Verfahrensgang
LG Aachen (Aktenzeichen 12 O 328/18) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das am 21.02.2019 verkündete Urteil der 12. Zivilkammer des Landgerichts Aachen - 12 O 328/19 - unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 19.360,84 EUR zu zahlen, Zug um Zug gegen Herausgabe und Übereignung des Pkw Audi A 2.0 TDI mit der Fahrzeugidentifikationsnummer B.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus einem Betrag in Höhe von 19.360,84 EUR seit dem 24.10.2018 zu zahlen.
3. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des im Antrag zu 1. genannten Pkws in Verzug befindet.
4. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten i.H.v. 1.242,84 EUR freizustellen.
5. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
6. Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz trägt die Beklagte. Die Kosten des Rechtsstreits zweiter Instanz tragen der Kläger zu 37 % und die Beklagte zu 63 %.
7. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Beiden Parteien wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
8. Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger verlangt von der Beklagten Rückzahlung des Kaufpreises und Feststellung des Annahmeverzuges im Zusammenhang mit einem am 14.10.2015 bei der Firma C GmbH & Co. KG zu einem Preis von 29.000 EUR gebraucht gekauften Pkw Audi A. Zur Finanzierung des Kaufs nahm der Kläger bei der D ein Darlehen in Höhe von 30.347,48 EUR einschließlich Zinsen auf. Es war eine Laufzeit von 36 Monaten und eine Schlussrate in Höhe von 15.765,58 EUR vereinbart. Anstatt der Zahlung der Schlussrate konnte der Kläger das Fahrzeug zurückgeben. Das Fahrzeug wurde am 15.10.2015 mit einem Kilometerstand von 6782 km an den Kläger ausgeliefert.
Herstellerin des streitgegenständlichen Fahrzeuges ist die Audi AG. In dem Fahrzeug ist ein von der Beklagten hergestellter 2,0-Liter-Dieselmotor vom Typ EA 189 verbaut. Der Motor steht in Verbindung mit einer Software, die die Stickstoff-Emissionswerte im behördlichen Prüfverfahren optimiert. Das Motorsteuerungsgerät ermöglicht dabei zwei Betriebsmodi bei der Abgasrückführung: einen Stickstoff-optimierten Modus 1 mit einer relativ hohen Abgasrückführungsrate und einen Partikel-optimierten Modus 0, bei dem die Abgasrückführungsrate geringer ist. Die Software des Motorsteuerungsgerätes verfügt über eine Fahrzykluserkennung, die erkennt, ob sich das Fahrzeug im üblichen Straßenverkehr oder auf einem technischen Prüfstand zur Ermittlung der Emissionswerte befindet. Während des Prüfstandtests spielt die eingebaute Software beim Stickstoff-Ausstoß Modus 1 ab, wodurch geringere Stickoxidwerte erzielt und die gesetzlich vorgegebenen und im technischen Datenblatt aufgenommenen Abgaswerte wie auch die nach der Euro-5-Abgasnorm vorgegebenen NOx-Grenzwerte eingehalten werden. Unter realer Fahrbewegung im Straßenverkehr wird das Fahrzeug im Abgasrückführung-Modus 0 betrieben.
Nach Bekanntwerden des Einsatzes des in der Öffentlichkeit als "Manipulationssoftware" bezeichneten Motorsteuerungsprogrammes in verschiedenen Diesel-Fahrzeugen verschiedener Herstellerfirmen, unter anderem der Beklagten, legte das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) den Herstellerinnen im Herbst 2015 auf, die entsprechende Software aus allen Fahrzeugen zu entfernen. Am 01.06.2016 gab das KBA ein Software-Update für den von dem Kläger gefahrenen Fahrzeugtyp Audi A, 2.0 l TDI, 103 kW des Motortyps EA 189 frei. Der Kläger ließ das Software-Update durchführen.
Im August 2017 zahlte der Kläger für die Hauptuntersuchung beim TÜV einen Betrag i.H.v. 109 EUR. Im Mai 2018 ließ der Kläger vier neue Reifen zu einem Preis von insgesamt 554,92 EUR montieren.
Mit anwaltlichem Schreiben vom 05.07.2018 forderte der Kläger die Beklagte zur Rückzahlung des Kaufpreises abzüglich eines Nutzungswertersatzes bis zum 26.07.2018 und zur Abholung des Fahrzeuges auf. Die Beklagte verwies den Kläger mit Schreiben vom 20.08.2018 an die Audi AG. Im Oktober 2018 zahlte der Kläger an die D die Schlussrate.
Das Fahrzeug des Klägers hat am 10.12.2019 einen Kilometerstand von 121.135 km aufgewiesen.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Beklagte hafte wegen des Inverkehrbringens von Dieselmotoren in Verbindung mit der Manipulationssoftware auf Schadensersatz gemäß §§ 826, 31 BGB. Der Tatbestand der vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung sei erfüllt. Der Kläger hat behauptet, im Zeitpunkt des Kaufvertragsabschlusses zwar von dem Abgasskandal gehört, jedoch keine Kenntnis von den Auswirkungen und dem Ausmaß der Softwaremanipulation gehabt zu haben. Er habe den Verkaufsmitarbeiter vor Abschluss des Kaufvertrages danach gefragt, ob das Fahrzeug von den gerade publik gewordenen Manipulationen...