Verfahrensgang
LG Aachen (Aktenzeichen 7 O 127/19) |
Tenor
I. Bei vorläufiger Bewertung der Sach- und Rechtslage weist der Senat die Parteien darauf hin, dass die Berufung der Klägerin Erfolg verspricht.
1. Nach Auffassung des Senates hat die Klägerin gegen die Beklagte einen Anspruch aus §§ 826, 31 BGB auf Schadensersatz in Höhe des von ihr aufgewandten Kaufpreises in Höhe von 12.500,- EUR abzüglich des von ihr erzielten Kaufpreises in Höhe von 4.500,- EUR sowie abzüglich einer Nutzungsentschädigung in Höhe von 3.641,10 EUR, denn die Beklagte hat der Klägerin in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise vorsätzlich einen Schaden zugefügt.
a. Soweit das Landgericht die Klage mit der Begründung abgewiesen hat, die Klägerin habe keinen Anspruch auf Schadensersatz in Höhe eines etwaigen Minderwertes des von ihr am 30.03.2012 gebraucht erworbenen Kraftfahrzeuges der Marke A Typ B, denn die bloße Behauptung eines merkantilen Minderwertes reiche für die substantiierte Darlegung des der Klägerin entstandenen Schadens nicht aus, hat das Landgericht den Streitgegenstand verkannt. Schon in der Klageschrift vom 27.12.2018 hat die Klägerin dargelegt, dass sie Schadensersatz nicht etwa wegen eines Minderwertes des von ihr erworbenen Kraftfahrzeuges nach Bekanntwerden des sogenannten "Diesel-Skandals" geltend macht, sondern von der Beklagten Schadensersatz in Höhe des von der Klägerin seinerzeit aufgewandten Kaufpreises geltend macht (Bl. 8 d.A.). Da der Klägerin die Rückgabe des von ihr erworbenen Kraftfahrzeuges nicht mehr möglich ist, lässt sie sich auf diesen Anspruch - neben der Nutzungsentschädigung - den von ihr bei der Weiterveräußerung des Kraftfahrzeuges erzielten Kaufpreis in Höhe von 4.500,- EUR anrechnen. Die Ausführungen der Klägerin zum Wertverlust des Kraftfahrzeuges (Bl. 3 d.A.) dienen insoweit offensichtlich nur der Erläuterung, weshalb die Klägerin bei der Weiterveräußerung keinen höheren Kaufpreis erzielen konnte. Mit Schriftsatz vom 29.01.2019 (Bl. 43 f. d.A.) hat die Klägerin dann auch nochmals klargestellt, dass sie den von ihr aufgewandten Kaufpreis in Höhe von 12.500,- EUR abzüglich des von ihr erzielten Kaufpreises in Höhe von 4.500,- EUR, also einen Betrag in Höhe von 8.000,- EUR als Schaden geltend macht und hiervon noch eine in das Ermessen des Gerichtes gestellte Nutzungsentschädigung von nicht mehr als 3.014,16 EUR in Abzug zu bringen ist.
b. Sittenwidrig ist im Übrigen ein Verhalten, das nach seinem Gesamtcharakter, der durch umfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt (BGH, Urteil vom 09.07.2004 - II ZR 217/03 -, NJW 2004, 2668 ff., Urteil vom 04.06.2013 - VI ZR 288/12 -, NJW-RR 2013, 1448 ff., Urteil vom 15.10.2013 - VI ZR 124/12 -, NJW 2014, 1380 ff., Urteil vom 20.11.2012 - VI ZR 268/11 -, NJW-RR 2013, 550 ff.- Urteil vom 19.11.2013 - VI ZR 336/12 -, NJW 2014, 383 ff.). Dafür genügt es im Allgemeinen nicht, dass der Handelnde vertragliche Pflichten oder das Gesetz verletzt oder bei einem anderen einen Vermögensschaden hervorruft. Vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit seines Verhaltens hinzutreten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zutage tretenden Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben kann (BGH, Urteil vom 19.10.1987 - II ZR 9/87 -, BGHZ 102, 68 ff., Urteil vom 09.07.2004 - II ZR 217/03 -, a.a.O., Urteil vom 15.10.2013 - VI ZR 124/12 -, a.a.O., Urteil vom 19.11.2013 - VI ZR 336/12 -, a.a.O.).
Bei Anlegung dieses Maßstabes fällt der Beklagten ein sittenwidriges Verhalten zurechenbar zur Last, da der von ihr produzierte und vertriebene Personenkraftwagen, den die Klägerin am 30.03.2012 erworben hat, mit einer Software zur Motorsteuerung ausgestattet war, die im Betriebsmodus 1 auf dem Prüfstand zu einer höheren Abgasrückführungsquote als im Betriebsmodus 0 im Straßenverkehr führte und deren Einsatz die Beklagte weder bei Erlangung der Typengenehmigung für das Fahrzeug noch im Rahmen des Vertriebs offengelegt hat. Bereits mit Rücksicht auf die daraus folgende Rechtsunsicherheit für die Typengenehmigung und die Betriebszulassung der entsprechend ausgerüsteten Fahrzeuge ist hierin nämlich ein gravierender Mangel der entsprechend ausgestatteten Fahrzeuge zu sehen, ohne dass es darauf ankommt, ob es sich um eine unzulässige Abschalteinrichtung gerade im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 vom 20.06.2007 über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformationen für Fahrzeuge handelt. Hinzu kommt, dass die Mitarbeiter der Beklagten die mit der manipulativ wirkenden Software ausgerüsteten Motoren des Typs EA 189 den Vertragshändlern der Beklagten gerade zum Zweck der Weiterveräußerung überließen, also damit rechnen mussten und zur Überzeugung des Senats auch tatsächlich damit rechneten, dass die so ausgerüst...