Leitsatz (amtlich)
1. Ein auf Zustimmung eines Miteigentümers zum Teilabriss von Gebäudeteilen gerichteter Klageantrag ist auch dann hinreichend bestimmt, wenn die hierfür notwendigen Maßnahmen nicht einzeln aufgeführt werden.
2. Notwendige Erhaltungsmaßregeln im Sinne des § 744 Abs. 2 ZPO sind nur solche, die im Interesse der Gemeinschaft zur Erhaltung der Substanz oder des wirtschaftlichen Werts im Rahmen ordnungsgemäßer Verwaltung unter Berücksichtigung eines rein wirtschaftlichen Maßstabes erforderlich sind. Dies kann auch den Abriss eines Gebäudes umfassen.
3. Dass eine öffentlich-rechtliche Genehmigung zu baulichen Maßnahmen nicht vorliegt, steht der Verurteilung zur Zustimmung des Miteigentümers nicht entgegen.
Verfahrensgang
LG Leipzig (Aktenzeichen 02 O 2619/16) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Leipzig vom 27.07.2018 - 2 O 2619/16 abgeändert und wie folgt neu gefasst:
1. Die Beklagte wird verurteilt, dem Teilrückbau - Dach und Giebelwände - des sog. Kutscherhauses im rückwärtigen Teil des Grundbesitzes K... Straße xx, 00000 L..., durch die Eigentümergemeinschaft K... Straße xx, bestehend aus der Klägerin und der Beklagten, zuzustimmen, wobei der Teilrückbau wie folgt vorzunehmen ist:
a) Kompletter Rückbau der Dachkonstruktion und des Holzzierfachwerks,
b) Rückbau des Schornsteins
c) Rückbau der Giebelwände im Dachgeschoss (im Bereich des Nachbargebäudes nur oberhalb der Nachbarbebauung)
d) Rückbau der Drempelwände im Dachgeschoss
e) teilweiser Rückbau und Abtreppung der Querwände im Dachgeschoss
f) Entfernung der Schuttreste auf den Decken.
2. Die Beklagte wird verurteilt, der Beauftragung des Hausmeisterservice T..., Inhaber M... T..., mit dem Teilrückbau gem. Ziffer 1 entsprechend dessen Angebot vom 21.09.2020 durch die Eigentümergemeinschaft K... Straße xx, bestehend aus der Klägerin und der Beklagten, zuzustimmen.
3. Die Beklagte wird verurteilt, den für die Ausführung dieses Rückbaus erforderlichen Zugang zum Grundbesitz K... Straße xx, 00000 L... mit der Maßgabe zu gewähren, im Heizungsraum Zugang zu Strom und Wasser zu gewähren.
II. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Leipzig vom 27.07.2018 - 2 O 2619/16 - wird zurückgewiesen.
III. Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen werden der Beklagten auferlegt.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.
Beschluss:
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf bis zu 6.600,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Von der Aufnahme des Tatbestandes wird gemäß §§ 540, 313 a ZPO abgesehen.
II. Die Berufungen sind zulässig. Während die Berufung der Klägerin Erfolg hat, ist die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
A) Die Parteien bilden hinsichtlich des streitbefangenen Grundbesitzes eine Gemeinschaft nach Bruchteilen gemäß § 741 BGB. Die Klägerin hat gegenüber der Beklagten als Miteigentümerin einen Anspruch auf Zustimmung zum Rückbau der von ihr aufgeführten Bauteile des auf dem Grundbesitz hofseitig gelegenen Kutscherhauses, da es sich insoweit um eine gem. § 744 Abs. 2, 2. HS BGB notwendige Erhaltungsmaßregel handelt.
1. Das auf Zustimmung zur Durchführung von Rückbaumaßnahmen gerichtete Klagebegehren ist entgegen der Ansicht der Beklagten hinreichend bestimmt. Für die hinreichende Bestimmtheit des Klageantrages genügt es, dass dieser den erhobenen Anspruch konkret bezeichnet, dadurch den Rahmen der gerichtlichen Entscheidungsbefugnis (§ 308 ZPO) absteckt, Inhalt und Umfang der materiellen Rechtskraft der begehrten Entscheidung (§ 322 ZPO) erkennen lässt, das klägerische Risiko eines Unterliegens nicht durch vermeidbare Ungenauigkeit auf die Beklagtenseite abgewälzt wird und schließlich eine Zwangsvollstreckung aus dem Urteil ohne eine Fortsetzung des Streits im Vollstreckungsverfahren erwarten lässt (vgl. BGH NJW 1999, 954 f., m.w.N.). Hiernach ist das Begehren auf Teilabriss von einsturzgefährdeten Bauteilen des Kutscherhauses hinreichend bestimmt, denn der konkret geschuldete Erfolg ergibt sich mit hinreichender Deutlichkeit aus dem Antrag und der ihm folgenden Urteilsformel. Verbliebene Zweifel sind gegebenenfalls im Vollstreckungsverfahren zu klären; hierfür können auch der Sachvortrag der Klägerin, die zu den einzelnen vorzunehmenden Maßnahmen umfänglich schriftsätzlich vorgetragen hat und die Entscheidungsgründe herangezogen werden, (vgl. BGH NJW 1987, 3003/3004; NJW 2001, 445/447 m.w.N.; Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken, Urteil vom 17. November 2005 - 8 U 392/04-116 -, Rn. 34 - 35, juris).
Die somit aufgrund des klägerischen Sachvortrags vorzunehmende Auslegung des Antrags unter Ziff. 1 ergibt, dass ein Rückbau von im Folgenden bestimmt bezeichneten Gebäudeteilen des hofseitig auf dem Grundbesitz gelegenen Kutscherhauses - soweit noch vorhanden - begehrt wird, die insbesondere im Bereich des Daches und der Giebelwände belegen sind.
Als Kutscherhaus wird dabei von den Parteien (vgl. u. a. Email der Beklagten vom 23.08.2018, beigezogene Akte des Bauordnu...