Leitsatz (amtlich)
Der Ausgleich geringwertiger Anrechte ist in Betracht zu ziehen, wenn der Ausgleichsberechtigte hierauf dringend angewiesen ist. Dies ist jedoch erst anzunehmen, wenn der Ausgleichsberechtigte auch bei Ausschöpfung seiner Erwerbsmöglichkeiten nicht in der Lage wäre, eine das Existenzminimum sichernde Altersrente zu erarbeiten.
Verfahrensgang
AG Oberhausen (Beschluss vom 01.10.2010; Aktenzeichen 43 F 91/04) |
Tenor
I. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den am 1.10.2010 erlassenen Beschl. des AGs - Familiengericht - Oberhausen wird zurückgewiesen.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Verfahrenswert für die Beschwerdeinstanz wird auf 1.000 EUR festgesetzt.
IV. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I. Die beteiligten Ehegatten haben am 09.10.1995 die Ehe miteinander geschlossen und sind auf die wechselseitigen, im April und Juni 2004 zugestellten Scheidungsanträge durch das am 4.8.2005 verkündete und seit Dezember 2005 insoweit rechtskräftige Urt. des AGs Oberhausen geschieden worden.
In der Folgesache Versorgungsausgleich hat das AG das Verfahren zunächst gem. § 2 Abs. 1 Satz 2 VAÜG ausgesetzt und mit Verfügung vom 06.04.2010 wieder aufgenommen. In seiner Entsch. über den Versorgungsausgleich hat das AG den regeldynamischen Anteil des Anrechts der Antragstellerin bei der Deutschen Rentenversicherung Rheinland mit einem Ausgleichswert von 4,2925 Entgeltpunkten und das Anrecht des Antragsgegners bei der Deutschen Rentenversicherung Rheinland mit einem Ausgleichswert von 5,8753 Entgeltpunkten intern geteilt. Von einem Ausgleich des angleichungsdynamischen Anteils des Anrechts der Antragstellerin in der gesetzlichen Rentenversicherung mit einem Ausgleichswert von 0,0391 Entgeltpunkten (Ost) sowie des Anrechts des Antragsgegners bei der E. Services GmbH auf betriebliche Altersversorgung mit einem Ausgleichswert von 2.182,72 EUR hat das AG gem. § 18 Abs. 2 VersAusglG abgesehen.
Mit Ihrer Beschwerde erstrebt die Antragstellerin die Teilung des Anrechts auf betriebliche Altersversorgung und macht geltend, dass sie auch auf den Ausgleich der geringwertigen Anrechte des Antragsgegners dringend angewiesen sei. Sie habe bisher nur geringe Anwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung erlangt. Es bestehe deshalb die Gefahr, dass sie im Alter auf Grundsicherung angewiesen sei, wenn sie den Ausgleichswert aus der Betriebsrente des Antragsgegners nicht erhalte. Auch nach dem Ende der Ehezeit sei sie immer nur geringfügig tätig gewesen, weil sie sich um die drei Kinder der Parteien gekümmert habe. Die Kinder - der an ADHS erkrankte, am ...8.1996 geborene Sohn und die am ...11.1998 und am ...1.2000 geborenen Töchter - seien auch künftig noch auf die Fürsorge der Antragstellerin angewiesen, was diese in absehbarer Zeit daran hindern werde, einer Ganztagstätigkeit nachzugehen. Des Weiteren rügt die Antragstellerin, dass die angefochtene Entsch. ihr rechtliches Gehör verletze, weil das AG vor Ablauf einer Stellungnahmefrist entschieden habe.
II. Die gem. § 58 ff. FamFG statthafte, form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
Das AG hat das Anrecht des Antragsgegners bei der E. Services GmbH zu Recht nicht im Wertausgleich bei der Scheidung ausgeglichen.
Gemäß § 18 Abs. 2 VersAusglG sollen Anrechte mit einem geringen Ausgleichswert nicht ausgeglichen werden. Das Anrecht des Antragsgegners auf betriebliche Altersversorgung ist geringwertig iS dieser Vorschrift, der Ausgleichswert überschreitet die Höhe des in § 18 Abs. 3 VersAusglG festgelegten Grenzwerts von 120 % der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 Abs. 1 SGB IV (bei Ehezeitende am 31.3.2004: 2.898 EUR) nicht.
Besondere Gründe, die einen Ausgleich trotz Geringwertigkeit geboten erscheinen lassen, vermag der Senat im Ergebnis nicht festzustellen.
Zwar kommt ein Ausgleich geringwertiger Anrechte grds. in Betracht, wenn der Berechtigte hierauf dringend angewiesen ist (BT-Drucksache 16/10144, S. 61; Münchner Komm. BGB - Gräber, 5. Aufl.2010, § 18 VersAusglG, Rz 9).
Nach Auffassung des Senats sind hier jedoch strenge Anforderungen zu stellen, die die Antragstellerin im Ergebnis nicht erfüllt.
Die Antragstellerin hat bis April 2010 in der gesetzlichen Rentenversicherung insgesamt 12,4497 Entgeltpunkte zuzüglich 1,4693 Entgeltpunkte (Ost) erlangt (vgl. Anlagen 1 und 6 zur Auskunft der Deutschen Rentenversicherung Rheinland vom 14.07.2010 Gerichtsakte Bl. 285, 296). Durch den Versorgungsausgleich werden ihr nach Saldierung (§ 10 Abs. 2 VersAusglG) weitere 1,5828 Entgeltpunkte (= 5,8753 Entgeltpunkte - 4,2925 Entgeltpunkte) gutgeschrieben. Es errechnet sich damit auf der Grundlage der bis April 2010 erworbenen Anrechte und der ab Juli 2011 geltenden aktuellen Rentenwerte (vgl. VO vom 06.06.2011 BGBl. 2011 Teil I S. 1039) bereits eine Bruttorente von 421,28 EUR:
regeldynamische Beitragszeiten: (12,4497 + 1,5828) EP × 27,47 EUR = 385,47 EUR
angleichungsdynamische Beitragszeiten: 1,4693 EP × 24,37 ...