Leitsatz (amtlich)
Der im Berufungsverfahren erhobenen Behauptung, das erstinstanzliche Gericht habe es unterlassen abzuklären, ob eine psychische Erkrankung des Patienten als Kontraindikation für die durchgeführte Behandlung (hier: tiefe Hirnstimulation bei M. Parkinson) vorgelegen habe, ist nicht nachzugehen, wenn sich weder den Behandlungsunterlagen noch dem Vortrag des Patienten Anhaltspunkte für eine solche Erkrankung im Behandlungszeitpunkt entnehmen lassen.
Verfahrensgang
LG Leipzig (Aktenzeichen 07 O 81/18) |
Tenor
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Leipzig vom 23.12.2019 - Az.: 7 O 81/18 - wird zurückgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Das Urteil sowie das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Beschluss:
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf bis zu 40.000,00 EUR und ab dem 02.06.2020 auf 35.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Klägerin begehrt von der Beklagten (lediglich noch) immateriellen Schadensersatz im Zusammenhang mit einer im Jahr 2008 erfolgten tiefen Hirnstimulation (THS). Wegen der Einzelheiten des Sachverhaltes und der erstinstanzlichen Antragstellung wird auf den Tatbestand des Urteils des Landgerichts Leipzig vom 23.12.2019 Bezug genommen.
Das Landgericht hat mit Urteil vom 23.12.2019 die Klage abgewiesen. Es hat zur Begründung ausgeführt, der Beklagten falle eine Aufklärungspflichtverletzung nicht zur Last. Im Ergebnis der Beweisaufnahme bestehe kein Zweifel, dass die Klägerin umfassend über die mit dem Eingriff verbundenen Risiken durch den Zeugen Prof. W... aufgeklärt worden sei. Dieser habe nachvollziehbar angegeben, dass er sämtliche von ihm im Aufklärungsbogen aufgelisteten Gefahren im Einzelnen mit den Patienten erörtere und die Operation bewusst als "Wagnis" im Sinne eines bloßen Heilversuches beschreibe. Ferner sei ein Behandlungsfehler nicht festzustellen. Der Sachverständige Prof. H... habe in seinem Gutachten nachvollziehbar ausgeführt, dass bei der Klägerin eine Indikation zur THS bestanden habe. Die Implantation sei auch nicht fehlerhaft erfolgt, insbesondere seien die Elektroden nicht falsch positioniert worden. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen.
Die Klägerin verfolgt mit der Berufung ihr erstinstanzliches Begehren lediglich noch bezogen auf den geltend gemachten Schmerzensgeldanspruch weiter. Sie ist der Auffassung, dass die Beweiswürdigung des Landgerichts im Hinblick auf die Aufklärungspflichtverletzung fehlerhaft sei. Denn anders als vom Landgericht angenommen, sei sie nicht hinreichend über die Risiken aufgeklärt worden. Die im Zeitpunkt des Aufklärungsgesprächs bzw. Eingriffs bekannten psychischen Vorerkrankungen hätten einen besonderen risikoerhöhenden Umstand dargestellt, über den hätte explizit aufgeklärt werden müssen. Bei einer Kontraindikation, aufgrund derer sich ernsthafte Komplikationen ergeben könnten, müsse der Behandler den Patienten ausdrücklich auf diese möglichen Komplikationen hinweisen. Wäre sie über die möglichen schweren Folgen oder den ausbleibenden Behandlungserfolg aufgrund der psychischen Erkrankungen aufgeklärt worden, hätte sie in die Operation nicht eingewilligt. Das Landgericht habe auch die Beweislastumkehr aufgrund eines Befunderhebungsfehlers verkannt. So habe der Sachverständige ausgeführt, dass eine explizite psychiatrische Exploration der Klägerin vor der Operation nicht aus den Akten erkennbar sei. Demgegenüber habe der Sachverständige beschrieben, dass bereits im Jahr 2001 eine schwere Depression bei ihr diagnostiziert worden sei. Aufgrund dessen hätte vor der Implantation eine umfassende psychiatrische Exploration erfolgen müssen. Denn nach den Ausführungen des Sachverständigen könne das Vorliegen einer Persönlichkeitsstörung, einer schwergradigen Depression, einer Demenz oder Psychose eine Kontraindikation für eine THS darstellen. Damit läge ein grober, jedenfalls aber ein einfacher Behandlungsfehler vor.
Die Klägerin hat zuletzt beantragt,
das Urteil des Landgerichts Leipzig vom 23.12.2019 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin ein Schmerzensgeld von mindestens 35.000,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28.09.2017 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Das Landgericht habe zutreffend festgestellt, dass die Klägerin umfassend über den geplanten Eingriff aufgeklärt worden sei. Eine weitergehende Aufklärung über eine angebliche Kontraindikation sei nicht geboten gewesen, da eine solche nicht vorgelegen habe. Die Behauptung der Klägerin, bei ihr...