Verfahrensgang
LG Stade (Urteil vom 26.04.2022; Aktenzeichen 4 O 154/21) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der Einzelrichterin der 4. Zivilkammer des Landgerichts Stade vom 26.04.2022 wird auf ihre Kosten als unzulässig verworfen.
Der Streitwert der Berufung wird auf 45.890,78 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Klägerin macht Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit dem sog. "Diesel-Abgasskandal" geltend.
Die Klägerin erwarb am 04.08.2016 von einem Dritten das Wohnmobil Fiat Malibu Carthago zum Kaufpreis von 56.950,00 EUR nebst Lastenträger für zusätzlich 2.893,88 EUR. Die Typengenehmigung für Fahrzeuge dieses Typs wurde durch die italienische Zulassungsbehörde erteilt.
Nach Erhalt von Informationen seitens der ... GmbH nahm das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) Untersuchungen vor und informierte anschließend mit Schreiben vom 12.05.2016 das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) über die nach seiner Beurteilung erfolgte Ausstattung von Euro-6-Fahrzeugen der Beklagten mit unzulässigen Abschalteinrichtungen, so u.a. einer Abschaltung der Abgasrückführung nach 22 Minuten Betriebsdauer. Bei dem streitgegenständlichen Fahrzeug ist kein Steuergerät der Marke Bosch verbaut.
Das BMVI seinerseits informierte mit Schreiben vom 31.08.2016 die Europäische Kommission sowie die italienische Typgenehmigungsbehörde über die festgestellten Unregelmäßigkeiten. Die italienische Typgenehmigungsbehörde führte daraufhin eigene Untersuchungen durch, in deren Folge sie aber weder einen amtlichen Rückruf aussprach noch sonstige Maßnahmen ergriff.
Die Klägerin hat behauptet, das von ihr erworbene Wohnmobil weise unzulässige Abschalteinrichtungen i.S.v. Art. 5 Abs. 2 VO (EG) 715/2007 in seiner Motorsteuerungssoftware auf, durch das die Abgasrückführung des Fahrzeugs auf dem Prüfstand zu 100 % sichergestellt, dagegen im Realbetrieb ausgeschaltet sei. So verfüge das Fahrzeug zum einen über eine Timer-Funktion, mittels der die Abgasreinigung nach einem Zeitfenster von 22 Minuten nach dem Motorstart abschalte, was in der Folge die Stickoxidwerte um ein Vielfaches ansteigen lasse. Zum anderen sei in dem Fahrzeug ein sog. Thermofenster implementiert, das dazu führe, dass die Abgasrückführungsrate nur bei bestimmten Außentemperaturen sowie auf dem Prüfstand optimal funktioniere. Die Beklagten hätten dabei bewusst und mit Schädigungsvorsatz gehandelt.
Die Beklagten haben den Einbau unzulässiger Abschalteinrichtungen bestritten und sich auf die Wirksamkeit der von der italienischen Behörde erteilten Typengenehmigung berufen. Zudem hat die Beklagte zu 1 ihre Passivlegitimation bestritten, da sie weder die Motor- noch die Fahrzeugherstellerin sei.
Das Landgericht, auf dessen Urteil wegen der tatsächlichen Feststellungen sowie der in erster Instanz gestellten Anträge Bezug genommen wird, ist der Auffassung der Beklagten gefolgt und hat die Klage abgewiesen (Bl. 166 ff. d. A.). Für das Fahrzeug der Klägerin liege eine wirksame EG-Typengenehmigung der zuständigen italienischen Genehmigungsbehörde vor. Im zivilgerichtlichen Verfahren sei deshalb von der Rechtmäßigkeit der vorhandenen Abschalteinrichtungen auszugehen. Eine eigene und im Ergebnis abweichende Prüfung der Abschalteinrichtungen sei dem Gericht verwehrt. Die Rechtmäßigkeit einer Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) 715/2007 sei von der zuständigen Behörde im Typengenehmigungsverfahren zu prüfen. Erteile sie eine Typengenehmigung, stehe für die Zivilgerichte bindend fest, dass in dem genehmigten Fahrzeugtyp keine unzulässigen Abschalteinrichtungen zum Einsatz kämen. Denn es handele sich bei der EG-Typengenehmigung um einen Verwaltungsakt, der - solange er bestandskräftig sei - Tatbestandswirkung entfalte und den Zivilgerichten eine eigene Prüfung verwehre. Welche europäische Genehmigungsbehörde die EG-Typengenehmigung erteilt habe, sei dabei nicht von Bedeutung, weil die gemäß § 26 Abs. 1 Satz 1 EG-FGV in anderen Mitgliedsstaaten nach den Richtlinien 2007/46/EG, 2002/24/EG und 2003/37/EG erteilte EG-Typengenehmigung und Autorisierung auch im Inland gelte. Da für das streitgegenständliche Fahrzeug eine wirksame EG-Typengenehmigung der zuständigen italienischen Genehmigungsbehörde vorliege, sei für das zivilgerichtliche Verfahren von der Rechtmäßigkeit der vorhandenen Abschalteinrichtungen auszugehen. Eine eigene und im Ergebnis abweichende Prüfung der Abschalteinrichtungen sei dem Gericht verwehrt. Im Übrigen lägen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass sich die Beklagte die Typengenehmigung für das Basisfahrzeug durch Täuschung der italienischen Genehmigungsbehörde erschlichen haben könnte und deshalb mit einer Betriebsuntersagung oder einem Widerruf der Typengenehmigung zu rechnen sei.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie ihre Ansprüche weiterverfolgt, soweit diese sich gegen die Beklagte zu 2 (im Folgenden kurz: Beklagte) richten. Sie macht geltend, die Kammer habe ihr Urteil an den eigentlichen ...