Leitsatz (amtlich)
1. Hat der Hofeigentümer Vor- und Nacherbfolge angeordnet, kommt es für die Frage der Wirtschaftsfähigkeit des Hofnacherben auf den Zeitpunkt des Nacherbfalls an.
2. An die Wirtschaftsfähigkeit ist unter Berücksichtigung des Zwecks des Landwirtschaftserbrechts der Höfeordnung ein strenger, objektiver Maßstab anzulegen. Dies gilt insbesondere, wenn Angehörige derselben Hoferbenordnung um die Hoferbfolge streiten und darunter eindeutig wirtschaftsfähige Personen vorhanden sind.
3. Die Feststellungen zu der Wirtschaftsfähigkeit hat das Landwirtschaftsgericht im Rahmen der Amtsermittlung zu treffen, wobei es über den Umfang der anzustellenden Ermittlungen und der zu erhebenden Beweise nach freiem Ermessen entscheidet.
4. Es muss der richterlichen Würdigung und Überzeugungsbildung vorbehalten bleiben, inwieweit das Ergebnis der Prüffung der Wirtschaftsfähigkeit im Anhörungstermin tragfähige Rückschlüsse auf die Kenntnisse und Fähigkeiten eines Antragstellers bereits im chronologisch deutlich früheren Zeitpunkt des Erbfalls zulässt.
5. Es ist nicht zu beanstanden, dass der Vertreter der Landwirtschaftskammer sich bei seiner Befragung an einem von ihm zuvor individuell für den verfahrensgegenständlichen Hof erarbeiteten Fragebogen orientiert. Die gestellten Fragen und die gegebenen Antworten sind ausreichend zu protokollieren.
Normenkette
HöfeO §§ 5-6
Verfahrensgang
AG Warendorf (Aktenzeichen 33 Lw 83/19) |
Tenor
Die Beschwerde des Beteiligten zu 1. gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Landwirtschaftsgericht - Warendorf vom 27.10.2021 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Auslagen der Beteiligten trägt der Beteiligte zu 1. als Beschwerdeführer.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 36.608,48 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Beteiligten streiten um die Erteilung eines Hoffolgezeugnisses betreffend die Hoferbfolge an dem Hof R., eingetragen im Grundbuch von Warendorf, Blatt #, Amtsgericht Warendorf.
Ursprünglicher Eigentümer des verfahrensgegenständlichen Hofes war der am 00.00.1907 geborene und am 00.00.1963 im Alter von 55 Jahren verstorbene Landwirt S. R. (Erblasser). Bis zu seinem Tod bewirtschaftete der Erblasser 8 ha Eigenland und 4-5 ha zugepachtetes Weide- und Ackerland. Er hielt Rinder und Milchvieh, einige Sauen und Ferkel, Hühner und Pferde. Die Ackerflächen wurden mit Getreide, Runkeln und Kartoffeln bestellt. Die Grünlandflächen dienten als Futtergrundlage (Weide, Heu, Silage). Das notwendige Inventar war vorhanden. Im Zeitpunkt des Todes des Erblassers war im Grundbuch für den vorgenannten Besitz ein Hofvermerk eingetragen. Der Einheitswert des Hofes betrug 17.900,00 DM zum Stichtag am 01.01.1976 (Bl. 50 GA I).
Der Erblasser heiratete am 30.05.1963 O. Z.. Am 06.10.1963 errichteten die beiden Eheleute ein gemeinschaftliches Testament. Danach setzten sie sich gegenseitig zu Alleinerben und den Beteiligten zu 1., einen Neffen des Erblassers, als Schlusserben ein.
Der Erblasser hinterließ keine Abkömmlinge. Er hatte drei Geschwister, die am 20.07.1910 geborene W. V., die am 05.05.1913 geborene F. J. und den am 08.07.1920 geborenen A. R..
Bei den Beteiligten zu 1.- 8. handelt es sich um die Kinder der vorgenannten Geschwister des Erblassers.
Der am 00.00.1947 geborene Beteiligte zu 2. ist das jüngste von zwei Kindern der W. V., der ältesten Schwester des Erblassers. Seine ältere Schwester ist die am 00.00.1941 geborene Beteiligte zu 3. Sie hat ihrerseits zwei Kinder, die Beteiligten zu 11. und 12.
Der am 00.00.1950 geborene Beteiligte zu 1. ist das zweitälteste von vier Kindern der F. J., der zweitältesten Schwester des Erblassers.
Am 10.06.1965 erteilte das Amtsgericht Warendorf ein Hoffolgezeugnis an O. R., die Witwe des Erblassers. Am 10.08.1965 wurde sie als neue Hofeigentümerin im Grundbuch eingetragen.
O. R. heiratete am 08.08.1973 den Landwirt Q. Y.. Auch diese Ehe blieb kinderlos. O. Y. (verwitwete R.) erklärte mit notarieller Urkunde die Anfechtung des gemeinschaftlichen Testaments vom 06.10.1963. Daraufhin wurden sie und ihr zweiter Ehemann Q. Y. am 27.09.1973 als Miteigentümer des verfahrensgegenständlichen Hofes in H. in das Grundbuch eingetragen.
Auf Antrag des Beteiligten zu 1. erging am 14.12.1973 folgender Beschluss des Landwirtschaftsgerichts Warendorf (Bl. 89-96 GA I):
"Es wird festgestellt: Hofvorerbin des im Grundbuch von Warendorf Bl. 0# verzeichneten Hofes ist mit dem Tode des (...) Bauern S. (D.) R. dessen Ehefrau, die jetzige Frau O. Y., verw. R. geb. Z. (...) geworden. Die Nacherbfolge tritt mit ihrem Tod ein. Weiterer Hoferbe wird die sich aus § 6 Abs. 2 S. 3 HöfeO ergebende Person".
Die "sich aus § 6 Abs. 2 S. 3 HöfeO ergebende Person" war gemäß § 6 Abs. 2 Satz 3 HöfeO in der bis zum 30.06.1976 geltenden Fassung derjenige, der als Hoferbe im Zeitpunkt des Nacherbfalls berufen wäre, wenn der Erblasser erst in diesem Zeitpunkt gestorben wäre. Das Landwirtschaftsgericht ...