Leitsatz (amtlich)
Befindet sich der Ausländer in Sicherungshaft (nur) nach § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG, steht die Asylantragstellung der Aufrechterhaltung von Abschiebungshaft entgegen, auch wenn im nachfolgenden Beschwerdeverfahren Haftgründe im Sinne von § 14 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 AufenthG festgestellt werden.
Verfahrensgang
LG Landshut (Entscheidung vom 24.06.2008; Aktenzeichen 62 T 1525/08) |
AG Erding (Entscheidung vom 16.06.2008; Aktenzeichen XIV B 72/08) |
Gründe
I.
Die Ausländerbehörde betrieb die Zurückschiebung des Betroffenen, eines irakischen Staatsangehörigen. Der Betroffene reiste am 15.6.2008 aus Athen kommend auf dem Luftweg über den Flughafen München in die Bundesrepublik Deutschland ein. Bei einer im Bereich des Flughafens durch die Bundespolizei durchgeführten Kontrolle konnte er keinerlei Personaldokumente vorweisen. Nach eigenen Angaben war der Betroffene zwei Wochen zuvor legal mit einem Visum in die Türkei eingereist und von Istanbul aus durch einen unbekannten Landsmann im Lastkraftwagen und zu Fuß nach Griechenland geschleust worden. Am Flughafen in Athen habe er einen roten Pass mit ihm nicht mehr erinnerlichen Personalien erhalten, den er später zerrissen und in die Bordtoilette gespült habe. In München sei vorgesehen gewesen, ihm ein Zugticket nach den Niederlanden zu beschaffen. Für die Schleusung sei ein Betrag von 15.000 US-Dollar vereinbart und zur Hälfte bereits bezahlt worden.
Am 16.6.2008 hat die zuständige Ausländerbehörde beim Amtsgericht Antrag auf Zurückschiebungshaft für die Dauer von drei Monaten gestellt und sich zur Begründung der Haft auf die vollziehbare Ausreisepflicht aufgrund unerlaubter Einreise sowie auf den begründeten Verdacht berufen, der Betroffene wolle sich der Abschiebung entziehen.
Das Amtsgericht hat den Betroffenen mit Hilfe einer Dolmetscherin für die arabische Sprache angehört und sodann mit Beschluss vom 16.6.2008 Haft zur Sicherung der Abschiebung, längstens bis zum Ablauf des 15.9.2008, und die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung angeordnet. Zur Begründung hat sich das Amtsgericht ausschließlich auf den Haftgrund der unerlaubten Einreise (§ 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG) berufen. Gegen die in seiner Anwesenheit verkündete Entscheidung hat der Betroffene zu Protokoll sofortige Beschwerde eingelegt.
Beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ging am 19.6.2008 ein Asylantrag des Betroffenen ein.
Die sofortige Beschwerde des Betroffenen hat das Landgericht mit Beschluss vom 24.6.2008 ohne erneute Anhörung des Betroffenen zurückgewiesen. Der Beschluss des Landgerichts wurde dem Betroffenen am 2.7.2008 zugestellt.
Am 30.6.2008 ist beim Amtsgericht ein Schriftsatz vom 26.6.2008 eingegangen, mit dem sich ein Verfahrensbevollmächtigter für den Betroffenen unter Vorlage einer Vollmacht vom 23.6.2008 bestellte und "sofortige Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts vom 16.6.2008" einlegte. Der an das Landgericht weitergegebene und dort am 8.7.2008 eingegangene Schriftsatz wurde mit den Akten am 14.7.2008 als sofortige weitere Beschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts vom 24.6.2008 dem Senat vorgelegt und zunächst so behandelt. Nach Akteneinsicht des Verfahrensbevollmächtigten am 24.7.2008 hat dieser mit Schriftsatz vom 25.7.2008 erklärt, er begehre nunmehr im Rahmen des von ihm eingelegten Rechtsmittels infolge der Haftentlassung des Betroffenen am 17.7.2008 die nachträgliche Feststellung, dass dessen Inhaftnahme vom 16.6. bis 17.7.2008 rechtswidrig war. Auf den Hinweis des Senats vom 27.8.2008, dass das Rechtsmittel gegebenenfalls verfristet sein könnte, hat der Verfahrensbevollmächtigte hilfsweise Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und dies im Wesentlichen damit begründet, dass ihm der landgerichtliche Beschluss erst im Rahmen von Akteneinsicht (am 24.7.2008) bekannt geworden sei. Der Betroffene sei der deutschen Sprache nicht mächtig und ein Anwaltsbesuch sei an Dolmetscherproblemen gescheitert. Die Beschwerdekammer und auch der Senat hätten seine ursprüngliche Beschwerdeschrift bereits als sofortige weitere Beschwerde behandelt.
In der Sache wird im Wesentlichen vorgebracht, dass die Voraussetzungen für eine Zurückschiebung nach Griechenland aufgrund der Dublin-II-Verordnung nicht vorgelegen hätten, im Übrigen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Griechenland kein Rückübernahmeabkommen bestehe und auch die Voraussetzungen für eine Abschiebung des Betroffenen in den Irak nicht bestanden hätten.
II.
Der im Rahmen der sofortigen weiteren Beschwerde (§ 106 Abs. 2 Satz 1 AufenthG, § 3 Satz 2 FreihEntzG, §§ 27, 29 FGG) gestellte Antrag auf Rechtswidrigkeitsfeststellung hat in der Sache Erfolg.
1.
Allerdings hat der Betroffene die zweiwöchige Frist zur Einlegung der sofortigen weiteren Beschwerde (§ 29 Abs. 4, § 22 Abs. 1 FGG) nicht gewahrt. Der Beschluss des Beschwerdegerichts wurde ihm am 2.7.2008 zugestellt. Die Rechtsmittelfrist war mithin am 16.7.2008, 24.00 Uhr, abgelaufen. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte der Betroffene ein ...