Leitsatz (amtlich)
1. Eine Klage wird nicht dadurch unzulässig, dass in der Klageschrift fälschlicherweise nicht der richtige Vorstand aufgeführt wird, sofern die Identität der Partei gewahrt bleibt und keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, dass die Klage nicht im Einverständnis des eigentlich vertretungsbefugten Organ, dem Vorstand der Klägerin, erhoben worden ist. Dieser Grundsatz gilt nicht für unzutreffende Vertretungsangaben auf Beklagtenseite.
2. Die ergänzende Testamentsauslegung kann im Einzelfall ergeben, dass bei Veräußerung des vermachten Gegenstandes an dessen Stelle als Surrogat die Kaufpreiszahlung tritt.
3. Die gesetzliche Auslegungsregel des § 2169 Abs. 3 BGB kommt nach seinem Wortlaut nur für den Fall des Untergangs oder der Entziehung des vermachten Gegenstandes in Betracht, nicht jedoch bei dessen Veräußerung.
Normenkette
BGB §§ 2147, 2169, 2174
Verfahrensgang
LG Bielefeld (Aktenzeichen 19 O 414/21) |
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil der 19. Zivilkammer des Landgerichts Bielefeld vom 19.01.2023 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist ebenso wie die angegriffene Entscheidung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Zwangsvollstreckung der Klägerin abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages, sofern nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit leistet in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin, eine Stiftung mit dem Zweck der Bekämpfung von ***erkrankungen, macht einen Vermächtnisanspruch aus einem handschriftlichen Testament geltend, nachdem I. Q., der Vater des Beklagten, am 00.00.2018 im Alter von 95 Jahren in U. verstarb. Die Ehefrau des Erblassers und Mutter des Beklagten, W. Q. geborene K., ist bereits im am 00.00.1989 vorverstorben.
Am 15. Oktober 2009 verfasste Herr I. Q. ein handschriftliches, als "Testament" überschriebenes, Schriftstück mit dem folgenden Inhalt:
"Ich, I. Q., geb. am 00.00.1923, setze die 'J.hilfe' als Erbe meiner Haushälfte in PLZ L./D. ein."
Zu der Zeit der Testamentserrichtung war die Klägerin als Verein organisiert. Am 15. Dezember 2014 wurde die zur Stiftung umgewandelte Klägerin durch das Ministerium des Innern des Landes Nordrhein-Westfalen zum Aktenzeichen 14/08 als rechtsfähig anerkannt.
Ursprünglich lebte der Erblasser in L. unter D. in der in dem Testament erwähnten Doppelhaushälfte. Dort war er Eigentümer eines 229 m2 großen Grundstücks in der Gemarkung G. Flurstück N01/1, P.-straße #/2, eingetragen in dem bei dem Amtsgericht Böblingen geführten Grundbuch von G. Blatt N02. Die Immobilie P.-straße #/1 (Flurstück N01) steht im Eigentum des Beklagten. Das Gesamtgrundstück P.-straße wird für den familiären Gewerbebetrieb, die E., genutzt. Es ist mit einer Doppelhaushälfte bebaut, wobei die Besonderheit besteht, dass beide Doppelhaushälften - die eine steht im Eigentum des Erblassers, die andere steht im Eigentum des Beklagten - über eine gemeinsame Heizungsanlage und Strom- sowie Wasseranschlüsse verfügen. Auf dem Grundstück befindet sich ein von dem Beklagten betriebenes Gewerbe. Die beiden Flurstücke N01 und N01/1 sind durch eine Baulast verschmolzen, d.h. sie sind aus baurechtlicher Sicht wie ein Grundstück zu behandeln. Das Grundstück des Erblassers ist mit einem im Grundbuch eingetragenen Vorkaufsrecht zu Gunsten des Eigentümers des Flurstücks N01 belastet. Hintergrund ist der seit den 1970er Jahren geltende qualifizierte Bebauungsplan "Gewerbegebiet beim Bahnhof", vor dessen Hintergrund im Jahr 1979 der Bau je einer Wohnung in der P.-straße #/1 sowie #/2 in Verbindung mit der gewerblichen Nutzung des Grundstücks. Aufgrund der Lage im (beschränkten) Gewerbegebiet können dort gemäß § 8 Abs. 3 BauGB nur ausnahmsweise Wohnungen für Aufsichts- und Bereitschaftspersonen sowie für Betriebsinhaber und Betriebsleiter zugelassen werden. Ein Antrag des Beklagten auf Erteilung einer Baugenehmigung für eine weitere Wohnung im Jahr 1999 wurde durch das Bauordnungsamt L. unter D. abgelehnt. Diese ablehnende Entscheidung wurde sodann in einem von dem Beklagten angestrengten verwaltungsgerichtlichen Klageverfahren rechtskräftig bestätigt.
Zum Zeitpunkt der Erstellung des Testaments vom 00.00.2009 verfügte der Erblasser neben dem Eigentum an der im Testament erwähnten Haushälfte über ein Kontoguthaben bei der Volksbank L.-C. eG in Höhe von 28.446,40 EUR sowie über ein Wertdepot mit einem Guthaben in Höhe von 50.495,08 EUR (jedenfalls zum 00.00.2008).
Ungefähr im Jahr 1997 zog der Erblasser zu V. F., seiner neuen Lebensgefährtin, nach U..
Im weiteren Verlauf erkrankte der Erblasser an Demenz, so dass am 3. Dezember 2015 der Berufsbetreuer und Zeuge Y. H. als Betreuer für den Erblasser für die Aufgabenkreise "Aufenthaltsbestimmung, Gesundheitsfürsorge, Regelung des Postverkehrs, Vermögensangelegenheiten" bestellt wurde.
Am 17. Januar 2018 veräußerte der Zeuge Y. H., han...