Leitsatz (amtlich)
1. Es handelt sich nicht um einen sicheren Übermittlungsweg im Sinne des § 32a Abs. 4 Nr. 3 StPO, wenn die Beschwerdeschrift einer Justizvollzugsanstalt von dem persönlichen E-Mail-Account einer Bediensteten an das Gericht übermittelt wird.
2. Eine "Heilung" des Formmangels durch Ausdrucken der Beschwerdeschrift scheidet jedenfalls dann aus, wenn das elektronische Dokument lediglich aus einer systemschriftlichen Word-Textdatei und nicht aus einem eingescannten Schriftsatz besteht, der ein Abbild des unterzeichneten Originals bzw. der mit Unterschrift und ggf. Dienstsiegel beglaubigten Abschrift darstellt.
Normenkette
StPO § 32a Abs. 4 Nr. 3, § 119a Abs. 3; ERVV § 6
Tenor
Die Beschwerde wird als unzulässig verworfen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem Angeschuldigten dadurch entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.
Gründe
I.
Der Angeschuldigte befindet sich seit dem 25. Februar 2022 in Untersuchungshaft. Er wurde vom 25. Februar 2022 bis zum 26. Februar 2022 und nochmals vom 4. März 2022 bis zum 9. März 2022 in dem H.-Klinikum, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie in R., stationär behandelt. Dort wurden folgende Diagnosen gestellt: Panikstörung (F41.0) und rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig schwere Episode ohne psychotische Symptome (F33.2).
Vom 10. März 2022 bis zum 12. April 2022 befand sich der Angeschuldigte im Justizvollzugskrankenhaus F., Abteilung für Psychiatrie. Dort wurden folgende Diagnosen gestellt: posttraumatische Belastungsstörung (F43.1) und Anpassungsstörung (F43.2).
Mit Schreiben des Verteidigers vom 21. April 2022 hat der Angeschuldigte gegenüber der Justizvollzugsanstalt seine (erneute) Verlegung in das Justizvollzugskrankenhaus F., hilfsweise in ein "öffentliches Krankenhaus" beantragt. Mit Schreiben vom 22. April 2022 hat die Justizvollzugsanstalt diesen Antrag mit dem Bemerken (konkludent) abgelehnt, dass die zuständige Ärztin der psychiatrischen Abteilung des Justizvollzugskrankenhauses F. keine Veranlassung gesehen habe, den Angeschuldigten weiter dort zu behalten oder in ein externes Krankenhaus auszuführen.
Auf den hiergegen gerichteten Antrag auf gerichtliche Entscheidung des Angeschuldigten hat das nach Anklageerhebung zuständige Landgericht die Justizvollzugsanstalt unter Aufhebung ihrer Entscheidung vom 22. April 2022 mit Beschluss vom 17. Juni 2022 verpflichtet, den Verlegungsantrag des Angeschuldigten unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden.
Gegen den Beschluss des Landgerichts richtet sich die Beschwerde der Justizvollzugsanstalt, die mit E-Mail vom 5. Juli 2022 an das Landgericht übermittelt worden ist.
II.
Die nach § 119a Abs. 3 StPO statthafte Beschwerde der Justizvollzugsanstalt ist unzulässig, da bei der Einlegung mittels E-Mail kein sicherer Übermittlungsweg nach Maßgabe des § 32a Abs. 4 Nr. 3 StPO gewählt wurde und dieser Mangel durch das Ausdrucken der beigefügten Word-Textdatei bei dem Landgericht nicht geheilt wurde.
1.
Die E-Mail ist von dem persönlichen E-Mail-Account einer Bediensteten der Justizvollzugsanstalt an die elektronische Poststelle des Landgerichts versandt worden. Dies genügt nicht den Anforderungen des § 32a Abs. 4 Nr. 3 StPO, wonach im elektronischen Rechtsverkehr bei der Absendung ein nach Durchführung eines Identifizierungsverfahrens eingerichtetes Behördenpostfach (sog. besonderes elektronisches Behördenpostfach, § 6 ERVV) zu verwenden ist. Der vorliegend gewählte Übermittlungsweg stellt keinen sicheren Übermittlungsweg dar.
Abgesehen davon ist das beigefügte elektronische Dokument nicht in dem vorgeschriebenen Dateiformat PDF (§ 2 Abs. 1 Satz 1 ERVV), sondern als Word-Textdatei (docx) an das Landgericht übermittelt worden. Hierauf und das Unterbleiben eines Hinweises nach § 32a Abs. 6 Satz 1 StPO kommt es nach Maßgabe des § 32a StPO indes nicht weiter an, da es bereits an einem sicheren Übermittlungsweg fehlt.
2.
Dieser Mangel ist durch das Ausdrucken der Word-Textdatei bei dem Landgericht nicht geheilt worden.
Der 2. Strafsenat hat in diesem Zusammenhang bereits in anderer Sache ausgeführt (Beschluss vom 10. März 2020, III-2 RVs 15/20, NJW 2020, 1452, 1453):
"Der Senat ist der Auffassung, dass die besonderen gesetzlichen Regelungen, die im Interesse des Integritäts- und Authentizitätsschutzes für den elektronischen Rechtsverkehr gelten, abschließend sind und es bei Nichteinhaltung der dortigen Anforderungen nicht gerechtfertigt ist, nach dem Ausdrucken der elektronischen Dokumente Formerleichterungen zuzulassen (vgl. BFH NJW 2012, 334; OVG Bautzen NVwZ-RR 2016, 404; BSG NJW 2017, 1197; FG Köln MMR 2018, 630; SG Freiburg BeckRS 2018, 25212; VG Gera LKV 2019, 141; Müller NZS 2015, 896, 898 u. AnwBl 2016, 27, 29).
Hat der Absender den Weg der elektronischen Übermittlung gewählt, muss er sich an den hierfür geltenden gesetzlichen Anforderungen festhalten lassen. Es ist grundsätzlich nicht angezeigt, bei deren Fehlen gleichsam freibeweislich in eine Prüfung einzut...