Entscheidungsstichwort (Thema)
Barabfindung: Hochrechnung des Börsenkurses für den Fall des Squeeze-out
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Hochrechnung des Börsenkurses der Gesellschaft kommt im Fall eines Squeeze-out in Betracht, wenn zwischen dem Tag der Bekanntgabe und der Beschlussfassung der Hauptversammlung ein Zeitraum von mehr als sieben Monaten liegt.
2. Von einer Hochrechnung anhand der Kursentwicklung vergleichbarer Unternehmen ist allerdings abzusehen, sofern ein Zusammenhang zwischen dem Kurs der Gesellschaft und den Kursen vergleichbarer Unternehmen zu verneinen ist, etwa weil sich der Kurs der Gesellschaft von den Kursen der anderen Unternehmen bereits vor der Bekanntmachung des Squeeze-out abgekoppelt hat.
Normenkette
AktG § 327b; SpruchG § 1
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Beschluss vom 04.02.2019; Aktenzeichen 3-05 O 68/17) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin vom 20. März 2019 wird der Beschluss des Landgerichts Frankfurt am Main vom 4. Februar 2019 in der berichtigten Fassung vom 11. April 2019 abgeändert. Die Anträge der Antragsteller auf Heraufsetzung der gewährten Abfindung werden zurückgewiesen.
Die Gerichtskosten des erstinstanzlichen Verfahrens und des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragsgegnerin, außergerichtliche Kosten werden in erster und zweiter Instanz nicht erstattet.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens und des erstinstanzlichen Verfahrens werden einheitlich auf 200.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Antragsteller waren Aktionäre der Bank1 (im Folgenden Bank1), deren Aktien im General Standard der Stadt1er Wertpapierbörse zugelassen waren und weiterhin im Freiverkehr an den Börsen in Stadt2 und Stadt3 gehandelt wurden. Das Grundkapital der Gesellschaft in Höhe von 118.791.945,12 EUR war in 46.467.370 nennwertlose Stückaktien eingeteilt, von denen sich noch 862.659 Aktien im Streubesitz befanden, während die übrigen Aktien von der Antragsgegnerin bzw. der Gesellschaft gehalten wurden.
Die Bank1, die der X zugehörig war, war im Handelsregister des Amtsgerichts Stadt1 eingetragen. Das Geschäftsjahr umfasste das Kalenderjahr, der Gegenstand des Unternehmens beinhaltete die Ausübung jeder Art bankgeschäftlicher Tätigkeit.
Die Gesellschaft war als Kreditinstitut für Kunden in ausgewählten Segmenten der internationalen Verkehrswirtschaft als Beraterin und Spezialfinanziererin tätig. Ihr Geschäftsmodell umfasste die Geschäftsbereiche Shipping Finance, Aviation Finance, Offshore Finance und Land Transport Finance.
Die Antragsgegnerin beabsichtigte die Durchführung eines Squeeze out der Minderheitsaktionäre. Mit Schreiben vom 14. November 2016 an die Bank1 verlangte die Antragsgegnerin, dass die Hauptversammlung der Bank1 die Übertragung der Aktien der Minderheitsaktionäre auf die Antragsgegnerin gegen eine angemessene Barabfindung beschließen solle. Eine entsprechende Ad hoc - Mitteilung der Gesellschaft erfolgte am 14. November 2016.
Zum Zweck der Durchführung der beabsichtigten unternehmerischen Maßnahme beauftragte die Antragsgegnerin die Y mit der Ermittlung des Unternehmenswertes der Bank1 und damit verbunden der Höhe der nach § 327b AktG zu gewährenden Abfindung. Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, bezüglich deren Ausführungen auf den zu den Akten gereichten Übertragungsbericht verwiesen wird (vgl. Anlage AG 1), ermittelte einen anteiligen Ertragswert von 19,22 EUR. Dem lag ein Basiszins in Höhe von 0,92 % nach Steuern, eine Marktrisikoprämie in Höhe von 5,5 % vor Steuern und ein mittels einer Peer Group ermittelter Betafaktor verschuldet in Höhe von 1,35 sowie ein Wachstumsabschlag in Höhe von 0,75 zugrunde.
Der umsatzgewichtete Börsenkurs 3 Monate vor der öffentlichen Bekanntgabe der Maßnahme am 14. November 2016 belief sich auf 22,60 EUR, weshalb eine Abfindung in dieser Höhe vorgeschlagen wurde. Die gerichtlich bestellte, sachverständige Prüferin, die Z AG bestätigte den Wert als angemessen, wobei auf den als Anlage AG 2 zu den Akten gereichten Prüfbericht ergänzend Bezug genommen wird.
Daraufhin beschloss die Hauptversammlung der Bank1 am 22. Juni 2017 und mithin 7 Monate und 8 Tage nach der Ad hoc Mitteilung den Ausschluss der Minderheitsaktionäre. Während des Zeitraums zwischen der öffentlichen Bekanntgabe des Squeeze out und dem Tag der Beschlussfassung kam es zu keinen Dividenden oder Sonderausschüttungen (Bl. 1120 d. A.). Der Beschluss wurde am 17. August 2017 ins Handelsregister eingetragen. Die Bekanntmachung der Eintragung erfolgte am gleichen Tag.
Die Antragsteller halten die gewährte Abfindung für zu niedrig. Sie haben daher mit erstmals bei Gericht am 30. August 2017 eingegangenem Schriftsatz ein Spruchverfahren eingeleitet mit dem Ziel, die Angemessenheit der Abfindung gerichtlich überprüfen zu lassen. Das angerufene Landgericht hat eine ergänzende Stellungnahme der sachverständigen Prüferin eingeholt, wobei hinsichtlich der Stellungnahme auf Bl. 1108 ff. d. A. verwiesen wird.
Sodann hat die Kammer mit der angegriffenen, später durch Beschluss vom 11. April 2019 berich...