Leitsatz (amtlich)
1. Streiten die Parteien darüber, ob der zum Vertragsschluss führende Zugang des Versicherungsscheins erst im Jahr 2008 erfolgt ist, so dass der im Jahr 2012 erklärte Widerruf gem. § 8 Abs. 2 VVG mangels ausreichender Belehrung wirksam gewesen wäre, so trifft den Versicherungsnehmer für diese ihn günstige Tatsache die Beweislast.
2. Zur Feststellung des Zeitpunktes des Zuganges einer einfachen Briefsendung.
Verfahrensgang
LG Arnsberg (Urteil vom 20.03.2013; Aktenzeichen I-4 O 192/12) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 20.3.2013 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des LG Arnsberg, Az. I-4 O 192/12, unter Zurückweisung der Anschlussberufung des Klägers abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe
I. Der Kläger begehrt die Rückabwicklung von Versicherungsverträgen, wobei er sich erstinstanzlich auch auf eine Anfechtung der Verträge gestützt hat. Nachdem das LG insoweit nach Beweisaufnahme festgestellt hat, dass der Kläger eine arglistige Täuschung nicht bewiesen habe, streiten die Parteien im Berufungsverfahren noch über die Frage, ob der Lauf der Widerrufsfrist in Gang gesetzt und der unter dem 3.2.2012 erklärte Widerruf der Versicherungsverträge durch den Kläger rechtzeitig erfolgt ist.
Der Kläger unterzeichnete am 3.12.2007 einen "Versicherungsantrag gerichtet auf eine "R+V-Rentenversicherung (Basisversorgung)" und eine "R+V-Risikoversicherung mit Nachversicherungsrecht" (Bl. 9 GA), wobei als Versicherungsvertreter ein Herr Kerling tätig gewesen ist und für den Kläger auch sein damaliger kaufmännischer Leiter, der Zeuge Schulte, gehandelt hat.
Die Beklagte erstellte den Versicherungsschein und die dazugehörigen Versicherungsunterlagen unter dem 12.12.2007. Der entsprechende Druckjob vom 12.12.2007 wurde am Freitag, dem 14.12.2007, zur Post gegeben. Der Beklagte erhielt Versicherungsunterlagen, es ist jedoch streitig, ob er die Unterlagen noch im Jahr 2007 vollständig erhalten hat.
Am 18.12.2007 buchte die Beklagte den in der Rentenversicherung zu zahlenden Jahresbeitrag von 20.000EUR vom Konto des Klägers ab.
Nachdem der Kläger sich im Jahr 2011 an einen Versicherungsmakler gewandt hatte, erklärte dieser mit Schreiben vom 15.11.2011 (Bl. 11 GA) die Anfechtung der Verträge. Wegen der Einzelheiten hierzu und zum Sach- und Streitstand wird auf die angefochtene Entscheidung Bezug genommen.
Mit Schreiben vom 3.2.2012 (Bl. 13 f. GA) widerrief der Verfahrensbevollmächtigte des Klägers beide Versicherungsverträge. Die Beklagte lehnte mit Schreiben vom 14.3.2012 eine Rückabwicklung der Versicherungsverträge ab.
Der Kläger hat den Zugang der vollständigen Vertragsunterlagen noch im Jahr 2007 bestritten.
Der Kläger hat erstinstanzlich zuletzt beantragt,
1. festzustellen, dass die Rentenversicherung mit der Vertragsnummer 70553939984 und die Risikolebensversicherung mit der Vertragsnummer 70553940001 rückabzuwickeln sind;
2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn außergerichtliche Rechtsanwaltskosten i.H.v. 3.375,19EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;
3. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, auf die durch den Kläger einzuzahlenden Gerichtskosten Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem Zeitpunkt der Einzahlung der Gerichtskosten bis zum Tag des Einganges des Kostenfestsetzungsantrages nach Maßgabe der ausgeurteilten Kostenquote zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie hat die Rechtsmeinung vertreten, der Kläger sei beweisbelastet für den für ihn günstigen Umstand, dass er die Versicherungsunterlagen erst im Jahr 2008 erhalten habe. Aufgrund der Versendung am 14.12.2007 sei davon auszugehen, dass die Unterlagen dem Kläger noch im Jahr 2007 zugegangen seien.
Das LG hat auf Antrag der Beklagten Beweis erhoben durch Vernehmung des Klägers als Partei. Zudem hat das LG den Zeugen Schulte gehört. Daraufhin hat das LG festgestellt, dass die genannte Rentenversicherung und die Risikolebensversicherung rückabzuwickeln seien und die Klage im Übrigen abgewiesen. Der Feststellungsantrag zu 1.) sei zulässig, weil zu erwarten sei, dass die Beklagte als große Versicherungsgesellschaft auf das Urteil hin leisten werde. Der Feststellungsantrag zu 3) sei mangels Feststellungsinteresses unzulässig.
In der Sache seien die Versicherungsverträge zwar nicht wirksam wegen arglistiger Täuschung angefochten worden, weil der Kläger eine arglistige Täuschung nicht bewiesen habe. Der Kläger habe jedoch beide Versicherungsverträge mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 3.2.2012 wirksam widerrufen. Es könne nicht festgestellt werden, dass es sich um Altvertr...