Leitsatz (amtlich)
1. Der Streitwert des isoliert geführten selbständigen Beweisverfahrens richtet sich nach dem objektiven Wert des Anspruchs, dessen tatsächliche Grundlagen im Beweisverfahren geklärt werden sollen.
2. Lässt sich nach Rücknahme des Antrages nicht feststellen, welchen Wert der Hauptprozess gehabt hätte, ist dieser Ungewissheit dadurch Rechnung zu tragen, dass ein Mittelwert aus den in Betracht kommenden Ansprüchen gebildet und der Wertfestsetzung zugrunde gelegt wird (Anschluss an OLG Köln, OLGReport Köln 1992, 305).
Normenkette
BRAGO § 9 Abs. 2; ZPO §§ 3, 485
Verfahrensgang
LG Aachen (Aktenzeichen 10 OH 23/01) |
Tenor
Unter Zurückweisung der weiter gehenden Beschwerde wird der angefochtene Beschluss abgeändert und der Streitwert für das selbständige Beweisverfahren auf 81.580,87 Euro festgesetzt.
Gründe
Die gem. § 9 Abs. 2 BRAGO statthafte, auch i.Ü. zulässige Beschwerde der Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers, mit der diese eine Heraufsetzung des vom LG auf 20.000 Euro festgesetzten Streitwerts auf 143.161,73 Euro (entspricht 280.000 DM) erstreben, hat teilweise Erfolg.
Das LG hat sich bei der Bemessung des Streitwerts für das durch Rücknahme des Antrags beendete selbständige Beweisverfahren an dem Schätzbetrag orientiert, der voraussichtlich zur Beseitigung der Mängel erforderlich wäre, deren Feststellung Gegenstand des Antrags auf Durchführung des selbständigen Beweisverfahrens war. Das wird dem Umstand nicht gerecht, dass die beantragte Feststellung der Mängel des Kaufgegenstandes (Omnibus), des Mängelbeseitigungsaufwandes und einer verbleibenden Wertminderung erklärtermaßen der Vorbereitung der Entscheidung des Antragstellers diente, Wandlung oder Minderung des Kaufpreises zu verlangen (S. 5 der Antragsschrift), falls keine gütliche Einigung mit der Antragsgegnerin möglich sei (s.a. das Anwaltsschreiben vom 19.11.2001, Bl. 34 f. GA, mit dem der Antragsteller vorsorglich seine Rechte auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung, hilfsweise Wandelung, weiter hilfsweise Minderung des Kaufvertrages ggü. der Antragsgegnerin geltend gemacht hat).
Der Streitwert des isoliert geführten selbständigen Beweisverfahrens richtet sich nach dem objektiven Wert des Anspruchs, dessen tatsächliche Grundlagen im Beweisverfahren geklärt werden sollen (OLG Köln, OLGReport Köln 1999, 246 unter Aufgabe seiner früher abweichenden Auffassung; OLG Köln v. 25.6.1999 – 19 W 25/99, OLGReport Köln 1999, 356; Beschl. v. 19.1.2001 – 13 W 4/01). Demgemäß hat das LG denn auch im angefochtenen Beschluss – im Ansatz richtig – darauf abgestellt, dass der volle Wert, den der Rechtsstreit in der Hauptsache hätte, maßgeblich sei. Da der Antragsteller indessen erklärtermaßen vom Ergebnis der sachverständigen Feststellungen abhängig machen wollte, ob er die Antragsgegnerin im Hauptprozess auf Rückzahlung des Kaufpreises (Zug um Zug gegen Rückgabe des Busses) oder auf Minderung verklagen werde, lässt sich nach Rücknahme des Antrages (vor Erstattung des Gutachtens) nicht sicher feststellen, welchen Wert der Hauptsacheprozess gehabt hätte. In derartigen Fällen ist es nicht gerechtfertigt, den Wert des selbständigen Beweisverfahrens nach dem niedrigsten Anspruch (hier orientiert an den im Schreiben der Beteiligten zu 1) vom 18.2.2002 auf ca. 20.000 Euro veranschlagten Mängelbeseitigungskosten) zu bemessen. Ebenso wenig kann ohne weiteres – wie von der Beschwerde erstrebt – auf den höchsten Anspruch abgestellt werden (hier: Rückzahlung des Kaufpreises von 280.000 DM), mag hierauf auch in erster Linie die Rechtsverfolgungsabsicht des Antragstellers gerichtet gewesen sein. Der objektiven Ungewissheit über den Wert des beabsichtigten Hauptprozesses ist vielmehr bei sachgerechter Ermessensausübung dadurch Rechnung zu tragen, dass ein Mittelwert aus den in Betracht kommenden Ansprüchen gebildet und dieser – fiktive – Streitwert der Hauptsache der Wertfestsetzung für das selbständige Beweisverfahren zugrunde gelegt wird (so auch OLG Köln, OLGReport Köln 1992, 305).
Die angefochtene Streitwertfestsetzung ist daher unter Zurückweisung der weiter gehenden Beschwerde auf 81.580,87 Euro (= 20.000 Euro + 1423.161,73 Euro : 2) abzuändern.
Eine Kostenentscheidung ist in diesem Beschwerdeverfahren nicht veranlasst (§ 25 Abs. 4 GKG).
Fundstellen
Haufe-Index 1107463 |
BauR 2003, 1449 |
OLGR Köln 2003, 224 |