Entscheidungsstichwort (Thema)
Unterbringung. Sicherungsverwahrung. gesetzlicher Richter. mündliche Anhörung. Unterschrift. Ersetzung der Unterschrift
Leitsatz (amtlich)
1. Bei Beschlüssen ist es nicht zwingend erforderlich, dass sie überhaupt unterzeichnet sind, denn die Regelung des § 275 Abs. 2 StPO gilt nur für Urteile und ist auf Beschlüsse nicht, auch nicht entsprechend, anwendbar. Ist ein Beschluss (gar) nicht (oder nicht von allen zur Entscheidung berufenen Richtern) unterschrieben, so muss sich aber zumindest aus den Umständen zweifelsfrei ergeben, dass die Entscheidung auf der Willensbildung der zur Entscheidung berufenen Richter beruht.
2. Wenn alle zur Entscheidung berufenen Richter an der Beschlussfassung mitgewirkt haben, ist die Ersetzung der Unterschrift des an der Unterzeichnung des schriftlichen Beschlusses verhinderten Richters auch dann möglich, wenn der Tenor des Beschlusses nicht zuvor, bei Beschlussfassung in einem Vermerk schriftlich niedergelegt worden ist (entgegen: KG Berlin, Beschluss vom 22.07.2014 - 2 Ws 265/14 - juris; KG Berlin, Beschluss vom 20.05.2015 - 2 Ws 73/15 - juris; KG Berlin, Beschluss vom 09.06.2015 - 2 Ws 105/15 - juris; KG Berlin, Beschluss vom 06.02.2018 - 2 Ws 2/18 - juris; OLG Brandenburg, Beschluss vom 16.01.2023 - 1 Ws 153/22 (S) -juris).
Normenkette
StPO §§ 454, 275 Abs. 2; GG Art. 101 Abs. 1 S. 2; StGB § 67d Abs. 2
Tenor
Die sofortige Beschwerde wird aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen Beschlusses, die durch das Vorbringen des Beschwerdeführers nicht ausgeräumt werden, auf dessen Kosten (§ 473 Abs. 1 StPO) verworfen.
Gründe
Zusatz:
Im Hinblick auf das Vorbringen der Verteidigung und der Generalstaatsanwaltschaft bzgl. des Verfahrens bemerkt der Senat ergänzend:
1.
Die Strafvollstreckungskammer hatte auf den 28.04.2023 einen Termin zur Anhörung des Verurteilten anberaumt. Am Morgen des Tages teilte die JVA mit, dass der Untergebrachte sich bisher nicht zu einer Teilnahme an dem Anhörungstermin, zu dem er eine Terminsnachricht erhalten hatte, geäußert habe. Er sei am Morgen zur Arbeit ausgerückt, so dass davon ausgegangen werde, dass er nicht am Anhörungstermin teilnehme. Zum Anhörungstermin erschien dann nur der Verteidiger des Verurteilten. Die Strafvollstreckungskammer teilte mit, dass sie von einem Anhörungsverzicht ausgehe. Der Verteidiger beantragte die Maßregelaussetzung zur Bewährung und erklärte, im Übrigen keine Angaben machen zu können. Die Anhörung fand in der Besetzung Vorsitzende Richterin am LG A, Richterin am LG B und Richterin am LG C statt. Unter dem Datum des Tages des Anhörungstermins verfasste die Strafvollstreckungskammer den angefochtenen Beschluss. Dieser wurde unterschrieben von der Vorsitzenden Richterin am LG A und der Richterin am LG B; bzgl. der Richterin am Landgericht C findet sich der Vermerk "ist urlaubsbedingt an der Unterschrift gehindert", welcher von der Vorsitzenden gezeichnet wurde.
Die Verteidigung zweifelt mit ihrer Beschwerde an, dass der Beschluss tatsächlich am 28.04.2023 gefasst worden sei. Es sei erforderlich, dass die bei der Anhörung anwesenden Richter auch die nachfolgende Entscheidung treffen. Dazu müsse das Ergebnis in einem Vermerk aktenkundig gemacht werden. Nur in einem solchen Fall könne die Unterschrift eines zu einem späteren Zeitpunkt der Fassung der Beschlussgründe abwesenden Richters durch einen Verhinderungsvermerk ersetzt werden. Wenn - wie vorliegend - "das Beratungsergebnis in Form des vollständigen schriftlichen Beschlusses erst zu einem späteren Zeitpunkt niedergelegt wird und zu diesem Zeitpunkt nicht gewährleistet werden kann, dass die diejenigen Richter, die an der Anhörung teilgenommen haben und zur Entscheidung berufen sind (Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG), zur Verfügung stehen, muss zugewartet werden bis sie verfügbar sind oder - wenn dies schneller zu bewerkstelligen ist - die Anhörung in anderer Besetzung wiederholt und mit dieser entschieden werden." Hier sei weder die eine noch die andere Alternative gegeben.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat sich in ihrer Antragsschrift dieser Auffassung mit weiteren Ausführungen angeschlossen.
2.
Der Senat vermag die Bedenken gegen die Verfahrensweise der Strafvollstreckungskammer nicht zu teilen:
Das Recht auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG) ist hier nicht verletzt. Die drei Richterinnen, die den Anhörungstermin wahrgenommen haben, haben auch den Beschluss, den Verurteilten nicht bedingt aus der Sicherungsverwahrung zu entlassen, gefasst. Dies ergibt sich aus dem Beschlussrubrum und dem Anhörungsvermerk vom 28.04.2023.
Dass die Richterin am Landgericht C den vollständig mit Gründen versehenen Beschluss urlaubsbedingt nicht selbst unterzeichnet hat, ist unschädlich.
In der obergerichtlichen Rechtsprechung wird zwar vertreten, dass das Verfahren nach § 454 StPO grundsätzlich schriftlich sei und deswegen Entscheidungen darin auch schriftlich ergingen. Es sei möglich, dass der Anhörungstermin, die Beschlussfassung als solche und die Formulieru...