Leitsatz (amtlich)
1. Beschlussmängel der Mitgliederversammlung eines Vereins sind im Wege der allgemeinen Feststellungsklage geltend zu machen. Das aus der Mitgliedschaft folgende Feststellungsinteresse entfällt nicht schon durch den nicht näher konkretisierten Vortrag des beklagten Vereins, das klagende Mitglied sei infolge nicht fristgerechter Zahlung von Mitgliedsbeiträgen ausgeschieden.
2. Die Feststellungsklage zur Geltendmachung der Nichtigkeit eines Vereinsbeschlusses ist nicht fristgebunden, das Klagerecht kann aber verwirkt sein, wenn es über einen längeren Zeitraum nicht ausgeübt wird. Dieser Fall liegt nicht schon dann vor, wenn ein Vereinsmitglied nach einer mehrere Tage dauernden Mitgliederversammlung mit umfangreicher Tagesordnung zunächst die Veröffentlichung des Versammlungsprotokolls abwartet.
3. Die Beweislast für die formelle und materielle Wirksamkeit von Beschlüssen der Mitgliederversammlung eines Vereins liegt beim Verein; das klagende Mitglied hat allerdings konkret die Umstände zu benennen, die zur Nichtigkeit geführt haben können.
4. Zur ausreichenden Bestimmtheit von Beschlüssen der Mitgliederversammlung und deren hinreichender Ankündigung.
5. Verfahrensfehler betreffend die äußeren Verhältnisse des Versammlungsortes (hier: unzumutbare Temperaturen) können nicht mehr geltend gemacht werden, wenn diese nicht unmittelbar deutlich gerügt worden sind und das Mitglied sich ohne weiteren Protest an den Abstimmungen beteiligt hat.
6. Zur Auslegung der Vereinssatzung, die objektiv vorzunehmen ist, kann im Einzelfall auch eine ständige Übung im Verein, die sich in Beschlüssen der Mitgliederversammlung manifestieren kann, herangezogen werden.
7. Zur Abgrenzung einer "echten" Mitgliedschaft auf Probe von einer Probezeit als Voraussetzung für den Erwerb der Mitgliedschaft.
Normenkette
BGB §§ 32, 242; ZPO § 51 Abs. 1, § 138 Abs. 4, § 256
Verfahrensgang
LG Essen (Aktenzeichen 9 O 188/19) |
Tenor
Auf die Berufung der Kläger wird das am 01.04.2020 verkündete Urteil des Landgerichts Essen teilweise abgeändert.
Es wird festgestellt, dass der in der ordentlichen Generalversammlung des Beklagten vom 28. bis 30.06.2019 unter dem Tagesordnungspunkt 20.2.1 gefasste Beschluss mit dem Inhalt "Mitglieder dürfen nicht gleichzeitig für die IJK und für die PQR tätig sein" nichtig ist.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Die Parteien streiten über die Wirksamkeit von Wahlen und Beschlussfassungen auf der ordentlichen Generalversammlung des Beklagten.
Der Beklagte ist ein 1988 gegründeter und weltweit tätiger (Dach-)Verband mit Sitz in F, dessen Zweck es ist, Vereine und Verbände, die sich für Haltung oder Zucht von Wild-, Haus- oder Rassekatzen interessieren, unabhängig von ihrer Nationalität zu vereinigen (Artikel 3 der Satzung). Wegen der weiteren Einzelheiten der Satzung ("Statuten") des Beklagten (Stand 01.04.2017) wird Bezug genommen auf die Anlage K1.
Die Kläger sind aus Katzenliebhabern bestehende Vereine zur Förderung der Katzenzucht und des Rassenerhalts. Sie sind Vollmitglieder des Beklagten und nahmen an der Generalversammlung teil, die Kläger zu 2) und 3) durch ihre Präsidentinnen und der Kläger zu 1) durch seinen Delegierten Herrn W.
Die Generalversammlung des Beklagten fand in der Zeit vom 28.06.2019 bis zum 30.06.2019 im Tagungshaus des Clubs in F statt. Das Protokoll der Generalversammlung (Anlage K4) wurde den Mitgliedern am 07.09.2019 über eine Veröffentlichung auf der Homepage des Beklagten zugänglich gemacht.
Mit Klageschriften vom 10.09.2019 und vom 12.09.2019, per Telefax eingegangen jeweils am selben Tag und zugestellt am 01.10.2019, haben die Kläger alle in der Generalversammlung gefassten Beschlüsse und Wahlen als nichtig angegriffen. Sie haben behauptet, der Versammlungsort sei angesichts der Temperaturverhältnisse ungeeignet gewesen. Die Versammlung sei nicht abstimmungsfähig gewesen, da bei 280 Mitgliedern nicht die Mindestteilnehmerzahl erreicht gewesen sei und einzelne Teilnehmer unberechtigt mit Stimm- und Rederechten ausgestattet worden seien. Die Abstimmungen und Wahlen seien nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden, da die Ein- und Ausgänge nicht ausreichend kontrolliert worden seien und die satzungsmäßigen Vorgaben bei der Zählung und der Auswertung der Stimmen nicht beachtet worden seien. Der Tagesordnungspunkt 20.2.1 sei nicht ordnungsgemäß angekündigt worden. Zudem verstoße der gefasste Beschluss "Mitglieder dürfen nicht gleichzeitig für die IJK und die PQR tätig sein" gegen die satzungsmäßig gesicherte Eigenständigkeit der Mitglieder und sei nicht hinreichend bestimmt.
Die Kläger haben beantragt,
festzustellen, dass alle in der ordentlichen Generalversammlung des Beklagten am 28., 29. und 30.06.2019 gefassten Beschlüsse und Wahlen nichtig, hilfsweise unwirksam seien.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hat die Ansicht vertreten, die Klage sei bereits unzulässig, d...