Leitsatz (amtlich)
1. Dass ein anderer Spruchkörper innerhalb eines zuständigen Gerichts nach dessen Geschäftsverteilungsplan hätte entscheiden müssen, kann mit der Berufung grundsätzlich nicht mehr gerügt werden. Fehler bei der Anwendung des Geschäftsverteilungsplanes greifen nur dann in das Prozessgrundrecht auf den gesetzlichen Richter ein, wenn sie auf Willkür beruhen, d.h. eine Zuständigkeitsentscheidung objektiv nicht mehr verständlich und offensichtlich unhaltbar ist. Ein Verstoß gegen das Gebot des gesetzlichen Richters ist hiernach nicht anzunehmen, wenn eine Entscheidung zur Zuständigkeit zumindest vertretbar erscheint oder dem betreffenden Gericht ein "schlichter Verfahrensirrtum" unterlaufen ist.
2. Auch juristische Personen des Privatrechts genießen Ehrenschutz und können sich auf den Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechtes berufen, soweit ihr sozialer Geltungsanspruch in ihrem Aufgabenkreis betroffen ist.
Verfahrensgang
LG Leipzig (Aktenzeichen 09 O 2588/20) |
Tenor
1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Beklagten ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückzuweisen.
2. Der Beklagte hat Gelegenheit, innerhalb von zwei Wochen Stellung zu nehmen. Er sollte allerdings auch die Rücknahme der Berufung in Erwägung ziehen.
3. Der Senat beabsichtigt, den Gegenstandswert des Berufungsverfahrens auf 20.000,00 EUR festzusetzen.
4. Der Termin zur mündlichen Verhandlung vom 03.05.2022 wird aufgehoben.
Gründe
I. Der Kläger ist der Spitzenverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften und der Unfallversicherungsträger der öffentlichen Hand. Zu seinen Aufgaben gehören u. a. die Unterrichtung ihrer Mitglieder und der Öffentlichkeit über Fragen des Arbeitsschutzes. Der Beklagte ist Rechtsanwalt und hat sich am 07.11.2020 in einem TV-Interview bei einer Querdenkerdemonstration gegen die Corona Maßnahmen u. a. wie folgt geäußert:
"...So, und diese Masken, haben einen erhöhten Atemwiderstand. Und wenn es einen Atemwiderstand gibt, gibt es zwingend Tragevorschriften. D. h., eine Maske, keine Maske, egal wie leicht die Durchatmung ist, in Deutschland darf länger als zwei Stunden getragen werden. Nach zwei Stunden muss sie zwingend abgenommen werden und es muss mindestens eine halbe Stunde Pause gemacht werden. Die Deutsche Unfallversicherung hat lange herumgeeiert, und jetzt hat die Deutsche Unfallversicherung ein Schreiben veröffentlicht, indem sie genau das bestätigt, was wir sagen, und die Deutsche Unfallversicherung empfiehlt, bei den Community-Masken wenigstens nach zwei Stunden die Masken abzunehmen und ne halbe Stunde, ne halbe Stunde durchzuatmen... D. h. also, es wird seit Wochen gegen Arbeitsschutzvorschriften verstoßen und die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung hat das jetzt bestätigt, sie hat ein Schreiben herausgebracht, das ist ganz schnell zusammengezimmert, was - ich zeig das mal hier, wir hatten letzte Woche dieses, em, diese Studie nach außen gebracht -, was genau das bestätigt, was in der Studie steht, nämlich dass die Masken, also man muss das sagen, du kannst es technisch noch genauer sagen, die Community-Masken sind teilweise, die haben Messungen gemacht, auch von der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, sind teilweise in Atemwiderstand schärfer und härter als FFP3-Masken. D. h. also, es müsste zwingend eine ärztliche Untersuchung, also juristisch bedeutet das, dass wenn man eine Mund- und Nasenbedeckung trägt, der Arbeitgeber oder der Schulleiter oder Lehrer, jedem Schüler mindestens eine ärztliche Untersuchung anbieten muss, und ohne ärztliche Untersuchung darf eine solche Maske nicht getragen werden. Und wie gesagt, die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung die bestätigt das jetzt, und das bedeutet, ab Montag, jeder Schulleiter, weil es von der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung kommt, jeder Lehrer, jeder Arbeitgeber haftet, wenn etwas passiert mit der Maske, haftet der persönlich. D. h., ja, weil die gesetzliche Unfallversicherung das jetzt ja klar gemacht hat, und damit haben wir eine Durchgriffshaftung an denjenigen, der das anweist, als Betriebsleiter oder als Lehrer usw. Das ist der Punkt. Bisher haben nur wir, wir Clowns, ne, die Schwurbler, die Verschwörungstheoretiker das gesagt, da war das denen relativ egal, aber jetzt hat es die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung bestätigt, und damit haben wir einen Haftungstatbestand. ..."
Der Kläger mahnte den Beklagten mit anwaltlichem Schreiben vom 11.11.2020 mit Fristsetzung bis 12.11.2020 ab und beantragte noch am 12.11.2020 den Erlass einer einstweiligen Verfügung. Der Einzelrichter der 9. Zivilkammer erließ die einstweilige Verfügung am 13.11.2020 antragsgemäß ohne Anhörung des Beklagten wie folgt:
Dem Antragsgegner wird es im Wege der einstweiligen Verfügung, unter Androhung eines Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, untersagt, zu behaupten oder zu verbreiten, oder behaupten oder verbreiten zu lassen:
a) keine Maske, unabhängig vom Atemwiders...