Leitsatz (amtlich)
Von einer ernstgemeinten und ernstgenommenen unverbindlichen Preisempfehlung kann im Matratzenhandel nicht mehr ausgegangen werden, wenn über ein Jahr hinweg der tatsächlich im Markt geforderte Preis lediglich knapp über der Hälfte der UVP lag und auch darunter liegende Preise mit Nachlässen von mehr als 50% - offensichtlich nicht nur vereinzelt - verlangt wurden.
Normenkette
UWG § 5 Abs. 1, 2 Nr. 2
Verfahrensgang
LG Köln (Aktenzeichen 84 O 43/22) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Antragstellerin wird das am 18.05.2022 verkündete Urteil der 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln - 84 O 43/22 - teilweise abgeändert und der Antragsgegnerin über das bereits erlassene Verbot gem. Ziff. I 1 hinaus im Wege der einstweiligen Verfügung bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 EUR und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, diese zu vollziehen an ihrer Geschäftsführerin, untersagt,
einen Preisvergleich mit einer UVP durchzuführen, es sei denn der UVP liegt eine aktuelle und ernsthafte Kalkulation als angemessener Verbraucherpreis zugrunde, wenn dies geschieht wie in der Anlage AS 2 und nachfolgend wiedergegeben:
((Abbildung))
II. Soweit sich die Berufung weitergehend auch auf den Erlass des Verfügungsantrags zu Ziff. I 2 bezogen auf die konkrete Verletzungsform wie in der Anlage AS 3 wiedergegeben richtet, wird sie zurückgewiesen.
III. Die Kosten des Verfahrens erster Instanz tragen die Antragstellerin zu 1/4 und die Antragsgegnerin zu *. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
Gründe
I. Die Parteien vertreiben u.a. Matratzen. Am 10. März 2022 warb die Antragsgegnerin auf ihrer Website für die Matratzen BeCo Selection und Mline Slow Motion 5 mit einer besonderen Günstigkeit, indem sie dem von ihr verlangten Preis eine durchgestrichene Unverbindliche Preisempfehlung (UVP) der jeweiligen Hersteller von 249 EUR bzw. 1.499 EUR gegenüberstellte.
Die Antragstellerin hat behauptet, es handele sich bei diesen UVP um sog. Mondpreise, denen keine aktuelle und ernsthafte Kalkulation als angemessener Verbraucherpreis zugrunde liege. Als Beleg dafür hat sie als Anlagenkonvolut AS 6 verschiedene Angebote von Internet-Händlern der BeCo-Matratze vorgelegt, aus denen sich ergibt, dass in keinem Angebot die UVP verlangt wird. Weiter hat sie als Anlage AS 7 die Preisentwicklung des Jahres 04/21 bis 03/22 laut der Preissuchmaschine "idealo" vorgelegt, aus der sich ergibt, dass der günstigste Preis für die BeCo-Matratze fast durchgehend unter 120 EUR lag.
Vergleichbare Internetausdrucke hat die Antragstellerin mit dem Anlagenkonvolut AS 9 auch für die Mline Slow Motion 5 vorgelegt. Der Preis, den das Unternehmen Mline zuletzt selbst auf seiner Internetseite angibt, beträgt 1.649 EUR (Anlage AS 10).
Die Antragsgegnerin hat sich verteidigt und behauptet, dass anhand der Wayback-Maschine belegt sei, dass der Hersteller für die Mline Slow Motion 5 an vier Zeitpunkten in 2021 (zuletzt 20.04.2021) den von ihr als UVP angegebenen Preis von 1.499 EUR ausgegeben habe. Gleiches ergebe sich aus der UVP-Liste des Herstellers (Anlage WRI 2, 3, 7).
Zur Matratze BeCo Selection hat sie eine Bestätigungs-Mail des Herstellers vorgelegt (Anlage WRI 8). In einem Verbrauchertest des Magazins "Haus & Garten" sei ebenfalls die UVP mit 249 EUR angegeben worden (Anlage WRI 9). Des Weiteren hat sie eine eidesstattliche Versicherung des Zeugen G. vorgelegt (Anlage WRI 11), der ihre Angaben bestätigt.
Das Landgericht hat mit Urteil vom 18.05.2022 - 84 O 43/22 - den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung bezogen auf den Antrag zu Ziff. I 2 zurückgewiesen und die Urteilsverfügung nur hinsichtlich des Weiteren von der Antragstellerin verfolgten Antrags zu Ziff. I 1 erlassen. Der Antrag zu Ziff. I 1 richtete sich darauf, nicht mit einem durchgestrichenen Preis mit einer Preisherabsetzung zu werben, wenn tatsächlich nur ein Vergleich mit einer UVP vorgenommen wird.
Das Landgericht hat es hinsichtlich des in der Berufung rechtshängigen Antrags zu Ziff. I 2 nicht als glaubhaft gemacht angesehen, dass die Preisempfehlung der Hersteller für die BeCo- bzw. Mline-Matratze bloße Mondpreise darstellen. Allein die Vorlage von Angeboten mit unterschiedlichen UVP-Angaben bzw. erheblich von der UVP abweichenden Preisen spreche nicht gegen ernsthaft kalkulierte Preisempfehlungen.
Die Antragstellerin verfolgt ihren erstinstanzlichen Antrag zu Ziff. I 2 weiter und wiederholt und vertieft ihren Vortrag aus erster Instanz. Sie stützt sich auf zwei Aspekte, nämlich dass zum einen UVPs in der hier verwendeten Höhe vor dem Schalten der Werbung der Antragsgegnerin nicht von den jeweiligen Herstellern empfohlen worden seien. Zum anderen ist sie der Ansicht, dass die UVPs, auch wenn sie denn ausgesprochen worden sein sollten, keiner ernsthaften Kalkulation entsprächen. Da sich niemand an ...