Leitsatz (amtlich)
1. Zur Verwertbarkeit von Eintragungen im Verkehrszentralregister (hier: 5-Jahres-Frist nach § 29 Abs. 8 Satz 2 StVG).
2. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats sind bei der Verhängung der Regelgeldbußen nach der BKatV - unabhängig von der Bußgeldhöhe im Einzelfall - grundsätzlich keine näheren Ausführungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des Betroffenen in den Urteilsgründen erforderlich. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz besteht nur dann, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die wirtschaftlichen Verhältnisse außergewöhnlich gut oder schlecht sind.
3. Zum Bestehen von Anhaltspunkten für möglicherweise außergewöhnlich schlechte wirtschaftliche Verhältnisse im Einzelfall.
Verfahrensgang
AG Bielefeld (Aktenzeichen 35 Cs 1338/11) |
Tenor
Das angefochtene Urteil wird im Rechtsfolgenausspruch mit den dazu getroffenen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Bielefeld - Strafrichter - zurückverwiesen.
Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht - Strafrichterin - verurteilte den Angeklagten, nachdem es zuvor einem Antrag der Staatsanwaltschaft auf Erlass eines Strafbefehles nicht entsprochen und stattdessen eine Hauptverhandlung anberaumt hatte, wegen fahrlässigen Führens eines Kraftfahrzeuges mit einer Blutalkoholkonzentration von 0,5___AMPX_‰_SEMIKOLONX___X oder mehr (Ordnungswidrigkeit nach § 24a Abs. 1 und 3 StVG) zu einer Geldbuße von 1.000 € und ordnete ein Fahrverbot für die Dauer von drei Monaten an.
Seiner Rechtsfolgenentscheidung legte das Amtsgericht die Regelung in Nr. 241.1 des Bußgeldkataloges zur BKatV zugrunde, die für eine fahrlässige Zuwiderhandlung gegen § 24a Abs. 1 StVG für den Fall, dass bereits eine Entscheidung nach § 316 StGB im Verkehrszentralregister eingetragen ist, eine Regelgeldbuße von 1.000 € sowie ein Regelfahrverbot von drei Monaten vorsieht. Nach den Feststellungen des Amtsgerichts ist im Verkehrszentralregister hinsichtlich des Angeklagten “u.a.„ ein am 21. August 2002 ergangenes und noch am gleichen Tage rechtskräftig gewordenes Urteil des Amtsgerichts Essen eingetragen, mit dem gegen den Angeklagten wegen fahrlässiger Trunkenheit im Straßenverkehr und wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte ein Freizeitarrest verhängt worden war.
Mit seiner (Sprung-)Revision rügt der Angeklagte die Verletzung materiellen Rechts.
II.
Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen (vorläufigen) Teilerfolg.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Antragsschrift vom 20. April 2012 Folgendes ausgeführt:
“Die auf die Sachrüge hin gebotene Nachprüfung des angefochtenen Urteils in materiell-rechtlicher Hinsicht deckt Rechtsfehler im Schuldspruch des Angeklagten nicht auf. Die Feststellungen des Amtsgerichts Bielefeld tragen den Schuldspruch wegen einer Ordnungswidrigkeit des fahrlässigen Verstoßes gegen die 0,5___AMPX_‰_SEMIKOLONX___X-Grenze gemäß § 24a Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 StVG.
Der Rechtsfolgenausspruch kann jedoch keinen Bestand haben. Der Angeklagte rügt zu Recht, dass das Amtsgericht Bielefeld bei der Bemessung der Rechtsfolgen das Urteil des Amtsgerichts Essen vom 21.08.2002, rechtskräftig seit demselben Tage, als vorwerfbare Voreintragung zugrunde gelegt und damit gegen das Verwertungsverbot des § 29 Abs. 8 Satz 2 StVG verstoßen hat. Nach dieser Vorschrift dürfen Eintragungen gerichtlicher Entscheidungen im Verkehrszentralregister, die einer zehnjährigen Tilgungsfrist unterliegen, nach Ablauf eines Zeitraums, der einer fünfjährigen Tilgungsfrist nach den Vorschriften des § 29 StVG entspricht, nur noch für ein Verfahren verwertet werden, das die Erteilung oder Entziehung einer Fahrerlaubnis zum Gegenstand hat. Zwar unterlag das Urteil des Amtsgerichts Essen vom 21.08.2002 gemäß § 29 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 i.V.m. Nr. 2a StVG einer zehnjährigen Tilgungsfrist, weil es sich insoweit um eine Entscheidung wegen einer Straftat gemäß § 316 Abs. 2 StGB handelte. Nach der Regelung des § 29 Abs. 8 Satz 2 StVG durfte diese Eintragung indes nach Ablauf einer fünfjährigen Tilgungsfrist nur noch für ein Verfahren verwertet werden, das die Erteilung oder Entziehung einer Fahrerlaubnis zum Gegenstand hat. Dies ist bei dem vorliegenden Verfahren, das die Ahndung einer Verkehrsordnungswidrigkeit zum Gegenstand hat, nicht der Fall. Die hiernach maßgebende fünfjährige Tilgungsfrist, die gemäß § 29 Abs. 4 Nr. 1 StVG mit der Verkündung des Urteils am 21.08.2002 begann, war zum Zeitpunkt des Urteils in vorliegender Sache aber bereits abgelaufen. Für einen späteren Fristbeginn gemäß § 29 Abs. 5 StVG ist nichts ersichtlich. Weitere Entscheidungen, die zur Annahme einer Ablaufhemmung im Sinne des § 29 Abs. 6 Satz 1 StVG hätten führen können, hat das Amtsgericht nicht festgestellt. Die mitgeteilte weitere strafrechtliche Verurteilung vom 12.07.2011 wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubung...