Verfahrensgang
AG Hildesheim (Beschluss vom 08.08.2013; Aktenzeichen 38 F 580/12) |
Tenor
I. Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des AG - Familiengericht - Hildesheim vom 8.8.2013 geändert und der Antragsgegner unter Zurückweisung des weiter gehenden Rechtsmittels verpflichtet, an die Antragstellerin Betreuungsunterhalt zu zahlen, und zwar
1) für die Monate April 2012 bis einschließlich Dezember 2012 i.H.v. 1.971 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 29.1.2013;
2) für Januar 2013 219 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 3.1.2013;
3) von Februar 2013 bis einschließlich April 2013 monatlich 334 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz auf jeweils 334 EUR seit dem 3.2.2013, 3.3.2013 und 3.4.2013;
4) für Mai 2013 und Juni 2013 i.H.v. monatlich 330 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 3.5.2013 und 3.6.2013;
5) für Juli 2013 bis einschließlich Dezember 2013 i.H.v. monatlich 334 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 3.7.2013, 3.8.2013, 3.9.2013, 3.10.2013, 3.11.2013 und 3.12.2013;
6) ab Januar 2014 i.H.v. monatlich 291 EUR.
II. Von den Kosten des Verfahrens im ersten Rechtszug trägt die Antragstellerin 1/5 und der Antragsgegner 4/5.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen der Antragsgegner zu 9/10 und die Antragstellerin zu 1/10.
III. Die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung wird angeordnet.
Gründe
Die Beschwerde der Antragstellerin, mit der sie Betreuungsunterhalt für die Zeit ab April 2012 begehrt, ist überwiegend begründet.
Die Antragstellerin hat gegen den Antragsgegner einen Anspruch auf Zahlung von Betreuungsunterhalt gem. § 1615l BGB auch für die Zeit nach Vollendung des dritten Lebensjahres des Kindes.
Die Antragstellerin hat - entgegen der Auffassung des Familiengerichts - auf ihren Unterhaltsanspruch durch die Vereinbarung der Beteiligten vom 29. März/1.4.2010 nicht wirksam verzichtet. Zwar ist ein solcher Verzicht für die Zeit ab April 2012 vereinbart worden. Dieser Verzicht ist jedoch gem. § 1615l Abs. 3 S. 1 i.V.m. § 1614 BGB unwirksam. In § 1615l Abs. 3 S. 1 BGB wird angeordnet, dass auf den Betreuungsunterhalt die Vorschriften über den Verwandtenunterhalt entsprechend anzuwenden sind. § 1615l Abs. 3 S. 1 enthält insoweit eine Rechtsgrundverweisung (BGH FamRZ 2013, 1958). Nach § 1614 Abs. 1 BGB kann für die Zukunft auf Unterhalt nicht verzichtet werden.
Soweit der Antragsgegner unter Bezugnahme auf Stimmen in der Literatur (vgl. die Nachweise bei Wendl/Bömmelburg Unterhaltsrecht, § 7 Rz. 227) geltend macht, das Verzichtsverbot beim Betreuungsunterhalt sei verfassungswidrig, vermag sich der Senat dieser Auffassung nicht anzuschließen. Es ist zwar richtig, dass grundsätzlich auf den nachehelichen Betreuungsunterhalt gem. § 1570 BGB verzichtet werden kann und die Situation der erziehenden Elternteile vergleichbar ist, unabhängig von der Frage, ob zuvor eine Ehe bestand oder nicht. Jedoch ist zu beachten, dass Vereinbarungen zum nachehelichen Unterhalt stets der Wirksamkeits- und Inhaltskontrolle unterliegen. Da der Betreuungsunterhalt zum Kernbereich des Scheidungsfolgenrechts gehört, kann nur dann wirksam auf diesen verzichtet werden, wenn aufgrund besonderer Umstände, insbesondere Ausgleichszahlungen, die Betreuung der Kinder ohne nennenswerte Einschränkungen sichergestellt werden kann. Da im vorliegenden Fall für die Antragstellerin ein Ausgleich für den Unterhaltsverzicht nicht vorgesehen war, hätte der Vertrag zumindest einer Ausübungskontrolle nicht standgehalten, wenn die Beteiligten zuvor miteinander verheiratet gewesen wären.
Die Voraussetzungen für einen Unterhaltsanspruch nach § 1615l BGB über das dritte Lebensjahr des Kindes hinaus sind gegeben. Nach § 1615l Abs. 2 S. 1, 4 BGB schuldet der Vater eines nichtehelichen Kindes der Mutter Unterhalt, soweit diese einer Erwerbstätigkeit nicht nachgehen kann, weil ansonsten die Betreuung des Kindes nicht sichergestellt ist. Hat das Kind das dritte Lebensjahr vollendet, so wird der Unterhalt geschuldet, wenn dies der Billigkeit entspricht.
Hier kann die Antragstellerin wegen der Betreuung des Kindes nicht vollschichtig erwerbstätig sein. Sie war vor der Geburt als Bundesbeamtin vollschichtig tätig. Die regelmäßige Arbeitszeit von Bundesbeamten beträgt derzeit 41 Wochenar-beitsstunden. Mit den vorgeschriebenen Ruhezeiten (z.B. Mittagspause von 30 Minuten) und Wegzeiten beträgt die tägliche Abwesenheitszeit 9 Stunden.
Der gemeinsame Sohn der Beteiligten besucht die V. Kindertagesstätte K. H.. Dort wird K. von 8:00 bis 14:30 Uhr regelmäßig betreut. Die Antragstellerin nutzt die Möglichkeit einer Sonderöffnungszeit bis 15:00 Uhr. I. d. R. holt sie das Kind zwischen 14:30 Uhr und 15:00 Uhr ab. Da die Betreuungszeiten der Kindertagesstätte (maximal 7 Stunden) nicht mit den täglichen Arbeitszeiten bei einer vollschichtigen Beschäftigung korrespondieren, ka...