Entscheidungsstichwort (Thema)
Widerruf eines als Fernabsatzvertrag geschlossenen Gebrauchtwagenkaufvertrages
Leitsatz (amtlich)
1. Ein für den Fernabsatz organisiertes Vertriebssystem ist bei der systematischen Nutzung von Fahrzeugvermittlungsportalen durch einen Gebrauchtwagenhändler anzunehmen, wenn dessen personelle und sachliche Organisation grundsätzlich darauf eingestellt ist, auf elektronischem oder telefonischem Wege eingehende Kundenanfragen dergestalt zu bearbeiten, dass ein Vertragsschluss unter ausschließlicher Nutzung von Fernkommunikationsmitteln erzielt wird. Auf die Anzahl der tatsächlich auf diese Weise abgeschlossenen Verträge kommt es demgegenüber nicht an.
2. Ein Gebrauchtwagen, der von einem Autohändler aufgrund einer gewisse Fahrzeugparameter umfassenden Suchanfrage für einen Kunden angekauft wurde, ist nicht auf die persönlichen Bedürfnisse dieses Verbrauchers zugeschnitten.
Normenkette
BGB § 312c Abs. 1, § 312g Abs. 2 Nr. 1, § 355
Verfahrensgang
LG Verden (Aller) (Urteil vom 12.11.2019; Aktenzeichen 1 O 52/19) |
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das am 12.11.2019 verkündete Urteil der Einzelrichterin des Landgerichts Verden (1 O 52/19) wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.
3. Dieses und das mit der Berufung angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin, eine Autohändlerin, begehrt von dem Beklagten die Zahlung von Schadensersatz wegen der Nichtabnahme eines Gebrauchtfahrzeugs Mercedes Benz V 250 d Exclusiv Lang.
Der Vertragsschluss über das streitgegenständliche Fahrzeug wurde unter ausschließlicher Verwendung von Telekommunikationsmitteln abgeschlossen: Nach erster telefonischer Kontaktaufnahme aufgrund eines - ein anderes als das streitgegenständliche Auto betreffendes - Inserats der Klägerin auf der Plattform mobile.de erteilte der Beklagte der Klägerin mit E-Mail vom 28.03.2019 unter Angabe konkreter "Eckdaten" einen Suchauftrag für einen Gebrauchtwagen (Anlage K 1, Bl. 5 d. A.). Hierauf übersandte die Klägerin dem Beklagten mit E-Mail vom 3.04.2019 ein Angebot über ein bei einem Händler in Süddeutschland befindliches Fahrzeug zum Kaufpreis von 59.900 EUR (Anlage K 2, Bl. 6 ff d. A.). Der Beklagte schickte das unterschriebene Bestellformular an die Klägerin und erhielt eine Auftragsbestätigung. Hierauf erwarb die Klägerin das Fahrzeug und ließ es an ihren Geschäftssitz verbringen. Noch vor Übergabe des Fahrzeugs an den Beklagten erklärte Letzterer den Widerruf des Kaufvertrages (Anlage K 3, Bl. 10 d. A.).
Die Klägerin ist der Auffassung, einen Schadensersatzanspruch in Höhe von 10 % des Kaufpreises aus Ziffer IV. 2. ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen geltend machen zu können (Anlage K 2, Bl. 8 d. A.). Hierzu beruft sie sich auf die Unwirksamkeit des Widerrufs des Beklagten, welche zum einen daraus folge, dass die Klägerin kein für den Fernabsatz organisiertes Vertriebs- oder Dienstleistungssystem unterhalte, weshalb § 312 Abs. 1 HS 2 BGB greife. Zum anderen finde auch die Vorschrift des § 312 g Abs. 2 Nr. 1 BGB Anwendung, weil das streitgegenständliche Fahrzeug nach den konkreten Bedürfnissen des Beklagten ausgesucht, erst nach verbindlicher Bestellung angekauft und per Spedition angeliefert worden sei.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Der Widerruf des Beklagten sei wirksam erklärt worden; insbesondere habe die Klägerin die zur regelmäßigen Bewältigung von Geschäften im Fernabsatz notwendigen personellen, sachlichen und organisatorischen Voraussetzungen geschaffen. Zwar wickele die Klägerin über das Internetportal mobile.de nicht unmittelbar Verkäufe ab, nutze diese Plattformen jedoch, um Fahrzeuge auch unter ausschließlicher Verwendung von Fernabsatzkommunikationsmitteln zu verkaufen. Die Voraussetzungen des § 312 g Abs. 2 BGB lägen nicht vor, weil das Fahrzeug nicht auf die persönlichen Bedürfnisse des Beklagten zugeschnitten gewesen sei.
Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung. Nach einer Inaugenscheinnahme der von der Klägerin genutzten Portale sowie ggf. nach Durchführung einer Beweisaufnahme hätte das Landgericht das Vorliegen eines Fernabsatzbetriebssystems verneinen müssen. Die Klägerin, welche unstreitig 120 Mitarbeiter an mehreren Standorten beschäftigt und regelmäßig auf verschiedenen Onlineportalen bis zu 300 Anzeigen für Gebrauchtfahrzeuge schaltet, nutze die Plattformen mobile.de und AutoScout24 lediglich zur Werbung für Gebrauchtfahrzeuge, nicht jedoch für deren Vertrieb.
II. Die zulässige Berufung bleibt in der Sache ohne Erfolg.
Mit Recht ist das Landgericht in seinem überzeugend begründeten Urteil davon ausgegangen, dass ein Anspruch der Klägerin auf Zahlung von Schadensersatz aus §§ 280 Abs. 1, 433 i. V. m. Ziffer IV. 2. der klägerischen AGB aufgrund des wirksam erklärten Widerrufs des Beklagten nach §§ 355, 312 g, 312 c BGB ausscheidet. Entgegen der Auffassung der Klägerin stehen dem form- und fristgerecht erklärten Widerruf die Ausnah...