Verfahrensgang
StA Kassel (Aktenzeichen 465/502 Js 16191.2/95) |
LG Kassel (Aktenzeichen 502 Js 16191.2/95 1 KLs) |
Tenor
Der Antrag auf Ausschluss des Rechtsanwalts ... als Verteidiger in dem Strafverfahren gegen ... wird verworfen.
Die Kosten des Ausschließungsverfahrens und die dem Verteidiger insoweit entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.
Gründe
Die Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Kassel hat in dem vorgenannten Strafverfahren gegen ... einen Antrag auf Ausschluss des Verteidigers ... gestellt, welchen die 1. Strafkammer des Landgerichts Kassel gemäß § 138 c II 2 StPO dem Oberlandesgericht Frankfurt zur Entscheidung vorgelegt hat.
Der Antrag ist zulässig, jedoch unbegründet.
Zu würdigen ist insoweit der Sachverhalt, wie er sich nach der Antragsbegründung ohne Bezugnahmen auf Anlagen oder sonstige Schriftstücke darstellt (vgl. hierzu im Einzelnen OLG Hamm, NStZ 1999, 50 ff). Es ist nicht Aufgabe des Senats, von sich aus nach den Grundlagen für eine etwaige Ausschließung zu forschen (OLG Düsseldorf, Strafverteidiger 1997, 459 m.w.N.; Meyer-Goßner, StPO, 47. Auflage § 138cRn9)- Die Vorlage ist unschlüssig, weil die angeführten Tatsachen - auch bei Unterstellung ihrer Richtigkeit - die Ausschließung des Verteidigers nicht zu rechtfertigen vermögen. In einem derartigen Fall ist die Vorlage ohne mündliche Verhandlung als unbegründet zu verwerfen (vgl. OLG Karlsruhe NJW 1975, 943, 945; OLG Braunschweig StV 1984, 500, 502; OLG Bremen NJW 1981, 2711; LG Bamberg AnwB11980, 33; OLG Düsseldorf NStZ-RR 1998, 336; Meyer-Goßner, a.a.O., § 138 d, Rz. 1).
Der in dem Vorlagebeschluss zu Grunde gelegte Sachverhalt füllt den Ausschließungsgrund des § 138 a Abs. 1 Nr. 3 StPO nicht aus, da sich aus der Antragsbegründung ein hinreichender Verdacht bezüglich einer Handlung des Verteidigers, die für den Fall der Verurteilung des Angeklagten eine - zumindest versuchte- Strafvereitelung gem. § 258 StGB darstellte, nicht ergibt.
Der Verteidiger durfte die zum Termin geladenen früheren Sachverständigen schon deshalb auf die Folgen einer etwaigen Verletzung der Schweigepflicht hinweisen, weil nach dem mitgeteilten Sachverhalt keinesfalls feststeht, dass ein Verstoß gegen § 203 I Nr. 1 StGB durch die als sachverständige Zeugen geladenen Personen von vorneherein ausscheiden würde.
§ 203 I StGB stellt -in der hier allein in Betracht kommenden Variante der Ziffer 1-das unbefugte Offenbaren eines fremden Geheimnisses durch einen Arzt unter Strafe, das diesem im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit anvertraut oder sonst bekannt geworden ist. "Geheimnis" im Sinne der Vorschrift ist eine Tatsache, die nur einem einzelnen oder einem beschränkten Personenkreis bekannt ist, deren Kenntnis nach dem Willen des Betroffenen hierauf beschränkt ist und an deren Geheimhaltung der Betroffene ein schutzwürdiges Interesse hat (vgl. z.B. Münchener Kommentar zum StGB (MK) § 203 Rn 11; Leipziger Kommentar (LK) StGB 10. Auflage § 203 Rn 19; Tröndle/Fischer, StGB, 52. Auflage § 203 Rn 3 ).
Dies ist bei Informationen, die der Sachverständige z.B. zu Anamnese oder zu früheren oder aktuellen Unfallfolgen des Angeklagten im Rahmen der von ihm durchgeführten Untersuchung erlangt hat, ohne weiteres der Fall. Aber auch Diagnosen unterfallen dem Schutzbereich der Norm (MK, a.a.O. Rn 24; LK a.a.O. Rn 20).
Dass die insoweit von den Sachverständigen im Rahmen der jeweiligen Begutachtung festgestellten Tatsachen bereits offenkundig und damit nicht mehr geheimhaltungsbedürftig wären, ist nicht ersichtlich.
Dem Geheimnisschutz unterliegen allerdings solche Tatsachen nicht (mehr), die allgemein bekannt (offenkundig) sind oder die jedermann ohne weiteres zugänglich sind (BGHZ 40, 289, 292; MK § 203 Rn 16).
Insoweit können auch Tatsachen, die in öffentlicher Verhandlung vor Gericht erörtert worden oder bei der Urteilsverkündung öffentlich bekannt gemacht worden sind, ihren Geheimnischarakter verloren haben (MK a.a.O.).
Hiervon ist jedoch nicht schon dann auszugehen, wenn -wie hier- die Zeugen bereits im Rahmen der "ersten Hauptverhandlung" Angaben in öffentlicher Verhandlung gemacht haben.
Inhalt und Umfang der früheren Aussagen der sachverständigen Zeugen sind nicht im Einzelnen bekannt.
Nach der Antragsbegründung wurden die sachverständigen Zeugen im Rahmen ihrer Vernehmungen vor Gericht von den Feststellungen des im Strafverfahren gegen Hegewald beauftragten Sachverständigen in Kenntnis gesetzt und insoweit um neue Bewertung ihrer Gutachten gebeten.
Ob diese Neubewertung ihrer früheren Gutachten auch die Preisgabe einzelner persönlichkeitsrelevanter Tatsachen und Untersuchungsbefunde umfasst hat, welche damit ihre Eigenschaft als Geheimnis verloren haben könnten oder sich die Aussage der sachverständigen Zeugen in der Mitteilung des Ergebnisses der Neubewertung erschöpft hat, ist nicht ersichtlich.
Jedenfalls kann nicht ohne weiteres unterstellt werden, dass die sachverständigen Zeugen im Rahmen ihrer früheren Befragung bereits zu sämtlichen möglicherweise ...