Entscheidungsstichwort (Thema)
Kohlenmonoxid-Vergiftung in Shisha-Bar
Leitsatz (amtlich)
Die Jugendschutzvorschriften nach §§ 2, 10, 28 JuSchG sollen den besonderen Gefahren des Rauchens bei Jugendlichen begegnen. Erleidet eine Minderjährige beim Rauchen einer Shisha in einer Shisha-Bar eine Kohlenmonoxid-Vergiftung, realisiert sich ein Risiko, vor dem diese Vorschriften gerade schützen sollten.
Normenkette
BGB § 280; JuSchG §§ 2, 10 Abs. 1, § 28
Verfahrensgang
LG Limburg a.d. Lahn (Urteil vom 28.06.2021; Aktenzeichen 2 O 216/20) |
Tenor
Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.
Die Berufung der Beklagten gegen das am 28.6.2021 verkündete Urteil des Landgerichts Limburg wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Dieser Beschluss und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Der Gebührenstreitwert für die Berufung wird auf 12.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Klägerin verlangt von der Beklagten Schadensersatz im Zusammenhang einer in der Shisha-Bar der Beklagten erlittenen Kohlenmonoxid-Vergiftung.
Wegen des Sach- und Streitstands wird gemäß § 540 Abs. 1 ZPO auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Das Landgericht hat die Beklagte verurteilt, an die Klägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von 6.400 EUR zu zahlen. Außerdem hat es festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, sämtliche Schäden der Klägerin zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landgerichts Limburg vom 28.6.2021 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Im Wege der Anschlussberufung beantragt sie,
das Urteil des Landgerichts vom 28.6.2021 teilweise zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin mindestens weitere 1.600,00 Euro zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Anschlussberufung zurückzuweisen.
II. Das Rechtsmittel der Beklagten war gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO durch einstimmigen Beschluss des Senats zurückzuweisen, weil die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat und eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist. Die Rechtssache hat auch weder grundsätzliche Bedeutung noch ist aus Gründen der Rechtsfortbildung oder Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung durch Urteil erforderlich. Zur Begründung wird auf die Ausführungen im Hinweisbeschluss vom 14.6.2022 verwiesen. Die Beklagte hat von der Möglichkeit zur Stellungnahme innerhalb der eingeräumten Frist keinen Gebrauch gemacht.
Die Anschlussberufung verliert durch die Zurückweisung der Berufung per Beschluss nach § 524 Abs. 4 ZPO ihre Wirkung.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat seine Grundlage in §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
Die Festsetzung des Gebührenstreitwerts folgt § 3 ZPO.
Vorausgegangen ist unter dem 14.6.2022 folgender Hinweis (die Red.):
In dem Rechtsstreit (...)
wird darauf hingewiesen, dass der Senat beabsichtigt, die Berufung der Beklagten gegen das am 28.6.2021 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Limburg gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
Nach Vornahme der gemäß § 522 Abs. 1 und 2 ZPO gebotenen Prüfungen ist der Senat einstimmig davon überzeugt, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat und auch eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist. Die Sache hat auch weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung durch Urteil.
I. Der Klägerin steht gegen die Beklagte dem Grunde nach ein Schadensersatzanspruch aus §§ 280 Abs. 1 BGB i.V.m. §§ 241, 311 Abs. 2 Nr. 2, 3 BGB zu.
1. Zwischen den Parteien ist ein Vertragsanbahnungsverhältnis mit den Pflichten nach § 241 Abs. 2 BGB zustande gekommen. Die Beklagte ist Betreiberin des Lokals "X-Pub" in Stadt1. Die Klägerin hat nach den zutreffenden Feststellungen des Landgerichts (vgl. unten) das Lokal am XX.XX.2019 aufgesucht, um eine Shisha zu rauchen. Das Landgericht hat zu Recht angenommen, dass es nicht darauf ankommt, ob im Hinblick auf die Minderjährigkeit der Klägerin zum damaligen Zeitpunkt ein wirksamer Vertrag über die Bestellung der Shisha zustande gekommen ist. Nach § 311 Abs. 2 Nr. 2 BGB kann es bereits durch die Anbahnung eines Vertrages bzw. nach Nr. 3 durch ähnliche geschäftliche Kontakte zur Begründung eines Schuldverhältnisses mit Schutz- und Rücksichtspflichten im Sinne des § 241 Abs. 2 BGB kommen. Bereits in diesem Stadium besteht die Pflicht, sich so zu verhalten, dass Körper, Leben und sonstige Rechtsgüter des anderen Teils nicht verletzt werden (OLG Karlsruhe, Urteil vom 18.4.2012 - 7 U 254/10, Rn. 6, juris m.w.N.). Diese Pflicht besteht unabhängig davon, ob der zum Zeitpunkt des Unfalls beabsichtigte oder abgeschlossene Vertrag wirksam zustande gekommen ist. Das gesetzliche Schuldverhältnis ist daher von der Geschäftsfähigkeit der Geschädigten unabhängig (Brandenburgisches OLG, Urteil vom 8.11.2017 - 4 U 206/16, Rn. 29, juris).
2. Die Beklagte h...