe wird ergänzend verwiesen.
Mit ihrer Berufung verfolgt die Beklagte die Abweisung der Klage unter Abänderung des Urteils vom 11.05.2022 sowie Aufhebung des Versäumnisurteils vom 08.02.2022, während die Klägerin das erstinstanzliche Urteil verteidigt.
II. Der Senat ist einstimmig zu der Überzeugung gelangt, dass die Berufung offensichtlich unbegründet ist und daher keine Aussicht auf Erfolg hat (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO). Eine Entscheidung durch Urteil unter Zulassung der Re...