Leitsatz (amtlich)
1. Eine Klausel in der Gemeinschaftsordnung, wonach § 22 Abs. 1 S. 2 WEG dahingehend abbedungen wird, dass Veränderungen im Erscheinungsbild der Eigentumswohnanlage auch ohne Beeinträchtigung eines oder mehrerer Wohnungseigentümer stets der allseitigen Zustimmung bedürfen, ist zulässig. Der Maßstab des § 14 Nr. 1 WEG ist in diesem Fall nicht anzulegen.
2. Zur Auslegung einer entsprechenden Klausel in der Gemeinschaftsordnung.
Normenkette
WEG §§ 14, 22
Verfahrensgang
LG Kassel (Beschluss vom 30.10.2002; Aktenzeichen 3 T 534/02) |
AG Kassel (Aktenzeichen 800-II 107/01 WEG) |
Tenor
Die sofortige weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.
Der Antragsgegner hat die Gerichtskosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde zu tragen.
Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Wert des Verfahrens der weiteren Beschwerde: 20.000 EUR.
Gründe
I. Die Beteiligten sind Teileigentümer der sich aus dem Rubrum ergebenden Liegenschaft. Das Grundstück stand ursprünglich im alleinigen Eigentum des Antragsgegners, der es im Jahr 1986 von der Stadt O1 unter Übernahme einer Bauverpflichtung erworben hatte. Mit notariellem Kaufvertrag, Urkundenrolle-Nr. ../88 des Notars A. in O1, hatte er am 11.3.1988 einen hälftigen Miteigentumsanteil an Herrn B aus O2 veräußert, von dem die Antragstellerin das Teileigentum im Jahr 1997 erwarb. In dem als "Kaufvertrag mit Verpflichtung zur Begründung von Teileigentum gem. WEG" bezeichneten Vertrag zwischen dem Antragsgegner und Herrn B heißt es u.a.:
"§ 7
1. Auf dem Grundstück Gemarkung X Flur ..., Flurstück ..., Bauplatz, ...-Straße = ... ar werden die beiden Vertragsbeteiligten nach der im April 1987 von der Stadt O1 genehmigten Bauzeichnung und Plänen des Architekten C, O3, ein Gebäude errichten, das der gewerblichen Nutzung dienen soll (Erdgeschoss: Teppich- und Tapetenmarkt; Obergeschoss: Sportstudio). Der Bau wird nach der zur Zeit bestehenden Kalkulation und den genehmigten Bauplänen ca. 300.000 DM kosten. Hiervon trägt jeder der beiden Beteiligten die Hälfte ....
2. Die Erschienenen genehmigen sich gegenseitig mit Wirkung für und gegen ihre Rechtsnachfolger folgendes:
a) Der jeweilige Eigentümer des Sondereigentums des Obergeschosses hat das Recht, soweit dies bautechnisch und baurechtlich möglich ist, das Gebäude um ein weiteres Geschoss aufzustocken. In diesem Fall ist der gesamte Aufwand von dem jeweiligen Eigentümer des Sondereigentums des Obergeschosses allein zu tragen .....
b) Der jeweilige Eigentümer des Sondereigentums des Erdgeschosses ist berechtigt, soweit dies bautechnisch und baurechtlich möglich ist, die Erdgeschossfläche durch einen Anbau zu vergrößern und zu erweitern. Insofern ist analog zu den Vereinbarungen in a) der gesamte Aufwand vom jeweiligen Eigentümer des Sondereigentums des Erdgeschosses allein zu tragen.
3. Die Erschienenen sind sich darüber einig, dass die vorstehenden Vereinbarungen gem. Abs. 2a und b eine Sonderregelung gem. § 15 WEG darstellt, und dass diese Sonderregelung in die Teilungserklärung einfließen muss, um sie für die Zukunft rechtlich abzusichern ...
§ 10
Für das Rechtsverhältnis der Teileigentümer untereinander gelten die Bestimmungen der §§ 10 bis 29 WEG.
Jeder Teileigentümer bedarf zur Veräußerung seines Teileigentums keiner Verwalterzustimmung.
Das jeweilige Teileigentum kann nur zu gewerblichen Zwecken genutzt werden.
Jeder Teileigentümer ist verpflichtet, die seinem Sondereigentum unterliegenden Räume und Bestandteile sowie das Zubehör ordnungsgemäß Instand zu halten. Die Teileigentümer dürfen die im gemeinschaftlichen Eigentum stehenden Teile des Gebäudes nicht verändern. Dies gilt auch für den Außenanstrich des Gebäudes, der Fenster und der Abschlusstüren.
Der Verkäufer und der Käufer verpflichten sich auch gegenseitig, über die Nutzung der gemeinschaftlichen Außenanlagen eine beiden Teilen gerecht werdende Lösung zu vereinbaren."
Das Gebäude wurde im Jahr 1988 errichtet. Am 8.9.1988 wurde die Teilungserklärung, Urkundenrolle-Nr. ../88 des Notars D in O1, beurkundet, in der es u.a. heißt:
"Die Vertretenen nehmen auf den vorgenannten Grundstückskaufvertrag mit der Verpflichtung zur Begründung von Teileigentum gem. Wohnungseigentumsgesetz sowie die Abgeschlossenheitsbescheinigung der Stadt O1 vom 30.6.1988 mit Aufteilungsplan Bezug."
Die Vertragsparteien vereinbarten in der Teilungserklärung "in Vollzug der gegenseitigen Verpflichtungen aus Abschnitt II §§ 7-10 des oben genannten Vertrages" weiterhin die Aufteilung in Sondereigentum und die Zuweisung eines 500/1000 Miteigentumsanteils verbunden mit dem Teileigentum an sämtlichen Räumen des Erdgeschosses an den Antragsgegner sowie eines 500/1000 Miteigentumsanteils verbunden mit dem Teileigentum an sämtlichen Räumen des Obergeschosses an Herrn B.
Die Regelung wurde dahingehend ins Grundbuch eingetragen, dass wegen Gegenstand und Inhalt des Sondereigentums auf die Bewilligung vom 8.9.1988 Bezug genommen wurde; ohne Sondernutzungsregelung.
In der Folgezeit wurde in den Räumen im Erdgeschoss zunächst...