Leitsatz (amtlich)
1. Ist die Zustellung einer Unterlassungsverfügung im Parteibetrieb im Anwendungsbereich der EuZustVO nicht möglich (hier: Zustellung in I...), genügt es zur fristgerechten Vollziehung, wenn der Gläubiger innerhalb der Vollziehungsfrist den Antrag auf Auslandszustellung beim Gericht einreicht und sodann die Zustellung ohne eine von ihm zu vertretende Verzögerung bewirkt wird. Insbesondere ist es nicht erforderlich, die Verfügung zusätzlich im Parteibetrieb an einen Prozessbevollmächtigten des Antragsgegners zuzustellen, der sich erst nach Beginn der Zustellung legitimiert.
2. Im Anwendungsbereich der EuZustVO lässt die fehlende Belehrung über das Annahmeverweigerungsrecht die Wirksamkeit der Zustellung unberührt, wenn der Schuldner nicht berechtigt gewesen wäre, die Annahme zu verweigern, weil er der deutschen Sprache hinreichend mächtig ist.
3. Die Klausel in der AGB des Anbieters eines sozialen Netzwerks "wir sind berechtigt, diese Bedingungen ggf. von Zeit zu Zeit zu überarbeiten", ist unwirksam.
Verfahrensgang
LG Dresden (Aktenzeichen 1a O 1056/19 EV) |
Tenor
1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Beklagten ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückzuweisen.
2. Die Beklagte hat Gelegenheit, innerhalb von drei Wochen Stellung zu nehmen. Sie sollte allerdings auch die Rücknahme der Berufung in Erwägung ziehen.
Gründe
Der Senat beabsichtigt, die zulässige Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO ohne mündliche Verhandlung durch - einstimmig gefassten - Beschluss zurückzuweisen. Die zulässige Berufung der Beklagten bietet in der Sache offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat auch weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil. Auch andere Gründe gebieten eine mündliche Verhandlung nicht.
Das Landgericht hat in dem angefochtenen Urteil die am 21.6.2019 erlassene einstweilige Verfügung zu Recht aufrechterhalten. Die hiergegen mit der Berufung vorgebrachten Einwände, greifen nicht durch. Die Vollziehungsfrist gemäß §§ 929 Abs. 2, 935 ff. ZPO ist gewahrt (1.). Der Kläger hat überdies auch einen Verfügungsanspruch hinreichend glaubhaft gemacht (2.).
1. Der fehlende Vollzug der einstweiligen Verfügung kann grundsätzlich im Berufungsverfahren geltend gemacht werden. Auch wenn es sich bei dem Einwand, die Vollziehungsfrist des § 929 Abs. 2 ZPO sei versäumt, um einen solchen handelt, der grundsätzlich im Wege eines Antrages nach §§ 936, 927 Abs. 1 ZPO geltend zu machen ist, weil damit die Rechtmäßigkeit der Fortdauer der einstweiligen Verfügung, nicht aber die Rechtmäßigkeit ihrer Anordnung in Frage gestellt wird, ist allgemein anerkannt, dass dieser Einwand auch mit der Berufung als dem weitergehenden Rechtsbehelf geltend gemacht werden kann (Brandenburgisches Oberlandesgericht, Urteil vom 27. Mai 2013 - 1 U 23/12 -, Rn. 26, juris; Zöller-Vollkommer, aaO. § 927 Rn. 21 m.w.N.).
Gemäß § 936 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 929 Abs. 2 ZPO muss eine einstweilige Verfügung innerhalb eines Monats vollzogen werden, wobei die Vollziehungsfrist mit der Zustellung von Amts wegen an den Gläubiger beginnt. Vorliegend ist die einstweilige Verfügung vom 21.6.2019 dem Verfügungskläger am 26.6.2019 zugestellt worden. Anders als die Verfügungsbeklagte meint, hat der Kläger innerhalb der ab diesem Zeitpunkt laufenden Frist die einstweilige Verfügung vollzogen.
Bei einer Unterlassungsverfügung besteht die Besonderheit, dass deren Vollziehung, also ihre nicht auf Befriedigung, sondern nur auf Sicherung des Gläubigers gerichtete Vollstreckung, an sich überhaupt nicht oder zumindest so lange unmöglich ist, als der Schuldner ihr nicht zuwiderhandelt. Auch für eine ein Verbot oder Gebot aussprechende einstweilige Verfügung gilt gleichwohl der sich aus § 929 Abs. 2 ZPO ergebende Grundsatz, dass sich ein Gläubiger, der in einem nur vorläufigen Eilverfahren einen Titel erwirkt hat, rasch entscheiden muss, ob er von diesem Titel Gebrauch machen will oder nicht (vgl. OLG Karlsruhe, Urt. v. 22.01.2014 - 6 U 118/13, juris - Rn. 19 m.w.N.). Die Kundgabe des Willens, von dem erstrittenen Titel Gebrauch zu machen, muss notwendigerweise vom Gläubiger ausgehen und dem Schuldner gegenüber erfolgen. Die Zustellung der Entscheidung von Amts wegen reicht daher für eine Vollziehung der einstweiligen Verfügung grundsätzlich nicht aus (Senat, Urteil vom 07. Februar 2017 - 4 U 1419/16 -, Rn. 3, juris). Eine durch Beschluss erlassene einstweilige Verfügung ist vielmehr dem Antragsgegner regelmäßig im Parteibetrieb zuzustellen, weitere Vollstreckungshandlungen sind dann während der Vollziehungsfrist regelmäßig nicht geboten.
Diese Grundsätze sind jedoch im Anwendungsbereich der EuZustVO zu modifizieren, weil dort eine Parteizustellung nur unter den Voraussetzungen des Art. 15 EuZustVO in Betracht kommt. Dies setzt voraus, dass die Parteizustellung nach dem Recht des Empfangsmitgliedsstaates überhaupt zulässig is...