Leitsatz (amtlich)
Ehrkränkende Äußerungen sind grundsätzlich auch dann als privilegiert anzusehen mit der Folge, dass für eine hiergegen gerichtete Ehrschutzklage das Rechtsschutzinteresse fehlt, wenn sich die Äußerung gegen die Partei richtet, die formell am Ausgangsverfahren nicht beteiligt ist. Bei der Annahme einer Ausnahme von diesem Grundsatz wegen einer auf der Hand liegenden Unhaltbarkeit ist im Interesse der Äußerungsfreiheit Zurückhaltung geboten.
Verfahrensgang
LG Chemnitz (Aktenzeichen 4 O 741/22 (2)) |
Tenor
1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückzuweisen.
2. Der Kläger hat Gelegenheit, innerhalb von zwei Wochen Stellung zu nehmen. Er sollte allerdings auch die Rücknahme der Berufung in Erwägung ziehen.
3. Der Verhandlungstermin vom 8.10.2024 wird aufgehoben.
4. Es ist beabsichtigt, den Streitwert für das Berufungsverfahren auf 10.000,- EUR festzusetzen.
Gründe
Der Senat beabsichtigt, die zulässige Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO ohne mündliche Verhandlung durch - einstimmig gefassten - Beschluss zurückzuweisen. Die zulässige Berufung des Klägers bietet in der Sache offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat auch weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil. Auch andere Gründe gebieten eine mündliche Verhandlung nicht.
I. Der Kläger, seinerseits Rechtsanwalt, nimmt die Beklagten auf Unterlassung einer Äußerung in einem Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten im Verfahren 4 C 104/19, Amtsgericht Marienberg in Anspruch. In diesem Verfahren, das von seiner Mutter gegen die Beklagten geführt wurde, war der Kläger als Zeuge benannt, ist dort jedoch nicht vernommen worden. Mit Schriftsatz vom 30.03.2022 führte der Prozessbevollmächtigte der Beklagten im Ausgangsverfahren u.a. aus:
"Der Unterzeichner hat in einem Parallelverfahren vor dem AG Marienberg, Az. 3 C 468/21 nunmehr erstmals erfahren, dass der Zeuge S. B. zusammen mit der Klägerin Eigentümer des strittigen Grundstücks in Form einer Erbengemeinschaft - seit 2014 ! ist. ... Dies haben die Klägerin und insbesondere der Zeuge und Rechtsanwalt B. bislang wohlweislich verschwiegen.".
Das Landgericht hat die Klage nach kammerinterner Übernahme durch den Einzelrichter R.-W. unter Hinweis auf die fehlende Passivlegitimation der Beklagten für eine Äußerung ihres Rechtsanwalts abgewiesen. Hiergegen wendet sich die Berufung, mit der der Kläger eine Verletzung von Vorschriften über die Geschäftsverteilung und das Rechts auf den gesetzlichen Richter rügt und behauptet, die Beklagen hätten im Ausgangsverfahren den Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten gekannt und gebilligt. Gestützt hierauf vertritt er die Auffassung, für die streitgegenständliche Äußerung seien diese als zumindest mittelbare Störer passivlegitimiert, die Äußerung sei insbesondere für ihn als Rechtsanwalt ehrenrührig.
II. Dieses Vorbringen kann der Berufung jedoch nicht zum Erfolg verhelfen.
1. Dabei kommt es auf die behauptete Verletzung von Vorschriften über die Geschäftsverteilung und die darauf gestützte Rüge einer Verletzung des gesetzlichen Richters nicht an, für die allerdings derzeit auch nichts spricht.
a. Nach § 513 Abs. 2 ZPO kann eine Berufung nicht darauf gestützt werden, dass das Gericht des ersten Rechtszuges seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen hat. Diese Norm ist entsprechend auf die Zuständigkeit des Spruchkörpers innerhalb eines Gerichtes nach dessen Geschäftsverteilungsplanes anzuwenden (Senat, Beschluss vom 1. August 2022 - 4 U 2567/21 -, juris), gleiches gilt für die kammerinterne Zuständigkeit des Einzelrichters. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. nur Beschluss vom 18.02.2020 - 1 BvR 1750/19 Rn. 11, juris) liegt nämlich nicht in jeder irrtümlichen Überschreitung der Zuständigkeitsregelungen ein Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 GG; durch einen schlichten error in procedendo wird niemand seinem gesetzlichen Richter entzogen. Anders ist dies erst dann, wenn der entscheidende Richter die Bedeutung und Tragweite des Art. 101 Abs. 1 GG grundlegend verkannt und maßgebliche Verfahrensnormen in objektiv willkürlicher Weise fehlerhaft angewandt hat.
b. Nach Einsicht in die erstinstanzliche Verfahrensakte spricht vorliegend indes einiges dafür, dass die Übernahme des Verfahrens durch RiLG R.-W. auf dessen Vorbefasstheit durch das Verfahren 4 O 406/21 und damit auf einer geschäftsverteilungsplanmäßigen Regelung beruhte. Es ist anzunehmen, dass der kammerinterne Geschäftsverteilungsplan der 4. Zivilkammer eine Sachzusammenhangsregelung enthält, die derjenigen im Geschäftsverteilungsplan des LG Chemnitz (vgl. insoweit lit. b) Zivilsachen I Nr. 2 GVP LG Chemnitz) entspricht.
c. Diese Frage, die der Senat mangels Veröffentlichung des kammerinternen GVP nicht abschließend beurteilen kann, kann jedoch dahinstehen. Ein - unterstellter - Verstoß gege...