Verfahrensgang
LG Köln (Entscheidung vom 25.06.1991; Aktenzeichen 25 O 101/89) |
Tatbestand
Der Kläger litt unter einer Dupuytren'schen Kontraktur der linken Hand, die der Beklagte am 04.06.1985 in seiner Praxis ambulant operativ behandelte. Im Anschluß an die Operation entwickelte sich ein Morbus Sudeck (Sudeck'sche Dystrophie). Der Kläger war präoperativ nicht darüber aufgeklärt worden, daß sich eine Sudeck'sche Dystrophie entwickeln könne.
Der Kläger hat den Beklagten mit der Behauptung auf Schadensersatz in Anspruch genommen, daß er bei Kenntnis des Risikos, einen Morbus Sudeck davontragen zu können, nicht in die Operation eingewilligt hätte. Außerdem sei der Eingriff nicht indiziert gewesen. Schließlich seien dem Beklagten intra- und postoperative Behandlungsfehler vorzuwerfen.
Er hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen,
1. an ihn ein angemessenes Schmerzensgeld, mindestens jedoch 30.000,- DM, nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit,
2. an ihn 28.962,20 DM nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit,
3. an ihn ab dem 01.04.1989 eine vierteljährlich vorauszahlbare monatliche Rente in Höhe von 300,- DM, jeweils im voraus zum 01.01., 01.04., 01.07. und 01.10. eines jeden Jahres bis zum 31.08.2011,
4. an ihn ab dem 01.04.1989 eine weitere vierteljährlich vorauszahlbare monatliche Rente in Höhe von 300,- DM, jeweils im voraus zum 01.01., 01.04, 01.07. und 01.10. eines jeden Jahres bis zum 31.08.2013 zu zahlen.
5. festzustellen, daß der Beklagte verpflichtet ist, ihm sämtliche weiteren materiellen Schäden, die ihm infolge der Operation vom 04.06.1985 entstehen, zu ersetzen, soweit diese Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat Behandlungsfehler in Abrede gestellt und die Auffassung vertreten, daß eine Aufklärung über das Risiko des Morbus Sudeck nicht erforderlich gewesen sei. Ferner hat er behauptet, der Kläger hätte auch in Kenntnis dieses Risikos in die Operation eingewilligt.
Das Landgericht hat, sachverständig beraten, der Klage aus dem Gesichtspunkt eines Aufklärungsmangels teilweise stattgegeben. Gegen das ihm am 15.07.1991 zugestellte Urteil hat der Kläger mit einem am 14.08.1991 bei dem Oberlandesgericht Köln eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt, die er nach Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 15.11.1991 mit einem am 13.11.1991 eingegangenen Schriftsatz begründet hat.
Der Beklagte hat sich der Berufung unselbständig angeschlossen.
Der Kläger verfolgt sein erstinstanzliches Klageziel in vollem Umfang weiter. Er meint, die Operation sei nicht dringend indiziert gewesen. Ferner habe der Beklagte den sich entwickelnden Morbus Sudeck nicht rechtzeitig erkannt und deshalb zunächst nicht richtig behandelt. Wegen der Schadenshöhe wiederholt er sein erstinstanzliches Klagevorbringen.
Er beantragt,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils nach seinen erstinstanzlich gestellten Anträgen zu erkennen, soweit ihnen nicht entsprochen worden ist.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen und die Klage auf seine Anschlußberufung hin unter entsprechender Abänderung des angefochtenen Urteils abzuweisen.
Er tritt der Berufung entgegen und meint, der Kläger habe einen
Entscheidungskonflikt nicht plausibel dargelegt.
Wegen aller Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils sowie die im Berufungsrechtszug gewechselten Schriftsätze verwiesen.
Entscheidungsgründe
I.
Die nach §§ 511, 511 a ZPO statthafte Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 516, 518, 519 ZPO) und damit zulässig. Sie ist sachlich jedoch nicht gerechtfertigt.
1. Das Landgericht hat das nach §§ 823, 847 BGB zuerkannte Schmerzensgeld nicht zu niedrig bemessen.
Der Schmerzensgeldanspruch als besondere Form des Schadensersatzes ist im wesentlichen auf den Ausgleich der Schäden des Verletzten gerichtet (Ausgleichsfunktion). Der Verletzte soll durch das Schmerzensgeld in die Lage versetzt werden, sich Erleichterungen und andere Annehmlichkeiten anstelle derer zu verschaffen, deren Genuß ihm durch die Verletzung unmöglich gemacht wurde (vgl. Palandt-Thomas, 50. Aufl., § 847 Rdn. 4). Darüber hinaus soll das Schmerzensgeld auch zu einer wirklichen Genugtuung führen (BGHZ 18, 149). Bemessungsgrundlagen sind das Ausmaß und die Schwere der psychischen und physischen Störungen, also das Maß der Lebensbeeinträchtigung, die erlittenen und andauernden Schmerzen, der Grad des Verschuldens des Schädigers und dessen Verhältnisse.
Danach ist zu berücksichtigen, daß der Kläger neben der Operation an sich eine langwierige und schmerzhafte Nachbehandlung über sich ergehen lassen mußte und etwa 5 Monate arbeitsunfähig war. Seine Gebrauchshand ist in ihrer Funktionsfähigkeit auf Dauer stark, wenn auch nicht vollständig eingeschränkt. Immerhin kann er Daumen und Zeigefinger inzwischen wieder einigermaßen gebrauchen. Die Hand wirkt verkrüppelt. Von ihr gehen Schmerzen aus, auch soweit sie nicht unmi...