Entscheidungsstichwort (Thema)
Dynamische Festsetzung des laufenden Unterhalts im vereinfachten Unterhaltsverfahren
Leitsatz (amtlich)
Auch zugunsten der Unterhaltsvorschusskasse kann der Unterhalt minderjähriger Kinder nach § 1612a Abs. 1 S. 2 und 3 BGB in dynamischer Form tituliert werden.
Normenkette
BGB § 1612a
Verfahrensgang
AG Hannover (Beschluss vom 14.11.2008; Aktenzeichen 610 FH 8222/07) |
Tenor
1. Der Beschluss des AG - FamG - Hannover vom 14.11.2008 wird aufgehoben.
2. Der Unterhaltsfestsetzungsbeschluss des AG - FamG - Hannover vom 25.9.2008 wird teilweise geändert und wie folgt neu gefasst:
Der Unterhalt, den der Antragsgegner für sein Kind ..., geboren am ... 2005, an das Land N. zu zahlen hat, wird wie folgt festgesetzt:
ab dem 1.1.2008 auf 100 % des jeweiligen Mindestunterhalts der ersten Altersstufe nach § 1612a BGB, mindestens jedoch monatlich 279 EUR, abzgl. des jeweiligen vollen Kindergeldes für ein erstes Kind, ab dem 1.4.2011 auf 100 % des jeweiligen Mindestunterhalts der zweiten Altersstufe nach § 1612a BGB, mindestens jedoch monatlich 322 EUR, abzgl. des jeweiligen vollen Kindergeldes für ein erstes Kind, jeweils soweit künftig Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz an das Kind ... gezahlt werden, der rückständige Unterhalt für die Zeit vom 1.7.2007 bis 31.12.2007 auf 650 EUR.
Der Antragsgegner trägt die Kosten des Unterhaltsfestsetzungsverfahrens.
Der Streitwert für die Unterhaltsfestsetzung erster Instanz wird festgesetzt auf 2.150 EUR (125 EUR × 12+650 EUR).
3. Gerichtskosten für die Beschwerdeinstanz werden nicht erhoben (§ 21 GKG).
4. Der Wert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1.500 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Das antragstellende Land N. (im weiteren: der Antragsteller) wendet sich gegen eine zunächst durch die Rechtspflegerin erfolgte teilweise Zurückweisung seines Antrags auf Unterhaltsfestsetzung im vereinfachten Verfahren. Die Rechtspflegerin hat nach der Unterhaltsrechtsreform die begehrte dynamische Festsetzung des laufenden Unterhalts i.H.v. 100 % des Mindestunterhalts nach § 1612a BGB zugunsten der Unterhaltsvorschusskasse für die Zeit ab Januar 2008 als nicht mehr zulässig erachtet.
Hiergegen hat der Antragsteller zunächst ein als Erinnerung bezeichnetes und vom AG auch so behandeltes Rechtsmittel eingelegt, da er offenbar davon ausging, die sofortige Beschwerde sei ihm aufgrund der Regelung in § 646 Abs. 2 Satz 3 ZPO ausdrücklich nicht eröffnet. Gegen den die Entscheidung der Rechtspflegerin bestätigenden Beschluss der Amtsrichterin hat er sodann sofortige Beschwerde, hilfsweise Gegenvorstellung eingelegt, die vom AG dem Senat zur Entscheidung vorgelegt wurde.
II. Bereits das als Erinnerung bezeichnete Rechtsmittel ist als sofortige Beschwerde auszulegen und zu behandeln. Da sie sich gegen eine teilweise Zurückweisung des Festsetzungsantrags richtet, ist sie im Hinblick auf die neuere Rechtsprechung des BGH (BGH XII ZB 34/05 und 104/06 vom 28.5.2008) zu den Rechtsmitteln im vereinfachten Unterhaltsfestsetzungsverfahren jedenfalls dann statthaft, wenn dem Antragsgegner im umgekehrten Falle, nämlich bei antragsgemäßer Festsetzung, die Beschwerde nach § 652 Abs. 2 ZPO eröffnet wäre. Hier steht die Zulässigkeit des vereinfachten Verfahrens i.S.d. § 648 Abs. 1 Nr. 1 ZPO im Streit, somit ist der Beschwerdeweg eröffnet.
III. Die Beschwerde ist auch begründet. Eine Festsetzung i.H.v. 100 % des Mindestunterhalts der jeweiligen Altersstufe ist auch zugunsten der Unterhaltsvorschusskasse möglich.
Da es sich bei der Titulierung der Ansprüche zugunsten des Landes um die Titulierung von Ansprüchen aus übergegangenem Recht der Kinder handelt, die gem. § 7 Abs. 4 Unterhaltsvorschussgesetz (UVG) auch hinsichtlich der laufenden und künftigen Zahlungen zugunsten des Landes möglich ist, steht dem Land ebenso wie dem Kind das Wahlrecht zu, ob die Titulierung in Prozentsätzen oder Festbeträgen erfolgen soll (vgl. Wendl/Scholz 7. Aufl., § 8 Rz. 275).
Bedenken gegen eine dynamische Titulierung von 100 % des Mindestunterhalts zugunsten des Landes N. können sich auch nicht aus der Neufassung des § 2 UVG ergeben.
Zunächst ist hervorzuheben, dass § 2 UVG nur den Umfang der Unterhaltsvorschussleistung der UVGKasse für ein Kind regelt. Schon mit dem Wort "Mindestunterhalt" nimmt die Regelung auf den gesamten § 1612a BGB Bezug. Als Vorschuss für das Kind ist der durch das BGB festgelegte volle Mindestunterhalt für die jeweilige Altersstufe (abzgl. Kindergeld) zu zahlen. Soweit das AG darauf abgestellt hat, dass § 1612a Abs. 1 Satz 1 BGB nicht (ausdrücklich) in Bezug genommen ist, ist eine solche Bezugnahme für die Festlegung des Leistungsumfangs der Vorschusskasse nicht notwendig bzw. wäre sogar irreführend, da in Satz 1 dem Kind die Möglichkeit ggü. dem unterhaltspflichtigen Elternteil eröffnet wird, den Unterhalt als Prozentsatz vom Mindestunterhalt zu verlangen. Das Kind kann auf diese Weise die erhöhte oder herabgesetzte Leistungsfähigkeit des Elternteils berücksichtigen. Im Unterschied dazu stellt der s...