Leitsatz (amtlich)
Berufssportler verrichten während des Spiels eine betriebliche Tätigkeit auf einer gemeinsamen Betriebsstätte i.S.v. § 106 Abs. 3 SGB VII. Ein Berufssportler haftet deshalb für Personenschäden die er einem anderen Berufssportler während des Spiels zugefügt, nach §§ 106 Abs. 3, 105 Abs. 1 SGB VII nur bei vorsätzlicher Herbeiführung des Versicherungsfalles.
Verfahrensgang
LG Freiburg i. Br. (Urteil vom 14.10.2011; Aktenzeichen 5 O 305/10) |
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Einzelrichters der 5. Zivilkammer des LG Freiburg vom 14.10.2011 - 5 O 305/10 - wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Das Urteil ist - ebenso wie das angefochtene Urteil - vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger fordert Schmerzensgeld wegen Verletzungen, die er sich bei einem Eishockeyspiel der 2. Bundesliga nach Körperkontakt mit dem Beklagten zugezogen hat. Auf die Feststellungen des landgerichtlichen Urteils wird verwiesen.
Das LG hat die Klage abgewiesen. Zivilrechtliche Schadensersatzansprüche seien gem. §§ 106 Abs. 3 Alt. 3, 105 Abs. 1 SGB VII ausgeschlossen. Der Wettkampf im Berufssport stelle eine betriebliche Tätigkeit auf einer gemeinsamen Betriebsstätte im Sinne dieser Vorschriften dar. Deshalb hafte der Beklagte nur bei vorsätzlicher Schädigung. Vorsatz liege jedoch nicht vor. Zwar habe der Beklagte den Kläger regelwidrig von schräg hinten angefahren und in Richtung der Bande gestoßen ("Bandencheck"); es lasse sich jedoch nicht feststellen, dass er seinen Spielgegner ernsthaft körperlich habe verletzen wollen. Anhaltspunkte hierfür ergäben sich weder aus der Videoaufnahme der Spielszene noch aus den Angaben der vernommenen Zeugen (Linien- und Schiedsrichter); vielmehr spreche beides für einen "üblichen" Regelverstoß.
Mit seiner Berufung rügt der Kläger fehlerhafte Feststellungen und Rechtsfehler. Das sozialgesetzliche Haftungsprivileg komme im Wettkampfsport nicht zur Anwendung. Von einer "gemeinsamen Betriebsstätte" könne wegen der objektiven Gegnerschaft der beteiligten Mannschaften nicht die Rede sein. Infolgedessen müsse der Beklagte aus § 823 Abs. 1 BGB für die Folgen seines schweren Regelverstoßes einstehen. Zudem habe der Beklagte seinen Körperangriff auch mit Körperverletzungsvorsatz ausgeführt. Zum Beweis dieser Tatsache hätte das LG die Videoaufnahme von einem Sachverständigen in Einzelbilder auflösen lassen müssen.
Von einer weiteren Darstellung wird abgesehen, §§ 313a Abs. 1, 540 Abs. 2 ZPO.
II. Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das LG hat die Klage aufgrund bindender Feststellungen ohne Rechtsfehler abgewiesen.
Ansprüche aus §§ 823 Abs. 1, 253 Abs. 2 BGB stehen dem Kläger nicht zu. Dabei kommt es nicht darauf an, ob seine Sportverletzung nach allgemeinen Grundsätzen zu einer deliktischen Haftung des Beklagten führen würde (vgl. BGH NJW 2008, 1591). Denn die Haftung ist nach §§ 105 Abs. 1, 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII durch das Haftungsprivileg der gesetzlichen Unfallversicherung beschränkt.
1. Nach § 105 Abs. 1 SGB VII haften Arbeitnehmer, die einen Arbeitskollegen im Betrieb verletzen, nur bei Vorsatz. Hierdurch soll einerseits eine doppelte Inanspruchnahme des Arbeitgebers - durch Finanzierung der gesetzlichen Unfallversicherung und Regressansprüche des Schädigers wegen gefahrgeneigter Arbeit - verhindert werden; andererseits geht es darum, Schadensersatzstreitigkeiten zwischen Betriebsangehörigen zu vermeiden (vgl. Kreikebohm/Spellbrink/Waltermann, Sozialrecht, 2. Aufl. 2011, Rz. 2 zu § 105 SGB VII). Einem vergleichbaren Normzweck dient § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII. Die Vorschrift erstreckt das Haftungsprivileg auf Angehörige verschiedener Betriebe, wenn es auf einer "gemeinsamen Betriebsstätte" zu Personenschäden kommt. Auch hier sollen die beteiligten Arbeitgeber vor dem Regress ihrer Arbeitnehmer geschützt werden; außerdem geht es um die Wahrung des Friedens zwischen Arbeitnehmern kooperierender Betriebe, soweit sie in einer Gefahrengemeinschaft verbunden sind. Der Begriff der gemeinsamen Betriebsstätte orientiert sich an diesem Normzweck und ist tätigkeitsbezogen-funktional zu verstehen. Erforderlich ist weder ein gemeinsamer Zweck der beteiligten Unternehmen noch die Unterhaltung einer Betriebsstätte in gemeinsamer Organisation und Verantwortung. Vielmehr erfasst § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII über die Fälle der Arbeitsgemeinschaft hinaus betriebliche Aktivitäten von Versicherten mehrerer Unternehmen, die bewusst und gewollt bei einzelnen Maßnahmen miteinander verknüpft sind, sich ergänzen oder unterstützen, wobei es ausreicht, dass die gegenseitige Verständigung sillschweigend durch gemeinsames Tun erfolgt (vgl. BGHZ 145, 331; Kreikebohm/Spellbrink/Waltermann, a.a.O., Rz. 10 zu § 106 SGB VII).
2. Nach dieser Maßgabe hat das LG § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII zutreffend angewendet (vgl. Leube, Haftungsbeschränkung bei Arbeitsunfällen im Berufssport, VersR 2008, 880).
a) Die Spielverletzung des Klägers...