Verfahrensgang
AG Bielefeld (Entscheidung vom 02.06.2016; Aktenzeichen 37 Cs 402 Js 84/16 (383/16)) |
Tenor
Das Urteil des Amtsgerichts Bielefeld vom 02.06.2016 wird mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Bielefeld zurückverwiesen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Bielefeld hat die Angeklagte mit dem angefochtenen Urteil vom 02.06.2016 wegen fahrlässigen Zulassens des Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu je 10,-- Euro verurteilt.
Gegen das in Anwesenheit der Angeklagten verkündete und auf Anordnung der Vorsitzenden vom 10.06.2016 ihr am 16.06.2016 zugestellte Urteil hat die Angeklagte mit am 06.06.2016 bei dem Amtsgericht Bielefeld eingegangenen Telefax-Schreiben ihres Verteidigers vom selben Tage Rechtsmittel eingelegt. Das Rechtsmittel hat die Angeklagte mit am 11.07.2016 bei dem Amtsgericht Bielefeld eingegangenen Telefax-Schreiben ihres Verteidigers vom selben Tage als (Sprung-) Revision bezeichnet und diese mit der näher ausgeführten Rüge der Verletzung des sachlichen Rechts begründet.
II.
Die rechtzeitig eingelegte und form- und fristgerecht begründete Revision der Angeklagten ist zulässig und hat auch in der Sache - zumindest vorläufig - Erfolg.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Zuschrift vom 29.07.2016 folgendes ausgeführt:
"Die rechtzeitig eingelegte und form- und fristgerecht begründete Revision ist zulässig. In der Sache ist ihr ein - zumindest vorläufiger - Erfolg nicht zu versagen.
Der Schuldspruch hält der auf die Sachrüge vorzunehmenden rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Die Feststellungen in dem angefochtenen Urteil tragen die Verurteilung wegen fahrlässigen Zulassens des Fahrens ohne Fahrerlaubnis (§ 21 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 1 StVG) nicht. Hiernach macht sich strafbar, wer als Halter eines Kraftfahrzeugs fahrlässig anordnet oder zulässt, dass jemand das Fahrzeug führt, der die dazu erforderliche Fahrerlaubnis nicht hat oder dem das Führen des Fahr
zeugs nach § 44 des StGB oder nach § 25 StVG verboten ist. Allein der Umstand, dass die Angeklagte als Halterin eines Kraftfahrzeugs den Zündschlüssel für das Fahrzeug in einer Geldkassette aufbewahrt hat, auf die auch ihr Lebensgefährte Zugriff hatte, obwohl sie wusste, dass dieser im Jahr 2012 ohne Fahrerlaubnis ein Fahrzeug geführt hatte, rechtfertigt die Annahme fahrlässigen Verhaltens nicht.
Zwar ist es mit Blick auf die erhebliche Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit durch Fahrzeugführer ohne Fahrerlaubnis gerechtfertigt, dem Halter eines Fahrzeugs eine besondere Obhut für sein Fahrzeug aufzuerlegen und von ihm zu fordern, dass er alle ihm zumutbaren Maßnahmen ergreift, um eine unbefugte Nutzung zu verhindern: Der Fahrzeughalter hat die Zündschlüssel grundsätzlich, nötigenfalls auch die Schlüssel zur Garage, so sicher aufzubewahren, dass sie nicht Personen zugänglich sind, von denen er weiß oder wissen muss, dass ihnen die zur Führung des Fahrzeugs erforderliche Eignung und Reife fehlt. Handelt es sich dabei jedoch - wie im vorliegenden Fall - um Familienangehörige, dürfen die Anforderungen aber nicht überspannt werden: Eine den Zugriff von Familienangehörigen, die mit dem Kraftfahrzeughalter in derselben Wohnung wohnen, ausschließende, sichere Verwahrung der Fahrzeugschlüssel ist nur dann zu fordern, wenn in deren Person Umstände vorliegen, die (konkret) befürchten lassen, diese werden - ohne Erlaubnis oder sogar gegen den Willen des Fahrzeughalters - das Fahrzeug in Betrieb nehmen (zu vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 13.02.1984 - 1 U 83/83 -, zitiert nach beck-online; BayObLG, Urteil vom 15.10.1982 - 1 St 257/82 -, zitiert nach Janiszewski in NStZ 1983, Seite 108 - 112 (110); König in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 41. Aufl., zu § 21 StVG, Rn. 18). Gemessen an diesen Anforderungen tragen die tatrichterlichen Feststellungen den Fahrlässigkeitsvorwurf nicht. Denn konkrete, für die Angeklagte ersichtliche Anhaltspunkte dafür, dass der gesondert Verfolgte L die Zündschlüssel an sich nehmen und das Fahrzeug ohne Fahrerlaubnis führen werde, hat das Amtsgericht nicht festgestellt. Allein deswegen, weil es im Jahr 2012 zu einem - vom Tatgericht nicht näher ausgeführten - "gleichgelagerten Vorfall" gekommen ist, musste die Angeklagte Ende 2015 nicht (mehr) befürchten, ihr Lebensgefährte werde die Zündschlüssel ohne ihren Willen an sich nehmen und gegen ihren Willen das Fahrzeug führen.
Das angefochtene Urteil ist daher aufzuheben und gemäß § 354 Abs. 2 Satz 1 StPO an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Bielefeld zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen. Die Freisprechung der Angeklagten durch das Revisionsgericht (§ 354 Abs. 1 StPO) kommt nicht in Betracht, da nicht auszuschließen ist, dass eine neue Hauptverhandlung - etwa durch Vernehmung des Zeugen L - noch Aufschlüsse zu erbringen vermag."
Diesen zutreffenden Ausführungen schließt si...