Entscheidungsstichwort (Thema)
Erwerb eines Gebrauchtwagens mit einem Dieselmotor der Baureihe EA 288: Schadensersatz bei Behauptung einer unzulässigen Abschalteinrichtung
Leitsatz (amtlich)
1. Unbeachtlich ist der auf Vermutungen gestützte Sachvortrag einer Partei dann, wenn die unter Beweis gestellten Tatsachen so ungenau bezeichnet sind, dass ihre Erheblichkeit nicht beurteilt werden kann, oder wenn sie zwar in das Gewand einer bestimmt aufgestellten Behauptung gekleidet, aber aufs Geratewohl, gleichsam ins Blaue hinein aufgestellt oder aus der Luft gegriffen sind und sich deshalb als Rechtsmissbrauch darstellen (BGH, 16. September 2021, VII ZR 190/20). (Rn. 20)
2. Allein der Einbau einer der Prüfzykluserkennung (Fahrkurve) ist nicht per se unzulässig. Das Kraftfahrtbundesamt hat speziell dazu in zahlreichen amtlichen Auskünften mitgeteilt, dass die Fahrkurvenerkennung beim Motor EA 288 auf dem Prüfstand und im Straßenbetrieb gleichermaßen funktioniere und als solche keinen wesentlichen Einfluss auf die Schadstoffemissionen habe, mithin nicht grenzwertkausal sei. Unabhängig davon, dass bereits Bedenken bestehen, ob in einem solchen Fall eine unzulässige Abschalteinrichtung vorliegt fehlt es jedenfalls an der für einen Anspruch nach §§ 826, 31 BGB erforderlichen Sittenwidrigkeit. (Rn. 27)
3. Ein Thermofenster stellt schon tatbestandlich keine Abschalteinrichtung i.S. von Art. 3 Nr. 10 VO (EG) 715/2007 dar (und erst recht keine unzulässige gemäß Art. 5 Abs. 2 VO [EG] 715/2007), wenn es praktisch alle Temperaturzonen umfasst, in denen eine Nutzung des Fahrzeugs normalerweise stattfindet (OLG Dresden, 5. März 2021, 9a U 410/20).(Rn. 31)
Normenkette
BGB §§ 31, 823 Abs. 2, § 826; EGV 715/2007 Art. 3 Nr. 10, Art. 5 Abs. 2
Tenor
1. Die Parteien werden darauf hingewiesen, dass der Senat beabsichtigt, die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen und den Streitwert auf 13.957,52 EUR festzusetzen.
2. Die Parteien können dazu binnen zwei Wochen Stellung nehmen. Der Berufungskläger sollte aus Kostengründen in Erwägung ziehen, die Berufung zurückzunehmen.
Gründe
Der Senat beabsichtigt, die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil sie offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat und auch die weiteren Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 ZPO vorliegen, so dass das Verfahren nicht auszusetzen ist. Die Einschätzung beruht auf folgenden Erwägungen:
I. Der Senat geht von folgendem Sachverhalt aus:
Die Kläger verlangt von der Beklagten Schadensersatz wegen angeblicher Abgasmanipulationen an seinem Kraftfahrzeug.
Der Kläger erwarb mit Kaufvertrag vom 02.07.2018 einen Gebrauchtwagen Skoda Octavia Combi RS, (Baujahr 2014) mit der Fahrzeugidentifizierungsnummer (FIN) ... und einem Kilometerstand von 141.500 km bei Übergabe zu einem Kaufpreis i.H.v. 18.895,00 EUR brutto. In dem Fahrzeug ist ein Dieselmotor der Baureihe EA 288 Euro-Norm 5 verbaut. Die Software enthält eine sog. Fahrkurvenerkennung. In der Motorsteuerungssoftware ist auch ein sog. "Thermofenster" implementiert. Für das Fahrzeug gibt es keinen amtlichen Rückrufbescheid des Kraftfahrtbundesamts (KBA).
Durch Urteil vom 26.05.2021, auf das hiermit wegen des erstinstanzlichen Parteivortrags und der erstinstanzlich gestellten Anträge Bezug genommen wird, hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Gegen das ihm am 07.06.2021 zugestellte Urteil hat der Kläger am 30.06.2021 Berufung eingelegt und diese am 29.07.2021 begründet.
Zur Begründung seiner Entscheidung hat das Landgericht im Wesentlichen ausgeführt, dass ein Schadensersatzanspruch des Klägers gemäß § 826 BGB nicht bestehe, da zur Überzeugung des Gerichts kein sittenwidriges Verhalten der Beklagten in Bezug auf den unstreitig eingebauten Motor EA 288 festgestellt werden könne. Auch kämen andere Anspruchsgrundlagen nicht in Betracht.
Mit der Berufung verfolgt der Kläger sein erstinstanzliches Begehren im Ergebnis weiter. Entgegen der Auffassung des Landgerichts sei sein Vortrag hinreichend substantiiert. Die Beklagte treffe eine sekundäre Darlegungslast. Es liege eine unzulässige Abschalteinrichtung in Form einer Prüfzykluserkennung und eines Thermofensters vor. Eine sittenwidrige vorsätzliche Schädigung durch die Beklagte sei mithin anzunehmen. Ebenso kämen Ansprüche aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB und aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 6 Abs. 1 S.1, 27 Abs. 1 EG-FGV in Betracht.
Der Kläger beantragt,
unter Abänderung des Urteils der 1. Zivilkammer des Landgerichts Görlitz
1. die Beklagte zu verurteilen, Zug um Zug gegen Übereignung des Fahrzeugs Marke: Skoda, Typ: Octavia mit der Fahrzeug-Identifizierungs-Nummer ..., an ihn einen Betrag in Höhe von 18.895,00 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit, unter Anrechnung einer in das Ermessen des Gerichts zu stellenden Nutzungsentschädigung für die Nutzung des Fahrzeugs zu erstatten, die sich aus folgender Formel ergibt: Kaufpreis × (aktueller Kilometerstand - Kilometerstand bei Erwerb) / (geschätzte Ge...