Verfahrensgang
Vergabekammer Südbayern (Entscheidung vom 12.07.2010; Aktenzeichen Z3-3-3194-1-24-04/10) |
Tenor
I.
Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss der Vergabekammer Südbayern vom 12.7.2010 aufgehoben.
II.
Der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin wird abgewiesen.
III.
Der Antrag auf Vorabentscheidung über den Zuschlag ist erledigt.
IV.
Die Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren einschließlich des Verfahrens nach § 121 GWB werden niedergeschlagen. Die Kosten für das Verfahren vor der Vergabekammer sowie die notwendigen Auslagen des Antragsgegners sowie der Beigeladenen im Verfahren vor der Vergabekammer und im Beschwerdeverfahren trägt die Antragstellerin. Die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts im Verfahren vor der Vergabekammer wird für den Antragsgegner und für die Beigeladene für notwendig erklärt.
V.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 6.237,65 € festgesetzt.
Gründe
I.
Das Staatliche Bauamt - im folgenden Vergabestelle - schrieb europaweit im Offenen Verfahren für den Ergänzungsbau der Fachhochschule K, Bereich Technik und Sozialwesen, Bodenbelegsarbeiten aus. Bei einigen Positionen wurden Referenzprodukte vorgegeben mit dem Zusatz "oder gleichwertig". Zuschlagskriterium war zu 100 % der Preis. Beim Submissionstermin lagen 21 Angebote vor, die zum Teil konventionell, zum Teil digital abgegeben worden waren. Bei digitalen Angeboten enthält das Submissionsprotokoll den Vermerk: "Es ist eine Signatur vorhanden. Die Signatur kann mit ava-sign 4.0 geprüft werden." Günstigster Bieter war die Antragstellerin, die Beigeladene, welche ein digitales Angebot abgegeben hatte, lag auf Platz 3. Nach technischer und wirtschaftlicher Prüfung schloss die Vergabestelle zwei Angebote aus, darunter das der Antragstellerin, so dass die Beigeladene an erster Stelle lag.
Die Antragstellerin stellte Nachprüfungsantrag mit dem Ziel, eine Wertung ihres Angebots zu erreichen. In der mündlichen Verhandlung vom 24.6.2010 wies die Vergabekammer darauf hin, dass das Angebot der Antragstellerin zwingend auszuschließen sei, weil es den Anforderungen des Leistungsverzeichnisses nicht entspreche. Die Antragstellerin erklärte darauf hin, sie könne sich nicht vorstellen, dass die Beigeladene bei allen Positionen, in welchen das Leitfabrikat ausgeschrieben worden sei, den Nachweis der Gleichwertigkeit erbracht habe. Nach einer Unterbrechung der Sitzung zur Prüfung dieses Vorbringens teilte die Vergabekammer den Verfahrensbeteiligten mit, die Beigeladene habe immer das Leitfabrikat angeboten, so dass eine Gleichwertigkeitsprüfung nicht habe stattfinden müssen. Bei der Durchsicht der Vergabeakten sei aber festgestellt worden, dass das elektronisch eingegangene Angebot der Beigeladenen durch die Vergabestelle nicht gekennzeichnet worden sei. Eine rechtliche Würdigung dieses Sachverhalts werde die Vergabekammer noch vornehmen.
Die Vergabestelle erläuterte nun in einem Schreiben vom 28.6.2010, ein digitales, auf der Vergabeplattform eingestelltes Angebot könne nicht mehr verändert werden, weil der Bieter keinen Zugriff mehr auf das Angebot habe und auch die Vergabestelle es erst bei Submission öffnen könne. Vor Angebotsöffnung sei ein Papierausdruck durch die Vergabestelle nicht möglich. Bei den schriftlich eingereichten Angeboten werde durch Lochung bei Angebotseröffnung sichergestellt, dass nachträglich keine Änderung mehr vorgenommen werden könne, bei digital eingereichten Angeboten werde erst im Rahmen der Nachrechnung ein Ausdruck erstellt und anhand dieses Ausdruckes geprüft, ob die vom Bieter erstellte Signatur gültig sei und die Daten unverändert seien. Dies sei beim Angebot der Beigeladenen der Fall gewesen.
In einem Schreiben vom 30.6.2010 teilte die Vergabekammer der Vergabestelle mit, es bestünden schwerwiegende Dokumentationsmängel, die zur Aufhebung des Vergabeverfahrens führen müssten. Bei Durchsicht der Vergabeakten wegen der Behandlung der digitalen Angebote sei der Vergabestelle aufgefallen, dass kein Vergabevermerk existiere; insbesondere seien keinerlei Unterlagen zu dem Verfahren bei der Abgabe digitaler Angebote gefunden worden.
Die Vergabestelle machte geltend, es lägen separate Schriftstücke vor, welche in transparenter und nachvollziehbarer Form die einzelnen Stufen des Vergabeverfahrens repräsentierten. Zugleich reichte die Vergabestelle einen nachträglich gefertigten einheitlichen Vergabevermerk ein.
Die Vergabekammer gab dem Nachprüfungsantrag der Antragstellerin statt und wies die Vergabestelle an, das Vergabeverfahren unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Vergabekammer ab Aufforderung zur Angebotsabgabe zu wiederholen. Zur Begründung führte die Vergabekammer aus, das Angebot der Antragstellerin sei zwar zwingend auszuschließen und das Angebot der Beigeladenen wertbar. Doch müssten die konventionell eingereichten Angebote als nicht wertbar eingestuft werden und das Vergabeverfahren infolgedessen aufgehoben werden. Auch an der Wertungsfähigkeit der digital eingereichten Angebo...