Leitsatz (amtlich)
Das Fehlen einer außergewöhnlich schwierigen Prozesssituation schließt das Vorliegen eines unverschuldeten Rechts- oder Tatsachenirrtums aus. Zudem sind für einen unverschuldeten Rechts- oder Tatsachenirrtum bei einem Versicherer, dessen Kernaufgabe gerade darin besteht, seine Eintrittspflicht in einem konkreten Schadensfall zu prüfen, und der über speziell dafür aus- und fortgebildetes Personal verfügt, besonders strenge Anforderungen zu stellen.
Normenkette
VGB 88 § 3 Nr. 1a, §§ 2-3; ZPO § 286
Verfahrensgang
LG Dortmund (Urteil vom 14.12.2011; Aktenzeichen 2 O 416/10) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das am 14.12.2011 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des LG Dortmund teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 20.777 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 337 EUR seit dem 1.5.2006 und aus weiteren jeweils 1.460 EUR seit dem 1.6.,1.7., 1.8., 1.9., 1.10., 1.11., 1.12.2006, 1.1.2007, 1.2., 1.3., 1.4., 1.5., 1.6. und 1.7.2007 zu zahlen.
Die Beklagte wird weiter verurteilt, an den Kläger 62.780 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz
aus jeweils 1.460 EUR seit dem 1.8.2007 und monatlich aus weiteren jeweils 1.460 EUR seit dem 1. Kalendertag des jeweiligen Folgemonats, und zwar jeweils monatlich fortlaufend bis zum 1.2.2011, zu zahlen.
Die Beklagte wird darüber hinaus verurteilt, an den Kläger 1.880,20 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 8.1.2011 zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger denjenigen Schaden zu ersetzen, der durch eine erhöhte steuerliche Belastung infolge der Zahlung des Mietausfallschadens in ausgeurteilter Höhe entsteht.
Im Übrigen bleibt die Klage abgewiesen und die weiter gehende Berufung wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen der Kläger zu 36 % und die Beklagte zu 64 %; die Kosten zweiter Instanz tragen der Kläger zu 41 % und die Beklagte zu 59 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beiden Parteien bleibt nachgelassen, die Vollstreckung der jeweils anderen Partei durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die jeweils vollstreckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe
A. Der Kläger verlangt weitere Leistungen aus der mit der Beklagten geschlossenen Wohngebäudeversicherung für sein Anwesen C-Straße in P, in dem sich zwei Wohnungen, ein Wettbüro sowie eine Lagerhalle befanden.
Am 18.1.2006 zeigte der Kläger der Beklagten einen Leitungswasserschaden in dem Hause an. Die beiden Gasthermen, die jeweils getrennt die beiden Wohnungen versorgten, waren außer Funktion. Aufgrund des Frostes kam es - ausgehend von der Dachgeschosswohnung - zum Austritt von Wasser, wobei dies nicht sofort bemerkt wurde, weil der Mieter der Dachgeschosswohnung seit Dezember 2005 aufgrund einer Reise ortsabwesend war.
Mit Schreiben vom 15.2.2006 (Anlage K 2, Kopie Bl. 6) lehnte es die Beklagte unter Berufung auf nicht eingehaltene Sicherheitsvorschriften, Gefahrerhöhung und grob fahrlässige Herbeiführung des Versicherungsfalles ab, Leistungen an den Kläger zu erbringen. Im Verfahren LG Dortmund 2 O 287/06 stellte das LG durch Urteil vom 12.6.2008 dann fest, dass die Beklagte verpflichtet sei, bedingungsgemäßen Versicherungsschutz aus Anlass des am 18.1.2006 festgestellten Leitungswasserschadens zu gewähren. Die dagegen von der Beklagten eingelegte Berufung nahm sie im Senatstermin vom 17.4.2009 zurück (20 U 153/08). Anschließend regulierte die Beklagte den Schaden auf der Grundlage des Gutachtens des Sachverständigen Ruoff vom 3.8.2006 und zahlte am 30.4.2009 an den Kläger 37.357,12 EUR und am 15.6.2009 weitere 16.956,82 EUR. Auf der Grundlage des zur Höhe des Zeitwertschadens im Verfahren LG Dortmund 2 OH 7/09 eingeholten Gutachtens des Sachverständigen Dipl.-Ing. H vom 31.5.2010 und dessen Ergänzung am 21.1.2011 (s. Anlage B 9) erbrachte die Beklagte folgende weitere Leistungen:
- am 3.5.2010: 19.542,23 EUR,
- am 12.7.2010: 26.412,72 EUR,
- am 22.7.2010: 18.625,33 EUR, jeweils als Zeitwertentschädigung, und
- am 18.2.2011 24.405,77 EUR als Neuwertentschädigung einschließlich
5.503 EUR Mietausfallschaden.
Der Kläger hat vorgetragen, dass ihm ein darüber hinausgehender Mietausfallschaden entstanden sei und meint, dass die Beklagte zu dessen Ersatz verpflichtet sei, weil es sich dabei um einen durch die verzögerte Regulierung entstandenen Verzugsschaden handele. Ihm - dem Kläger - sei es nämlich aufgrund der verzögerten Zahlungen der Beklagten nicht möglich gewesen sei, das Gebäude zeitnah wieder vermietungsfähig herstellen zu lassen. Er selbst als auch die von ihm betriebene Firma (die D GmbH) seien in einer schwierigen wirtschaftlichen Lage, so dass es auch nicht möglich gewesen sei, einen Kredit zur Finanzierung des Wiederaufbaus des Hauses aufzunehmen. Ihm...