Entscheidungsstichwort (Thema)
Herabsetzung des Krankheitsunterhalts gem. § 1572 BGB. Nachehelicher Unterhalt
Leitsatz (redaktionell)
Krankheitsunterhalt nach § 1572 BGB ist unter Berücksichtigung der Ehedauer (hier: 9 Jahre) auf den angemessenen Unterhalt herabzusetzen, wenn eine Billigkeitsabwägung ergibt, dass eine angemessene Übergangszeit (hier: 20 Jahre) überschritten ist. Allein wegen Krankheit kann ein Festhalten an der ehelichen Solidarität nicht gefordert werden, auch wenn der geschiedene Ehegatte Einkünfte hat, die nur unerheblich über dem Existenzminimum liegen.
Normenkette
BGB § 1570 ff., § 1572
Verfahrensgang
AG Starnberg (Beschluss vom 27.04.2004; Aktenzeichen 1 F 775/03) |
Tenor
Der Antrag der Beklagten, ihr für die beabsichtigte Berufung gegen das Endurteil des AG - FamG - Starnberg vom 27.4.2004 Prozesskostenhilfe zu bewilligen, wird zurückgewiesen.
Gründe
Die beabsichtigte Berufung der Beklagten hat aus den nachfolgenden Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg; §§ 119 Abs. 1 Satz 1, 114 ZPO.
Das AG hat zu Recht ab 1.10.2003 einen Unterhaltsanspruch der Beklagten gegen den Kläger verneint.
Der von dem Kläger seit 1983 bezahlte monatliche Unterhalt i.H.v. 700 DM bzw. 357,90 Euro wurde ab dem genannten Zeitpunkt auf null herabgesetzt, weil die Voraussetzungen des § 1578 Abs. 1 Satz 2 BGB vom Erstgericht bejaht worden sind und die Beklagte ihren angemessenen Unterhalt selbst aufbringen kann.
Der Senat kann die Argumentation der Beklagten, dass eine Herabsetzung des eheangemessenen Unterhalts auf den angemessenen Lebensbedarf hier nicht möglich sei, nicht übernehmen.
Die im März 1972 geschlossene, kinderlose Ehe der Parteien wurde durch das am 14.4.1981 erlassene, am 16.5.1981 rechtskräftige Urteil geschieden. Ob die Trennung im Jahre 1977 oder 1979 herbeigeführt worden war, spielt für die Begrenzung des nachehelichen Unterhalts auf den angemessenen Lebensbedarf letztlich nicht die entscheidende Rolle, da die Ehe jedenfalls weniger als 10 Jahre dauerte, so dass unter Berücksichtigung der Dauer der Ehe, deren Gestaltung von Erwerbstätigkeit und Lebensführung eine zeitlich unbegrenzte Bemessung des nachehelichen Unterhaltsanspruchs nach den ehelichen Lebensverhältnissen nicht als unbillig bezeichnet werden kann. Die Anknüpfung an die ehelichen Lebensverhältnisse dient dem Zweck, dem Berechtigten den in der Ehe erreichten Lebensstandard, der als das Ergebnis der gemeinsamen Arbeit anzusehen ist, auch für die Zukunft erhalten bleiben soll, solange diese Lebensstandardgarantie als schutzwürdig zu erachten ist (Johannsen/Büttner, Eherecht, 4. Aufl., § 1578 Rz. 3). Durch die Einführung der Vorschrift des § 1578 Abs. 1 Satz 2 BGB wurde jedoch die zeitlich unbegrenzte Lebensstandardgarantie relativiert.
Auch bei dem hier vorliegenden Krankheitsunterhalt gem. § 1572 BGB ist eine Herabsetzung nicht ausgeschlossen, da jeder Unterhaltsanspruch gem. §§ 1570 bis 1576 BGB vom eheangemessenen Unterhalt nach einer Übergangszeit auf den angemessenen Unterhalt herabgesetzt werden kann (BGH FamRZ 1999, 712).
Die erforderliche Billigkeitsabwägung wurde vom AG eingehend geprüft und bejaht. Die von der Beklagten dagegen vorgebrachten Argumente können den Senat nicht überzeugen. Der Kläger, der trotz inzwischen bestehender weiterer gleichrangiger Unterhaltsverpflichtungen mehr als 20 Jahre lang Unterhalt an die Beklagte bezahlt hat, konnte deshalb berechtigt eine Herabsetzung auf den angemessenen Unterhalt verlangen. Es gibt in der Rechtsprechung und Literatur Meinungen, dass Unterhalt nach § 1578 Abs. 1 Satz 1 BGB nur für einen Zeitraum, der der Ehedauer entspricht, zu bezahlen sei. Nachdem dieser Zeitraum hier weit überschritten worden ist, kann allein wegen der Krankheit der Beklagten ein weiteres Festhalten an der nachehelichen Solidarität nicht eingefordert werden, zumal die Bedürftigkeit der Beklagten nicht auf ehebedingte berufliche Nachteile zurückgeführt werden kann. Die Erwerbsunfähigkeit der Beklagten hat ihre Ursache in deren körperlichen Leiden, die wegen des inzwischen verstrichenen Zeitraumes von über 20 Jahren seit Ehezeitende nicht mehr als ehebedingt eingestuft werden können.
Die körperlichen Beeinträchtigungen beruhen auf den persönlichen Eigenheiten einer Person und können daher nicht ohne weiteres noch Jahrzehnte nach dem Scheitern der Ehe dem früheren Ehegatten angelastet und zugerechnet werden, zumal dies der vom Gesetz nach der Scheidung vorgesehenen Eigenverantwortlichkeit gem. § 1569 BGB widerspricht.
Ob die Beklagte im Hinblick auf ihr Alter von 34 Jahren bei der im Januar 1999 erfolgten Trennung (AG Starnberg, Urt. v. 31.3.1982 - 2 F 165/81; Bl. 12 d.A.) trotz des Bezugs von Erwerbsunfähigkeitsrente keiner Nebentätigkeit nachgehen konnte, ist nicht nachgeprüft worden und soll auch nur als Hinweis darauf verstanden werden, dass auch dies bei der Billigkeitsprüfung nicht unberücksichtigt bleiben kann. Jedenfalls erscheint es dem Senat im Hinblick auf die Dauer der Ehe und dem Alter der Beklagten be...