Leitsatz (amtlich)
1. Eine Vereinbarung, in der ein bei Abschluss der Vereinbarung nicht erwerbsfähiger und nicht vermögender Ehegatte auf Unterhalt verzichtet mit der Folge, dass er zwangsläufig auf Sozialhilfeleistung angewiesen ist, verstößt auch dann gegen die guten Sitten und ist nichtig, wenn ihm eine Schädigungsabsicht zu Lasten des Trägers der Sozialhilfe nicht zugrunde liegt.
2. Für einen Verwirkungsgrund nach § 1579 BGB (hier § 1579 Nr. 6 BGB: Ausbruch aus einer intakten Ehe) ist derjenige darlegungs- und beweispflichtig, der sich auf die rechtsvernichtende Einwendung der Verwirkung beruft. Seiner Darlegungslast genügt der Einwendende nicht, wenn er lediglich gewisse Eheverfehlungen des Ehepartners von weniger gravierender Tragweite schildert.
Normenkette
BGB §§ 138, 1579 Nr. 6, § 1585c
Verfahrensgang
AG Brühl (Aktenzeichen 33 F 19/01) |
Tenor
1. Der Antrag des Beklagten, ihm zur Durchführung des Berufungsverfahrens Prozesskostenhilfe zu bewilligen, wird zurückgewiesen.
2. Der Klägerin wird zur Abwehr der gegnerischen Berufung ratenfreie Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin S. in Köln bewilligt.
Gründe
Der Antrag des Beklagten, ihm zur Durchführung des Berufungsverfahrens Prozesskostenhilfe zu bewilligen, war zurückzuweisen, da der Berufung die gem. § 114 ZPO erforderliche hinreichende Erfolgsaussicht fehlt.
Gemäß § 513 Abs. 1 ZPO (in der ab dem 1.1.2002 gültigen Fassung) kann die Berufung nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO) beruht oder nach § 529 ZPO zugrundezulegende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen. Als Berufungsgründe kommen damit in Betracht, dass das FamG entweder den erstinstanzlichen Tatsachenstoff falsch oder unvollständig festgestellt hat und dadurch zu einer falschen Beurteilung der Rechtslage gekommen ist oder dass das FamG den richtig festgestellten Sachverhalt falsch gewertet hat und das angegriffene Urteil damit unter Rechtsfehlern leidet, die zu einer falschen Rechtsanwendung und damit zu einem falschen Urteil geführt haben.
Mit der Berufung rügt der Beklagte zum einen, dass das AG fälschlicherweise von einer Sittenwidrigkeit des Unterhaltsverzichtes, welchen die Klägerin angeblich erklärt hat, ausgegangen sei, und weiter, dass das AG zu Unrecht den Verwirkungsgrund des § 1579 Nr. 6 ZPO nicht angenommen habe. In beiden Fällen wird seitens des Beklagten vorgebracht, dass das AG den Tatsachenstoff der 1. Instanz nicht zutreffend gewürdigt habe und somit das Urteil unter Rechtsfehlern leide.
Nach Auffassung des Senats gehen beide Rügen des Beklagten fehl.
Zu Recht ist das AG davon ausgegangen, dass die auf den 20.9.1999 datierte Erklärung der Klägerin, wenn sie als Unterhaltsverzicht aufgefasst wird, was im Folgendem einmal unterstellt werden soll, jedenfalls sittenwidrig und damit richtig ist. Dabei verkennt der Senat nicht, dass grundsätzlich nacheheliche Unterhaltsvereinbarungen formlos möglich sind und dass wegen der grundsätzlich geltenden Vertragsfreiheit auch ein gänzlicher Unterhaltsverzicht für die Zukunft bei nachehelichem Unterhalt zulässig ist. Die durch Art. 2 Abs. 1 GG gewährleistete Privatautonomie findet aber dort ihre Grenzen, wo sie gegen die guten Sitten verstößt. Dies ist vorliegend der Fall. Es ist anerkannt, dass ein Unterhaltsverzicht gem. § 138 BGB nichtig ist, wenn er seinem objektiven Gehalt nach zu Lasten des Sozialhilfeträgers geschlossen wurde (vgl. OLG Köln FamRZ 1999, 920 m.w.N.). So liegt der Fall hier. Eine Vereinbarung, in der ein bei Abschluss der Vereinbarung nicht erwerbsfähiger und nicht vermögender Ehegatte auf Unterhalt verzichtet mit der Folge, dass er zwangsläufig auf Sozialhilfeleistung angewiesen ist, verstößt auch dann gegen die guten Sitten und ist nichtig, wenn ihm eine Schädigungsabsicht zu Lasten des Trägers der Sozialhilfe nicht zugrunde liegt. Die Vereinbarung der Parteien lief unter Bedachtnahme aller Umstände objektiv zwangsläufig auf eine Belastung des Trägers der Sozialhilfe hinaus. Damit nahm der Beklagte im Zeitpunkt, als er die Verzichtserklärung der Klägerin entgegennahm, bewusst in Kauf, dass der an sich von ihm geschuldete Unterhalt nunmehr durch den Sozialhilfeträger zu leisten war.
Die Verzichtserklärung der Klägerin wurde am 20.9.1999 abgegeben. Zur damaligen Zeit war der gemeinsame Sohn der Parteien, der am 2.1.1990 geboren wurde, noch keine zehn Jahre alt. Wie aus den Akten ersichtlich, hatte der gemeinsame Sohn zumindest damals erhebliche schulische Schwierigkeiten. Derzeit ist er 12 Jahre alt und in diesem Sommer wohl erst in die sechste Klasse der Hauptschule versetzt worden. Auch der Beklagte hat in vorliegendem Verfahren wie auch im Trennungsunterhaltsverfahren (33 F 422/99 AG Brühl) schulische Schwierigkeiten des Sohnes nicht bestritten. Er behauptet allerdings in hiesigem Verfahren, dass sich diese mittlerweile behoben haben. Ob dies tatsächlich der Fall ist, mag dahinstehen, jedenfalls führten die erheblichen schulischen Schwierigkeiten ...