Leitsatz (amtlich)
›Aus der Tatsache, dass ein Rechtsanwalt nach teilweiser Regulierung eines Verkehrsunfallschadens durch den gegnerischen Haftpflichtversicherer diesem gegenüber erklärt, dass er die Zahlung als "abschließende Schadensregulierung" betrachte, und seine Anwaltsgebühren unter Bezugnahme auf das DAV-Abkommen abrechnet, kann nicht ohne weiteres der Schluss gezogen werden, dass er zugleich namens seines Mandanten auf die Geltendmachung weiterer Ansprüche verzichte. Die konkreten Begleitumstände des Einzelfalles können vielmehr zu dem Ergebnis führen, dass dieses Verhalten kein Angebot auf Abschluss eines Erlassvertrages darstellt.‹
Verfahrensgang
LG Verden (Aller) (Entscheidung vom 17.05.2005; Aktenzeichen 5 O 593/04) |
Gründe
I.
Die Klägerin begehrt Schmerzensgeld und die Feststellung der Einstandspflicht der Beklagten für zukünftige materielle und immaterielle Schäden nach einem Verkehrsunfall, den ein Versicherungsnehmer der Beklagten am 5. Juni 2000 in B.V. verursachte und bei dem die Klägerin Verletzungen erlitt. Die volle Einstandspflicht der Beklagten für die Folgen dieses Unfalls ist unstreitig. Mit Urteil der Einzelrichterin der 5. Zivilkammer des Landgerichts Verden vom 17. Mai 2005, auf dessen Tatbestand und Entscheidungsgründe zur näheren Sachdarstellung Bezug genommen wird, ist die Klage insgesamt abgewiesen worden. Das Landgericht hat aufgrund des zwischen den Parteien vorprozessual geführten Schriftwechsels das Zustandekommen eines Erlassvertrages angenommen, der die Klägerin hindere, weitergehende unfallbedingte Schadensersatzansprüche gegenüber der Beklagten durchzusetzen.
Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung, mit der sie ihr erstinstanzliches Klagebegehren weiterverfolgt.
Die Klägerin beantragt,
1. das angefochtene Urteil abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an sie - die Klägerin - ein in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld (mindestens 10.992,78 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 5. Januar 2005) zu zahlen,
2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr - der Klägerin - sämtliche zukünftig entstehenden materiellen und immateriellen Folgeschäden aus dem Unfallereignis vom 5. Juni 2000 zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder übergehen werden,
3. hilfsweise, den Rechtsstreit an das Landgericht zurückzuverweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil und erhebt im Übrigen die Einrede der Verjährung.
Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien im Berufungsverfahren wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Die Akten S 22 U 143/03 Sozialgericht Hannover (= L 6 U 128/05 Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen) nebst Beiakten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
II.
Die zulässige Berufung der Klägerin führt entsprechend ihrem Hilfsantrag gemäß § 538 Abs. 2 Nr. 4 ZPO zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.
1. Die seitens der Klägerin aufgrund des Verkehrsunfalls vom 5. Juni 2000 gegenüber der Beklagten geltend gemachten Schadensersatzansprüche sind nicht verjährt.
a) Zwar hat die Beklagte erstmals in der Berufungserwiderung (Bl. 131 unten) die Einrede der Verjährung erhoben, obwohl dies ohne weiteres bereits in erster Instanz möglich gewesen wäre. Die Einrede stützt sich jedoch auf Tatsachen, über die kein Beweis zu erheben ist, und ist deshalb trotz ihrer erstmaligen Geltendmachung im Berufungsverfahren nach der inzwischen gefestigten Rechtsprechung des Senats zu berücksichtigen.
Die dreijährige Verjährungsfrist des § 852 Abs. 1 BGB a. F. war hier zunächst gemäß Abs. 2 dieser Vorschrift gehemmt, solange die Parteien über den seitens der Beklagten zu leistenden Schadensersatz verhandelten. Diese Verhandlungen endeten mit dem Anwaltsschreiben der Klägerin vom 27. November 2001 (Bl. 10), in dem diese der Beklagten mitteilte, dass sie deren letzte Zahlung als "abschließende Schadensregulierung" betrachte. Geht man mit dem Vortrag der Beklagten davon aus, dass dieses Schreiben bei ihr am 28. November 2001 eingegangen ist - die Klägerin bestreitet dies (Bl. 145) , so endete die dreijährige Verjährungsfrist des § 852 Abs. 1 BGB a. F. (frühestens) am 28. November 2004. Die Klage ist jedoch erst per Telefax am 22. Dezember 2004 beim Landgericht Verden eingegangen (Bl. 1).
b) Hier ist die Verjährung in der Zeit vom 26. April 2004 bis zum 21. Mai 2004 allerdings nochmals gemäß § 852 Abs. 2 BGB a. F. gehemmt gewesen, weil die Parteien erneut über den Schadensersatzanspruch der Klägerin aufgrund des Verkehrsunfalls vom 5. Juni 2000 verhandelt haben.
Mit Schreiben ihres nunmehrigen Prozessbevollmächtigten vom 26. April 2004 (Bl. 135) hat sich die Klägerin vorprozessual nochmals an die Beklagte gewandt. Deren Antwort vom 29. April 2004 (Bl. 137) reicht aus, um Verhandlungen zwische...