Entscheidungsstichwort (Thema)
Schadensersatzanspruch, Nichtzulassung, Verletzung, Einstandspflicht, Drittschutz, Fahrzeug, Amtshaftung, Aussetzung, Kommission, Schaden, Erstattung, Schutzgesetz, Nutzung, Zulassung, Aussetzung des Verfahrens, Rechtsprechung des BGH, Bundesrepublik Deutschland
Verfahrensgang
LG Augsburg (Aktenzeichen 102 O 2036/21) |
Tenor
Der Antrag des Klägers, das Verfahren gemäß § 148 ZPO bis zur Entscheidung des Rechtsstreits vor dem Europäischen Gerichtshof im Verfahren C-100/21 auszusetzen, wird zurückgewiesen.
Gründe
1. Auf Antrag der vom 05.8.2022 wird die Frist zur Stellungnahme auf den Hinweisbeschluss des Senats vom 24.6.2022 verlängert bis 5.9.2022.
Zu 1. Ein Grund zur Aussetzung des Verfahrens gemäß § 148 ZPO (analog) liegt nicht vor. Die ausstehende Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union in der Rechtssache C-100/21 zu der Frage, ob die RL 2007/46/EG in Verbindung mit Art. 5 der VO (EG) Nr. 715/2007 Drittschutz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB vermitteln, ist für den anhängigen Rechtsstreit nicht vorgreiflich.
Ein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte besteht jedenfalls nicht aus § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 31 BGB bzw. § 831 BGB, Art. 18, 26 Abs. 1, 46 der RL 46/2007/EG (Typgenehmigungsverfahrens-RL), Art. 4, 5 Abs. 1, 2 i. V. m. Art. 3 Nr. 10 VO (EG) Nr. 715/2007, bzw. den §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV.
a. Zum einen handelt es sich bei den genannten Vorschriften nicht um Schutzgesetze i.S. d. § Verbindlichkeit veranlasst zu werden - bezwecken (ständige Rechtsprechung des BGH, so auch 823 Abs. 2 die den Schutz des hier wirtschaftlichen Urteile des BGH vom 25.5.2020, VI ZR 252/19; vom 20.7.2021, VI ZR 1154/20; vom 26.4.2022, VI ZR 435/20; vom 24.3.2022, III ZR 270/20; sowie Beschluss des BGH vom 10.2.2022, III ZR 87/21; Hervorhebung durch den Senat).
Eine Rechtsnorm ist ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB, wenn sie zumindest auch dazu dienen soll, den Einzelnen oder einzelne Personenkreise gegen die Verletzung eines bestimmten Rechtsguts zu schützen. Dafür kommt es nicht auf die Wirkung, sondern auf Inhalt und Zweck des Gesetzes sowie darauf an, ob der Gesetzgeber bei Erlass des Gesetzes gerade einen Rechtsschutz zugunsten von Einzelpersonen oder bestimmten Personenkreisen gewollt oder doch mitgewollt hat. Es genügt, dass die Norm auch das Interesse des Einzelnen schützen soll, mag sie auch in erster Linie dasjenige der Allgemeinheit im Auge haben. Nicht ausreichend ist aber, dass der Individualschutz durch Befolgung der Norm nur als ihr Reflex objektiv erreicht wird. Der Schutz muss vielmehr im Aufgabenbereich der Norm liegen. Außerdem muss die Schaffung eines individuellen Schadensersatzanspruchs sinnvoll und im Lichte des haftungsrechtlichen Gesamtsystems tragbar erscheinen, wobei in umfassender Würdigung des gesamten Regelungszusammenhangs, in den die Norm gestellt ist, zu prüfen ist, ob es in der Tendenz des Gesetzgebers liegen konnte, an die Verletzung des geschützten Interesses die deliktische Einstandspflicht des dagegen Verstoßenden mit allen damit zugunsten des Geschädigten gegebenen Haftungs- und Beweiserleichterungen zu knüpfen (ständige Rechtsprechung des BGH, so auch Urteile des BGH vom 23.7.2019, VI ZR 307/18 und vom 25.5.2020, VI ZR 252/19). Ein Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 2 BGB setzt schließlich weiter voraus, dass sich im konkreten Schaden die Gefahr verwirklicht hat, vor der die betreffende Norm schützen sollte. Der eingetretene Schaden muss also in den sachlichen Schutzbereich der Norm fallen. Weiter muss der konkret Geschädigte vom persönlichen Schutzbereich der verletzten Norm erfasst sein (vgl. Urteile des BGH vom 23.7.2019, VI ZR 307/18, und vom 25.5.2020, VI ZR 252/19).
Diese Voraussetzungen liegen im Hinblick auf den vom Kläger geltend gemachten Schaden nicht vor.
Zwar haben die RL 2007/46/EG und die Verordnung (EG) Nr. 715/2007 insofern drittschützende Wirkung zugunsten der Fahrzeugerwerber, als deren Interesse betroffen ist, "dass ein erworbenes Fahrzeug zur Nutzung im Straßenverkehr zugelassen wird und dass diese Nutzung nicht aufgrund mangelnder Übereinstimmung mit dem genehmigten Typ bzw. den für diesen Typ geltenden Rechtsvorschriften untersagt wird" (vgl. Beschluss des BGH vom 10.2.2022, III ZR 87/21 in einem Verfahren, in welchem die Bundesrepublik Deutschland im Zusammenhang mit dem Erwerb eines mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung für die Abgasreinigung versehenen Kraftfahrzeugs auf Amtshaftung in Anspruch genommen wurde).
Unbeschadet des Umstands, dass den Bestimmungen in Richtlinien grundsätzlich keine unmittelbare Wirkung zukommt und eine Richtlinie nicht selbst Verpflichtungen für einen Einzelnen begründen kann und deshalb ihm gegenüber eine Berufung auf die Richtlinie als solche nicht möglich ist (vgl. hierzu Urteil des BGH vom 29.1.2020, VIII ZR 80/18, ständige Rechtsprechung des EuGH, vgl. nur EuGH, C-152/84, ECLI:ECLI:EU:C:1986:84 = Slg. 1986, 723 = NJW 1986, 2178 Rn. 48 - Marshall; C-91/92, ECLI:ECLI:EU:C:...