Normenkette
StGB § 129a Abs. 1 Nr. 1, § 129b Abs. 1, §§ 171, 25 Abs. 2, §§ 52-53; VStGB § 9 Abs. 1
Tenor
Die Angeklagte wird wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland in drei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit einem Kriegsverbrechen gegen das Eigentum und in einem weiteren Fall in Tateinheit mit Verletzung der Fürsorge- oder Erziehungspflicht, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von
4 (vier) Jahren
verurteilt. Im Übrigen wird die Angeklagte freigesprochen.
Soweit sie freigesprochen worden ist, werden die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen der Angeklagten der Staatskasse auferlegt. Im Übrigen trägt die Angeklagte die Kosten des Verfahrens.
Gründe
Dem Urteil liegt keine Verständigung nach § 257c StPO zugrunde.
I. Persönliche Verhältnisse
Die 00-jährige Angeklagte ist das zweite von acht gemeinsamen Kindern der Eheleute N1, die 1981 aus dem Libanon nach Deutschland kamen. Die Angeklagte hat zudem drei ältere Halbgeschwister väterlicherseits. Die Angeklagte besaß zunächst allein die libanesische Staatsangehörigkeit, bevor sie wie andere Familienmitglieder im Jahr 2001 in die Bundesrepublik Deutschland eingebürgert wurde. Ihr Vater war Kaufmann und betrieb ein Lebensmittelgeschäft, die Mutter war Hausfrau. Die Angeklagte wuchs in S3 auf, wo sie im Jahr 1997 eingeschult wurde. Im März 1999 zog die Familie nach F. Dort besuchte die Angeklagte fortan die Grund- und anschließend die Hauptschule, die sie im Jahr 2007 im Alter von 17 Jahren mit dem Hauptschulabschluss beendete.
Die Angeklagte, die keine Berufsausbildung absolvierte und zwischenzeitlich als Reinigungskraft arbeitete, heiratete auf Wunsch ihrer Familie Ende des Jahres 2007 nach islamischem Ritus ihren ebenfalls aus dem Libanon stammenden Cousin B1 T3, mit dem sie in I. zusammenzog und den sie am 00.00.00 auch standesamtlich ehelichte. Aus der Beziehung gingen fünf Kinder hervor. Am 00.00.00 wurden der Sohn O., am 00.00.00 die Tochter S., am 00.00.00 und am 00.00.00 die weiteren Söhne B2 und Z. geboren. Die gemeinsame Tochter T4 kam am 00.00.00 in Syrien zur Welt. Bis zu ihrer Ausreise dorthin im Sommer 2015 war die Angeklagte weiter in l. wohnhaft, wo die Familie im Wesentlichen vom Einkommen des B1 T3 bei einem Telekommunikationsunternehmen und von Kindergeld lebte.
Nach ihrer Rückkehr aus Syrien und der Türkei nahm die arbeitslose Angeklagte im Februar 2018 gemeinsam mit ihren Kindern zunächst Wohnung bei ihren Eltern. Seit April 2018 bewohnte sie sodann unter Bezug von Sozialleistungen eine eigene Wohnung in F. Aufgrund zweier Rückforderungsbescheide der Familienkassen Nordrhein-Westfalen Nord und Niedersachsen-Bremen wegen zu Unrecht erlangten Kindergeldes in der Zeit von August 2015 bis Mai 2016 sowie von Juni 2016 bis Juni 2017 - worin ihre Vorstrafen wurzeln - hat sie Schulden in Höhe von circa... Euro. Seit ihrer Verhaftung im Juli 2020 leben die Kinder der Eheleute T. bei den Eltern der Angeklagten.
Die Angeklagte ist wie folgt rechtskräftig vorbestraft:
Das Amtsgericht Essen verurteilte sie am 18. Februar 2019 wegen Steuerhinterziehung zu einer Geldstrafe von 80 Tagessätzen zu je 15 Euro. Die Vollstreckung der Geldstrafe ist seit dem 16. Juli 2019 durch Zahlung vollständig erledigt. Am 10. Dezember 2019 verurteilte sie das Amtsgericht Bochum ebenfalls wegen Steuerhinterziehung zu einer Geldstrafe von 160 Tagessätzen zu je 15 Euro. Diese Geldstrafe ist seit dem 5. März 2021 durch Ratenzahlungen vollständig getilgt und damit vollstreckt.
In dieser Sache ist die Angeklagte am 28. Juli 2020 verhaftet worden und befindet sich seither in Untersuchungshaft, in der sie bedingt durch die Corona-Pandemie insbesondere keinen persönlichen Besuch von ihren Kindern empfangen konnte.
II. Feststellungen zur Sache
1. Die terroristische Vereinigung "Islamischer Staat"
Der "Islamische Staat" ist eine von der islamischen Glaubensrichtung der Sunniten dominierte Organisation mit militant-fundamentalistischer Ausrichtung, die es sich zum Ziel gesetzt hat, einen den eigenen Vorstellungen entsprechenden autoritären islamischen "Gottesstaat" im Irak, in Syrien und in den Nachbarstaaten unter Überwindung nationalstaatlicher Grenzen zu etablieren und zu diesem Zweck unter anderem die schiitisch dominierte Regierung im Irak sowie das Regime des syrischen Präsidenten Bashar al-Assad zu stürzen. Zudem geht es der Organisation um die Eroberung Jerusalems und die physische Vernichtung der Schiiten und Alawiten sowie anderer Religionszugehöriger wie etwa der Jesiden. Teil des bewaffneten Kampfes der Vereinigung ist die Destabilisierung bestehender Ordnungen durch terroristische Anschläge. Wer sich den Ansprüchen der Organisation entgegensetzt, muss damit rechnen, verhaftet, gefoltert und getötet zu werden.
a) Entwicklung
Der "Islamische Staat", der diese Bezeichnung seit Juni 2014 führt, hat seine Wurzeln im Irak. Er entstand dort im Oktober 2006 unter der Bezeichnung "Islamischer Staat im Irak" (ISI) aus der von Abu Musab az-...