Entscheidungsstichwort (Thema)
Einziehung eines Gesellschaftsanteils nach Kündigung des Arbeitsverhältnisses
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Satzungsbestimmung, nach der die Einziehung eines GmbH-Gesellschaftsanteils, der maßgeblich im Hinblick auf die partnerschaftliche Mitarbeit des Gesellschafters in der Gesellschaft (hier: einer Unternehmensberatungsgesellschaft) eingeräumt wurde, an die Beendigung der Mitarbeit geknüpft ist, ist grundsätzlich wirksam (vgl. BGH v. 19.09.2005, II ZR 342/03).
2. Eine Satzungsbestimmung, wonach im Falle eines Streits über die Wirksamkeit der Kündigung des Vertragsverhältnisses zwischen dem Gesellschafter und der Gesellschaft die wirksame Beendigung fingiert wird und eine Einziehung des Geschäftsanteils durch Gesellschaftsbeschluss deshalb gerechtfertigt ist, ist unwirksam. Die Möglichkeit willkürlicher Einziehung begründet die Sittenwidrigkeit der Klausel.
3. Ein Gesellschafter, dessen Anteil durch Gesellschaftsbeschluss eingezogen wurde, kann sich jedoch im Falle faktischer Beendigung der Partnerschaft nach Treu und Glauben dann nicht mehr auf eine ungeklärte Beendigung des Vertragsverhältnisses berufen, wenn nach den Umständen des Falles nicht mehr zu erwarten ist, dass der Gesellschafter die tatsächliche Mitarbeit als Partner wieder aufnimmt.
Verfahrensgang
LG München I (Urteil vom 10.07.2015; Aktenzeichen 14 HK O 21296/14) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des LG München I vom 10.7.2015 (Az.: 14 HK O 21296/14) in Ziffer I. aufgehoben, soweit der Klage stattgegeben wurde.
2. Die Klage wird abgewiesen.
3. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. Bei der Kostenentscheidung des LG für die erste Instanz hat es sein Bewenden.
4. Dieses Urteil und das angegriffene Urteil, soweit es noch Bestand hat, sind vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des gegen sie vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
5. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.
Gründe
A. Die Parteien streiten um die Wirksamkeit von Gesellschafterbeschlüssen.
Die beklagte Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist die Muttergesellschaft der Unternehmensgruppe R. B., einer international tätigen Unternehmens- und Strategieberatung. Die Klägerin war kraft Arbeitsvertrags in der französischen Niederlassung der R. B. Strategy Consultants GmbH, einer Tochtergesellschaft der Beklagten tätig. Seit 2012 war sie auch "Partnerin" der Beklagten und deren Gesellschafterin mit einem Gesellschaftsanteil im Nennbetrag von 1.400,- EUR.
Am 17.2.2014 kündigte die R. B. Strategy Consultants GmbH das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin. Hiergegen wendet sich die Klägerin vor den französischen Arbeitsgerichten. Erstinstanzlich wurde ihr Antrag auf Feststellung der Nichtigkeit der Kündigung und Weiterbeschäftigung abgewiesen, ihr aber eine Entschädigung in Höhe von 200.000,- EUR zuerkannt, weil die Kündigung "keinen tatsächlichen und ernsthaften Grund" gehabt habe. Auf das Urteil des Conseil de Prud'hommes de Paris vom 24.3.2016 (Anlage B 18 = BB 1) wird Bezug genommen. Dieses Urteil ist nicht rechtskräftig.
Mit Mail vom 26.8.2014 (Anlage K 15) stellte der damalige Vorsitzende des Aufsichtsrats der Beklagten (unter anderem) folgende Beschlussgegenstände zur (satzungsmäßig vorgesehenen) Beschlussfassung der Gesellschafter der Beklagten außerhalb von Gesellschafterversammlungen.
Beschluss 2a: Der Gesellschaftsanteil der Gesellschafterin S. L. [die Klägerin, Anm. des Senats] im Nennbetrag von EUR 1.400,- (laufende Nr. 324 in der Gesellschafterliste) wird gemäß § 11.2.5. der Satzung der Gesellschaft eingezogen ...
Beschluss 2b Anstelle des eingezogenen Geschäftsanteils von Frau L. wird ein Geschäftsanteil im gleichen Nennbetrag von EUR 1.400,- mit der laufenden Nummer 324 in der Gesellschafterliste neu gebildet. Dieser neue Geschäftsanteil steht der Gesellschaft als eigener Geschäftsanteil zu ...
Mit Protokoll vom 8.10.2014 (Anlage B 1) stellten der Vorsitzende des Aufsichtsrats der Beklagten und ein Protokollführer fest, dass vorstehender Beschlussantrag 2a mit einer Mehrheit von 70,1 Prozent der Stimmen angenommen wurde und dass Beschlussantrag 2b bei einer Mehrheit von 70,4 Prozent der Stimmen angesichts der erforderlichen Stimmenmehrheit von 75 Prozent abgelehnt wurde.
Die Satzung der Beklagten (Anlage K 2) hat auszugsweise den folgenden Wortlaut.
11.2. Die Einziehung eines Geschäftsanteils eines Gesellschafters ohne dessen Zustimmung ist nur zulässig, wenn
11.2.5. ein zwischen einem Gesellschafter und der Gesellschaft oder einem mit der Gesellschaft verbundenen Unternehmen bestehender Anstellungsvertrag, Beratervertrag oder sonstiger Vertrag, nach dem der Gesellschafter den Status eines "Partners" in der R. B.-Gruppe oder einer sonstigen Konzerngesellschaft oder einen vergleichbaren Status erhalten hat, egal...