Leitsatz (amtlich)
1. Im Auslieferungsverkehr mit den Vereinigten Staaten von Amerika zum Zwecke der Strafverfolgung ist es unschädlich, wenn der dem Auslieferungsersuchen zugrundeliegende US-amerikanische Haftbefehl entgegen Art. 14 Abs. 3 Buchst. a US-AuslV nicht von einem Richter, sondern von einem Urkundsbeamten unterzeichnet ist. Die Bundesrepublik Deutschland ist nicht gehindert, ihr innerstaatliches Auslieferungsrecht (§ 10 IRG) dann anzuwenden, wenn und soweit es zu Gunsten des ausländischen Verfahrens über den Vertrag hinausgeht.
2. Es steht der Auslieferung nicht entgegen, dass dem Auslieferungsersuchen keine Beweismittel gemäß Art. 14 Abs. 3 Buchst. a US-AuslV beigefügt sind.
3. Die in den Vereinigten Staaten von Amerika drohende Verhängung einer lebenslangen Freiheitsstrafe ohne die Möglichkeit einer Strafaussetzung zur Bewährung verstößt nicht gegen unabdingbare Grundsätze der deutschen verfassungsrechtlichen Ordnung, wenn für den Verfolgten die Möglichkeit eines Gnadengesuches besteht. Das Oberlandgericht ist im Rahmen der Entscheidung über die Zulässigkeit der Auslieferung nicht verpflichtet, die nähere Ausgestaltung des zur Anwendung kommenden Gnadenrechts aufzuklären.
4. Die Haftbedingungen in den Vereinigten Staaten von Amerika bieten keine begründeten Anhaltspunkte für die Gefahr einer menschenrechtswidrigen Behandlung des Verfolgten.
5. Die Auslieferung eines Verfolgten wegen des Vorwurfs der Begehung erheblicher Straftaten mit schwersten Rechtsgutverletzungen verstößt weder gegen Art. 6 GG noch Art. 8 EMRK.
Tenor
1. Die Auslieferung des Verfolgten an die Vereinigten Staaten von Amerika zur Verfolgung der im Haftbefehl des Bundesbezirksgerichts der Vereinigten Staaten von Amerika - Mittlerer Bezirk von Florida/Abteilung Tampa - (Fall-Nr. 8:08/cr-2040-T-17TBM) vom 11. Februar 2009 und der zugrundeliegenden Anklage der Grand Jury (eingereicht am 10. Februar 2009) bezeichneten Taten wird für zulässig erklärt.
2. Die Fortdauer der Auslieferungshaft wird angeordnet.
Gründe
I. Der Senat hatte gegen den am 13. Oktober 2010 vorläufig festgenommenen Verfolgten am 21. Oktober 2010 die vorläufige Auslieferungshaft und am 08. November 2010 die Auslieferungshaft angeordnet.
Das US-Justizministerium hatte mit Ersuchen vom 20. August 2010 über die US-amerikanische Botschaft mit Verbalnote vom 30. August 2010 die Auslieferung des Verfolgten begehrt.
Das Auslieferungsersuchen stützt sich auf den in der Beschlussformel genannten Haftbefehl sowie die darin bezeichnete Anklage.
Dem Verfolgten wird vorgeworfen, am 13. September 1998 in Tampa/Florida als Mitglied der Organisation "Blood and Honour" gemeinsam mit drei Mittätern die Obdachlosen und durch Schläge mit einem Wagenheber, einer Axt und einer Brechstange getötet zu haben. Die Organisation "Blood and Honour" vertritt die Ideologie einer Überlegenheit der weißen Rasse und bereitete sich zum damaligen Zeitpunkt auf einen Rassenkrieg vor. Obdachlose wurden dabei als minderwertige Menschenklasse angesehen. Um ihren Status innerhalb der Organisation zu bewahren und anzuheben, nahmen der Verfolgte und seine Mittäter an einem so genannten "bum rolling" teil. Das "bum rolling" ("Aufmischen von Pennern") beschreibt das gezielte Auswählen obdachloser Personen, um gegen diese Gewalttaten zu begehen.
Die amerikanischen Strafverfolgungsbehörden werten diese Handlungen als Verstöße gegen Titel 18 United States Code (USC), § 1959 (a) (1) (Gewaltverbrechen zur Unterstützung von organisierter Kriminalität) und Titel 18 USC, § 2 (Beihilfe) sowie als Verstoß gegen § 782.04 (2) (Mord) i.V.m. § 777.011 (Haupttäter ersten Grades) der Gesetze Floridas.
Bei seiner Anhörung am 13. Oktober 2010 vor dem Ermittlungsrichter des Amtsgerichts Pirna hat sich der Verfolgte mit seiner vereinfachten Auslieferung nicht einverstanden erklärt.
Die Generalstaatsanwaltschaft Dresden hat beantragt, die Auslieferung für zulässig zu erklären. Der Verfolgte hatte über seinen Beistand Gelegenheit zur Stellungnahme.
Mit Schriftsatz vom 03. Januar 2011 hat der Verfolgte über seinen Beistand umfangreich Stellung genommen und beantragt, die Auslieferung für nicht zulässig zu erklären sowie den Auslieferungshaftbefehl aufzuheben oder hilfsweise unter geeigneten Auflagen außer Vollzug zu setzen.
Der Verfolgte meint, die notwendigen Formalitäten des Auslieferungsersuchens seien nicht eingehalten. Die Auslieferung erweise sich auch als unzulässig, weil sie wesentlichen Grundsätzen der deutschen Rechtsordnung widersprechen würde. Der Verfolgte habe keine Chance auf praktische Wiedererlangung seiner Freiheit. Die hierzu von den US-amerikanischen Behörden abgegebene Erklärung sei nicht ausreichend. Ein Verstoß gegen die Grundsätze der deutschen Rechtsordnung resultiere auch aus den bei einer Auslieferung zu erwartenden US-amerikanischen Haftbedingungen. Schließlich sei eine Auslieferung mit Art. 6 GG und Art. 8 EMRK unvereinbar.
II. Die Auslieferung des Verfolgten an die Vereinigten Staaten von Amerika zur Verfolgung der ...