Leitsatz (amtlich)
Zu den Voraussetzungen eines Fahrverbots, wenn seit der Tat mehr als zwei Jahre vergangen sind.
Verfahrensgang
AG Minden (Aktenzeichen 15 OWi 836/07) |
Tenor
Das angefochtene Urteil wird mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit darin ein Fahrverbot angeordnet worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens, an das Amtsgericht Minden zurückverwiesen.
Die weitergehende Rechtsbeschwerde wird verworfen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen fahrlässiger Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit zu einer Geldbuße von 100 Euro verurteilt und gegen ihn ein Fahrverbot von einem Monat angeordnet. Nach den amtsgerichtlichen Feststellungen befuhr der Betroffene am 04.02.2007 die BAB# bei Kilometer 286,070 in Fahrtrichtung E mit einem PKW mit einer Geschwindigkeit von 146 km/h. Die zulässige Höchstgeschwindigkeit an dieser Stelle beträgt 120 km/h.
Das Fahrverbot gegen den vor der Tat vielfach, nach der Tat jedoch - ausweislich der tatrichterlichen Feststellungen - nicht mehr straßenverkehrsrechtlich in Erscheinung getretenen Betroffenen, der sich in der Hauptverhandlung nicht zur Sache eingelassen hat, stützt das Amtsgericht auf § 4 Abs. 2 S. 2 BKatV.
Gegen das Urteil wendet sich der Betroffene mit der Rechtsbeschwerde und rügt die Verletzung materiellen Rechts.
II.
Die statthafte und zulässige Rechtsbeschwerde hat teilweise Erfolg.
1.
Soweit gegen den Betroffenen ein Fahrverbot verhängt worden ist, war das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das Amtsgericht zurückzuverweisen (§ 79 Abs. 6, 2. Alt. OWiG).
Das Fahrverbot verliert seinen Sinn als Denkzettel- und Besinnungsmaßnahme, wenn die zu ahndende Tat mehr als zwei Jahre zurückliegt, die für die lange Verfahrensdauer maßgeblichen Umstände nicht vom Betroffenen verursacht worden sind und er sich seitdem verkehrsgerecht verhalten hat (KG Berlin DAR 2007, 711; OLG Hamm NZV 2007, 635). Bei der Prüfung des Zeitablaufs durch das Rechtsbeschwerdegericht ist der Zeitraum zwischen Tat und der Entscheidung des Oberlandesgerichts maßgeblich (KG Berlin VRS 113, 69).
Seit der Tat sind inzwischen (geringfügig) mehr als zwei Jahre verstrichen. Auch wenn es sich hierbei um keine starre Grenze handelt (vgl.: OLG Hamm Beschl. v. 21.12.2007 - 3 SsOWi 315/07 - juris), könnte der Umstand, dass (angesichts fehlender weiterer festgestellter Verkehrsverstöße) das in der letzten Vorverurteilung verhängte Fahrverbot den Betroffenen möglicherweise zur Besinnung gebracht hat, grundsätzlich dafür sprechen, das Fahrverbot entfallen zu lassen.
An einer eigenen Sachentscheidung nach § 79 Abs. 6 1. Alt. OWiG im Sinne eines Entfallenlassens des Fahrverbots sieht sich der Senat jedoch gehindert, da insoweit (was Voraussetzung hierfür wäre) der Sachverhalt nicht hinreichend aufgeklärt ist. Insoweit ist das Urteil lückenhaft, da die Feststellungen zu Einträgen im Verkehrszentralregister auf dem verlesenen Auszug vom 20.02.2008 beruhen, welcher zum Zeitpunkt der Verhandlung also bereits rund acht Monate alt war, so dass ungeklärt bleibt, ob in dem Zeitraum zwischen Februar 2008 und der Hauptverhandlung weitere Taten begangen wurden.
Insbesondere aber lässt sich dem angefochtenen Urteil nicht entnehmen, worauf der lange Zeitablauf seit der Tat zurückzuführen ist, vor allem, ob dieser vom Betroffenen verursacht ist. Angesichts des eingeholten anthropologischen Sachverständigengutachtens im Hinblick auf die Fahrereigenschaft des Betroffenen bzw. eine alternative Fahrereigenschaft seines Bruders liegt es nahe, dass der lange Zeitablauf auf der Ermittlung des Fahrers anhand des Radarfotos beruht. In diesem Zusammenhang weist der Senat auf Folgendes hin: Sollte der lange Zeitraum nur insoweit von dem Betroffenen verursacht sein, dass er sich nicht zur Sache eingelassen oder seine Fahrereigenschaft lediglich bestritten hat, so wäre dies kein Umstand, der das Amtsgericht daran hindern würde, das Fahrverbot ggf. entfallen zu lassen. Hierbei würde es sich lediglich um zulässiges Verteidigungsverhalten handeln, woraus dem Betroffenen keine Nachteile erwachsen dürfen. Beruht der lange Zeitraum aber z. B. darauf, dass zusätzliche Ermittlungen erforderlich wurden, weil der Betroffene irgendwann im Verlaufe des Verfahrens (wahrheitswidrig) den Tatverdacht auf eine andere Person gelenkt hat, so würde dies ein dem Betroffenen zuzurechnender Verzögerungsumstand sein (ggf. sogar unter Erfüllung des Straftatbestandes des § 164 StGB), der dann auch ein Fahrverbot noch nach Ablauf von zwei Jahren seit der Tat rechtfertigen könnte.
Der Senat weist ergänzend darauf hin, dass - sollte der neue Tatrichter ein Fahrverbot wegen Überschreitung der Zweijahresfrist nicht mehr verhängen - eine gleichzeitige Erhöhung der Geldbuße nicht in Betracht kommt (OLG Hamm a.a.O.).
2.
Im übrigen ist die Rechtsbeschwerde offensichtlich unbegründet i.S.v. § 79 Abs. 3 OWiG i.V.m. § 349 Abs. 2 StPO.
a) Der Senat verweist inso...