Leitsatz (amtlich)
1. Die Kündigung des Arbeitgebers auf Grund verhaltensbedingter Leistungsstörungen des Arbeitsverhältnisses setzt regelmäßig eine Abmahnung voraus und kann nicht auf Abmahnungen wegen anderer Vertragsverletzungen gestützt werden.
2. Hat die entsprechende Kündigungsschutzklage aus Sicht des Regressrichters deshalb Aussicht auf Erfolg und versäumt der Rechtsanwalt schuldhaft die Berufungsbegründungsfrist, so ist sein Fehlverhalten schadensursächlich.
Normenkette
BGB §§ 675, 611, 626, 2780; KSchG § 1 Abs. 2
Verfahrensgang
LG Wuppertal (Aktenzeichen 3 O 541/07) |
Tenor
Der Senat beabsichtigt, die Berufung gem. § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen. Den Beklagten wird Gelegenheit gegeben, hierzu binnen zwei Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses Stellung zu nehmen.
Der auf den 14.10.2008 avisierte Senatstermin findet nicht statt.
Gründe
Die Berufung der Beklagten hat keine Aussicht auf Erfolg. Das landgerichtliche Urteil ist richtig und aus der Berufungsbegründung ergeben sich keine Gründe für die beantragte Abänderung.
I. Das LG ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Beklagten den mit dem Kläger geschlossenen Anwaltsdienstvertrag (§§ 675, 611 ff. BGB) schuldhaft verletzt haben, indem sie die Berufungsbegründungsfrist in dem Berufungsverfahren vor dem LAG Düsseldorf in dem Verfahren 16 Sa 1088/06 versäumten. Daraus haften sie dem Kläger auf Schadensersatz.
Die Beklagten stellen weder die Pflichtverletzung noch ihr Verschulden in Abrede. Sie vertreten indes die Ansicht, die Pflichtverletzung sei nicht kausal für den eingetretenen Schaden geworden, weil der Kläger den Prozess auch bei Wahrung der Berufungsbegründungsfrist verloren hätte, seine Kündigungsschutzklage mithin keinen Erfolg gehabt hätte. Dies hat das LG unter Hinweis auf die unterlassene Abmahnung des Klägers durch seinen (vormaligen) Arbeitgeber zu Recht verneint und eine Haftung der Beklagten für die infolge der Niederlage beim Kläger eingetretenen Vermögensschäden angenommen.
1. Die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist durch die Beklagten war kausal für die eingetretenen Schäden.
Nach ständiger Rechtsprechung des BGH, der der Senat folgt, muss das Regressgericht prüfen, wie nach seiner Auffassung der Vorprozess richtigerweise hätte entschieden werden müssen (BGHZ 36, 144 (154 f.); 72, 328 (330); 79, 223 (226); 124, 86 (96); 124, 86 (96); 133, 110; 174, 205 ff. = NJW 2008, 1309; NJW 2005, 3071 (3072); Zugehör/Fischer, Handbuch der Anwaltshaftung, 2. Aufl., Rz. 1066 mit weiteren Nachweisen). Welche rechtliche Beurteilung das mit dem Vorprozess befasste Gericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt hätte, ist ohne Belang und vielfach gar nicht mehr festzustellen. Vielmehr ist allein die Sicht des Regressgerichts maßgeblich. Dies gilt selbst dann, wenn feststeht, welchen Ausgang das frühere Verfahren bei pflichtgemäßem Verhalten des Anwalts genommen hätte (BGHZ 174, 205 ff.; Zugehör/Fischer, a.a.O., Rz. 1063; Ganter NJW 1996, 1310).
Unter Heranziehung dieser Grundsätze ist davon auszugehen, dass der Kläger den Kündigungsschutzprozess gewonnen hätte. Denn die vom Arbeitgeber ausgesprochene verhaltensbedingte Kündigung vom 6.4.2006 war gem. § 1 Abs. 2 KSchG nicht sozial gerechtfertigt und damit gem. § 1 Abs. 1 KSchG unwirksam.
a) Geht man mit dem Vorbringen der Beklagten davon aus, dass der Kläger in den Nächten vom 17. zum 18.2.2006 und vom 30. zum 31.3.2006 die von ihm zu leistende Nachtschicht vorzeitig ohne Kenntnis des Betriebsleiters beendet, das Betriebsgelände verlassen sowie es dabei unterlassen hat, die Stempeluhr zu betätigen, so begründet dieses Verhalten zwar eine nicht unerhebliche Pflichtverletzung des Arbeitsvertrages durch den Kläger und stellt einen objektiven Grund für die ausgesprochene Kündigung dar. Der Kläger hat damit rechtswidrig und schuldhaft eine Leistungsstörung verursacht, für die keine Rechtfertigungsgründe ersichtlich sind.
b) Wird eine Kündigung jedoch auf verhaltensbedingte Leistungsstörungen gestützt, so kann von einer sozialen Rechtfertigung nach § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG nur dann ausgegangen werden, wenn zu Lasten des Arbeitnehmers auch eine negative Zukunftsprognose besteht (vgl. Küttner, Personalbuch 2008, 15. Aufl., "Kündigung, verhaltensbedingte" Rz. 1). Eine solche ist im zu entscheidenden Fall indes nicht anzustellen. Denn der Kläger hätte vor Ausspruch der Kündigung von seinem Arbeitgeber erfolglos abgemahnt werden müssen, was nicht erfolgt ist. Dies begründet die Rechtswidrigkeit der Kündigung und die Feststellung, dass der Kläger mit seiner Kündigungsschutzklage obsiegt hätte.
aa) Das bei verhaltensbedingten Kündigungen anzuwendende Prognoseprinzip resultiert aus dem Zweck der Kündigung. Sie stellt keine Sanktion für eine begangene Vertragspflichtverletzung dar, sondern dient der Vermeidung des Risikos weiterer erheblicher Pflichtverletzungen. Die vergangene Pflichtverletzung muss sich deshalb noch in der Zukunft belastend auswirken (BAG NZA 2007, 922; NJW 2008, 1900 ff.). Eine negative Prognose liegt vor, we...