Leitsatz (amtlich)
1. Die bloße Bereitschaft des Versicherers zu einem Schlichtungsverfahren bei gleichzeitiger Leistungsablehnung stellt noch kein Verhandeln über den Anspruch dar.
2. Eine nachlässige Prozessführung, die zum Ausschluss tatsächlichen Vorbringens in der Berufungsinstanz führt, liegt bereits bei einfacher Fahrlässigkeit unter Verstoß gegen die Prozessförderungspflicht vor.
3. Ein einseitig erklärter Verzicht auf die Verjährungseinrede kann für die Zukunft widerrufen werden.
Verfahrensgang
LG Leipzig (Aktenzeichen 08 O 1482/21) |
Tenor
1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückzuweisen.
2. Der Kläger hat Gelegenheit, innerhalb von zwei Wochen Stellung zu nehmen. Er sollte allerdings auch die Rücknahme der Berufung in Erwägung ziehen.
3. Der auf Dienstag, 16.05.2023, 15.00 Uhr bestimmte Termin zur mündlichen Verhandlung wird aufgehoben.
4. Es ist beabsichtigt, den Streitwert für die Berufungsinstanz auf 175.150,00 EUR festzusetzen.
Gründe
I. Der Kläger verlangt von den Beklagten als Gesamtschuldner die Zahlung von Schmerzensgeld, Ersatz materieller Schäden und die Feststellung der Einstandspflicht für künftige Schäden wegen einer behaupteten Fehlbehandlung sowohl durch den Beklagten zu 1) als auch nachfolgend durch das Personal der Beklagten zu 2) nach einer Schmerzbehandlung seines unteren Rückens und in diesem Zusammenhang aufgetretener Abszesse.
Wegen des Behandlungsverlaufs wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.
Nachdem dem Kläger Ende des Jahres 2003 im Zuge seiner Einsicht in die Behandlungsunterlagen bei der Beklagten zu 2) nahegelegt worden war, sich anwaltlich wegen der Behandlung durch den Beklagten zu 1) beraten zu lassen, meldete sein damaliger, inzwischen verstorbener Rechtsanwalt Rieder mit Schreiben vom Dezember 2005 gegenüber beiden Beklagten Ansprüche an. Ende des Jahres 2006 trat Rechtsanwalt Rieder an die Beklagte zu 2) mit der Bitte um Erklärung des Verjährungseinredeverzichts heran, welcher mit Schreiben vom 22.12.2006 durch die Beklagte zu 2) erklärt wurde (Anlage B5). Die Verzichtserklärung enthielt keine ausdrückliche Befristung.
Mit der Haftpflichtversicherung des Beklagten zu 1) korrespondierte Herr Rechtsanwalt Rieder sodann im Jahre 2007.
Im Jahre 2015 erfolgte erstmals eine weitere Korrespondenz mit der Haftpflichtversicherung der Beklagten zu 2). Ende des Jahres 2016 wurde der Versuch eines Schlichtungsverfahrens bei der Landesärztekammer unternommen, er scheiterte an der fehlenden Bereitschaft der Versicherung der Beklagten zu 2).
Der Kläger hat gegenüber dem Beklagten zu 1) den Vorwurf einer unzureichenden Hautdesinfektion erhoben mit der Folge eines erlittenen Spritzenabszesses. Gegenüber der Beklagten zu 2) hat er die Ordnungsgemäßheit der am 23.09.2002 durchgeführten Operation unter dem Gesichtspunkt unzureichender Stabilisierung der Lendenwirbelsäule gerügt und ganz allgemein die Ordnungsgemäßheit der Nachbehandlung in Frage gestellt. In der Folge sei der Kläger in der Beweglichkeit seines Rückens dauerhaft eingeschränkt und leide ebenfalls dauerhaft an erheblichen Schmerzen.
Erstinstanzlich haben sowohl der Beklagte zu 1) als auch die Beklagte zu 2) die Einrede der Verjährung erhoben und Behandlungsfehlervorwürfe bestritten. Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens zur Verjährung wird ebenfalls auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.
Der Kläger hat in erster Instanz zunächst am 13.05.2022 ein Versäumnisurteil gegen sich ergehen lassen. In der Einspruchsbegründung erbat der Kläger eine Fristverlängerung bis zum 02.09.2022 um ergänzend zur Frage der Verjährung vorzutragen (Bl. 73 d. A. I. Instanz). Unter Zurückweisung des Gesuchs im Übrigen verlängerte das Landgericht die Frist hierfür mit Beschluss vom 23.08.2022 bis zum 25.08.2022 (Bl. 79 d. A. I. Instanz). Weiterer Vortrag hierzu erfolgte bis zur mündlichen Verhandlung vom 23.09.2022 durch den Kläger nicht. Das Landgericht hat durch Endurteil vom selben Tage das Versäumnisurteil aufrechterhalten und die Klage abgewiesen. Wegen der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen.
Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger sein erstinstanzliches Klageziel uneingeschränkt weiter. Er meint, das Landgericht habe in Bezug auf die Beklagte zu 2) nicht berücksichtigt, dass deren Einredeverzicht vom 22.12.2006 unbefristet und auch sonst uneingeschränkt erklärt worden sei. Dadurch habe sie auf die Verjährungseinrede dauerhaft verzichtet. Auch habe das Landgericht nicht gewürdigt, dass die Versicherung des Beklagten zu 1) mit E-Mail vom 28.12.2006 zunächst bis Ende 2007 ebenfalls auf die Einrede der Verjährung verzichtet habe. Der Verjährungsverzicht sei in der Folgezeit regelmäßig erneuert worden. Der Kläger kündigt hierfür zum Beweis Vorlage der Urkunden im Original im Termin an.
Zum Vorwurf der Behandlungsfehler verweist er auf seinen Vortrag in erster Instanz.
Er beantragt,
1. Das am 23.09.202...